Welche Form der Waldbewirtschaftung ist die richtige? Über diese Fragen diskutieren Förster, seit es Forstwirtschaft gibt. Am Freitag war im Lohrer Stadtwald eine vielköpfige Gruppe von Forstleuten unterwegs, bei denen man eigentlich davon ausgehen konnte, dass sie eine ähnliche Vorstellung von der richtigen Waldbewirtschaftung haben. Diskussionen um den Umgang mit dem Wald gab es dennoch.
Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) hat sich einer möglichst naturgemäßen Forstwirtschaft verschrieben, der Verbindung von Ökonomie und Ökologie, dem Arbeiten mit statt gegen die Natur.
Knapp 90 Exkursionsteilnehmer
In Bayern zählt der Zusammenschluss von Forstleuten, Waldbesitzern, Wissenschaftlern und Waldinteressierten aktuell rund 540 Mitglieder. Knapp 90 davon begaben sich am Freitag anlässlich der in Lohr stattfindenden ANW-Landestagung auf eine Exkursion durch den Stadtwald.
Dass sich die ANW-Verantwortlichen den Stadtwald als Ziel ausgesucht hatten, ist kein Zufall. Gilt dessen vom vor einem Jahr in Ruhestand gegangenen ehemaligen Stadtforst-Chef Bernhard Rückert vor rund 30 Jahren gesteckter Kurs mittlerweile doch bundesweit als Vorzeigeobjekt für naturnahe Waldbewirtschaftung.
Am besten entwickeln kann sich diese Naturnähe auf jenen Flächen, die der städtische Forstbetrieb komplett aus der Nutzung genommen hat.
Sie umfassen etwa 200 des insgesamt rund 4100 Hektar großen Stadtwalds. Geschaffen wurden diese Stilllegungsflächen nicht zuletzt im Zuge der FSC-Zertifizierung. Deren Kriterien schreiben vor, dass fünf Prozent der Fläche eines Forstbetriebs der Natur überlassen werden müssen.
Nutzen des Nichtstuns
Rückert, der seinen erkrankten Nachfolger Michael Neuner vertrat, sprach angesichts dieser Flächen davon, dass Waldwirtschaft heute eben weit mehr sei als Sägen, Pflanzen und Pflegen. "Es gehört auch das Nichtstun dazu", um die Artenvielfalt zu fördern, natürliche Dynamik zu erlauben und aus dieser zu lernen.
An Zwischenfragen von Exkursionsteilnehmern war jedoch zu erkennen, dass selbst Anhänger einer naturnahen Waldwirtschaft mitunter ein Problem damit haben, Natur Natur sein zu lassen und auf Holznutzung zu verzichten.
"Wir könnt´ ihr solche Eichen stehen lassen", fragte einer beim Anblick eines über 200 Jahre alten Prachtexemplars, das in einer der städtischen Stilllegungsflächen dem vermutlich erst in einigen hundert Jahren beginnenden Zerfall entgegenwächst. Ein anderer befürchtete, dass niemand mehr solche alten Eichen heranpflegen werde, wenn sie am Ende nicht genutzt würden.
Auch zweifelnde Stimmen
Doch es gab auch andere Stimmen, denen das städtische Konzept der Stilllegungsflächen nicht weit genug ging. Wenn man Natur wirklich Natur sein lassen wolle, dürfe man nicht, wie im Stadtwald geschehen, in Stilllegungsflächen Fichten entfernen, um das Ausbreiten des Borkenkäfers einzudämmen, lautete ein Einwand. Einem anderen Exkursionsteilnehmer wiederum waren die Parzellen dieser Stilllegungsflächen zu groß. Man solle stattdessen deutlich mehr kleinere Parzellen schaffen, um seltenen Arten mehr Trittsteine im Wirtschaftswald zu bieten, so sein Argument.
Rückert ebenso wie Manfred Schölch, ANW-Landesvorsitzender und Waldbauprofessor an der Fachhochschule Weihenstephan, plädierten indes generell für mehr forstliche Gelassenheit. Sie forderten den Mut, den Dingen im Vertrauen auf natürliche Abläufe auch mal ihren Lauf zu lassen. "Einfach mal zuschauen, was passiert", sagte Schölch und warb dafür, aus den in Naturwaldflächen gewonnenen Erkenntnissen Lehren für die Forstwirtschaft zu ziehen.
Rückert argumentierte ähnlich, wobei er bei der Diskussion um das Ernten oder Verschonen einer alten Eiche einen Satz sprach, der einerseits schmunzeln lassen konnte, andererseits jedoch verdeutlicht, in welchen Zeiträumen Forstleute denken: "Vielleicht wächst diese Eiche in 500 Jahren noch. Wir werden sehen."
Rückepferde im Einsatz
Neben der Frage des generellen Umgangs mit dem Ökosystem Wald befasste sich die ANW-Exkursion an insgesamt vier Exkursionspunkten auch mit ganz konkreten Fragen zur Waldbewirtschaftung.
Dabei ging es beispielsweise darum, wie durch den Klimawandel dem Untergang geweihte Fichtenreinbeständen in Mischwälder umgebaut werden können. An einem anderen Punkt führte der Wombacher Holzrücker Alfred Ullrich vor, welche Vorzüge und Grenzen das Rücken von Holz mit Pferden hat.
Wenige Meter weiter wurde eine Art "eisernes Pferd" vorgestellt: eine neu entwickelte, ferngesteuerte Kleinmaschine zum Holzrücken. Wie das Pferd soll auch diese 1,6 Tonnen schwere Kleinraupe den Waldboden schonen, Waldarbeitern aber auch die Arbeit erleichtern, beispielsweise beim Transport von Material für den Zaunbau.
Solche Zäune, das erklärte der ANW-Landesvorsitzende Schölch am Rande, sollten freilich entbehrlich sein. Denn ein der wichtigsten Voraussetzungen für naturgemäße Waldwirtschaft auf großer Fläche seien angepasste Wildbestände. Aus diesem Grund seien nahezu alle ANW-Mitglieder auch intensive Jäger, so Schölch.