Der Mittelsinner Lehrersohn Wilhelm Hohmann, geboren 1898, war im Ersten Weltkrieg an einem wahren Husarenstreich an der Westfront beteiligt. Zusammen mit zwei Kameraden nahm er in einer waghalsigen Nacht- und Nebelaktion im November 1917 im feindlichen Schützengraben einen 24-jährigen Franzosen gefangen. Am 20. Dezember 1917 stand das wie als großes Abenteuer geschilderte Erlebnis im Gemündener Anzeiger. Hohmann überlebte den Ersten Weltkrieg und wurde zu einem feurigen Unterstützer Hitlers.
Wenn man den Erlebnisbericht liest, der dem Anzeiger aus irgendeiner Quelle zugegangen sein muss – in Klammern vorangestellt ist ihm das Wort „Ehrenblatt“ –, fühlt man sich stark an Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ erinnert. In Jüngers Kriegstagebuch erscheint der Froneinsatz, anders als etwa in Remarques „Im Westen nichts Neues“, als zwar entbehrungs- und verlustreich, aber doch als männlich-ruhmhaftes Abenteuer verbrämt. Der Bericht über den erfolgreichen Mittelsinner sollte offenbar der Erbauung dienen. Tenor: Alles halb so schlimm.
„Ausflug“ zwischen die Schützengräben
Was also hat Hohmann so Glorreiches vollbracht, dass es einen mehr als halbseitigen Bericht im Gemündener Anzeiger wert war? Der Mittelsinner Offiziersanwärter bei der 8. Kompanie des 9. bayerischen Infanterieregiments aus Würzburg wagt am 17. November um kurz nach Mitternacht mit den Gefreiten Georg Wirth aus Nürnberg und Leo Zöller aus Großheubach einen „Ausflug“ durch das Niemandsland zwischen den Schützengräben hinüber in den französischen. Das Infanterieregiment war damals, wie man aus dem Internet erfährt, rund 40 Kilometer südwestlich von Metz beim lothringischen Dorf Thiaucourt-Regniéville stationiert. Zuvor hatte das Regiment schwerste Verluste in Flandern hinnehmen müssen.
Für ihren Patrouillengang haben die drei wagemutigen Soldaten zunächst tagsüber mit dem Halbscherenfernrohr eine Lücke im feindlichen Drahtverhau gesichtet und anhand des Kaffeedampfes ausgemacht, wo die feindlichen Posten stehen. „Noch eine Handgranate an den Gürtel, den Revolver um den Hals gehängt und in der Seitentasche verstaut, die leichte Mütze auf und los ging die Patrouille“, so steht's im Artikel.
Nach fünf Minuten im feindlichen Graben
Durch langes Gras und Unkraut, das die Geräusche schluckt, geht es zwischen davonhuschenden Mäusen und Ratten dahin. Am Himmel leuchten immer wieder deutsche Leuchtkugeln oder französische Leuchtraketen auf. Eine halbe Stunde dauert es, durch den Stacheldraht zu kommen, der Lappen aus der Kleidung und den Soldaten Wunden reißt. Wenn der Draht klirrt, muss lange still verharrt werden, um dem Feind zu entgehen. Fünf Minuten später stehen Hohmann und die anderen drei im feindlichen Graben.
Am Ausgang eines Verbindungswegs warten sie, ob ihnen vielleicht ein nichts ahnender Franzose in die Arme läuft, den sie überrumpeln und gefangen nehmen können. Mittlerweile ist es schon vier Uhr. Da nichts passiert, gehen sie den Franzosen entgegen, der altgediente Gefreite Wirth mit entsicherter Pistole in der Hand vorneweg.
An einer leeren Schulterwehr nach der anderen gehen sie vorbei, bis sich an der sechsten plötzlich ein Zigarette rauchender Franzose umdreht. „Zwei Schüsse krachten und sofort saß Wirth dem Franzosen an der Kehle“, heißt es. Im gleichen Augenblick kracht aus einem nahen Wellblechbogen heraus ein Gewehrschuss und Hohmann fühlt einen stechenden Schmerz im Arm. Trotzdem gelingt es ihm und Zöller, den zweiten Franzosen niederzuschießen.
Mit einem gefangenen Franzosen ging es zurück
Mit dem gefangen genommenen Franzosen eilen die drei Deutschen wieder dem eigenen Schützengraben zu. „Bis die Franzmänner aus ihren Unterständen kamen, waren die Vier schon über dem Drahtverhau weg und in einem Granatloch im Niemandsland vorläufig geborgen.“ Aufsteigende Leuchtraketen erhellen das Gelände, Maschinengewehrfeuer fegt darüber hinweg. Wirth verbindet dem Gefangenen angeblich den von einer Revolverkugel zerschmetterten Oberarm, während Hohmann und Zöller Wache halten. Als es wieder ruhig war, schlichen die drei Deutschen und ihr Gefangener weiter. Nach fünf Stunden sind sie wieder im heimischen Graben.
Offenbar bekamen sie dafür Heimaturlaub, denn abschließend heißt es: „Drei Tage darauf konnten die drei furchtlosen Deutschen ihr Erlebnis im Heimatdorf erzählen.“
Nazi der ersten Stunde
Nach dem Krieg wurde Hohmann zu einem Nationalsozialisten der ersten Stunde. Im Buch „Mittelsinn im Sinngrund“ ist die Notiz eines Pfarrers wiedergegeben, der schreibt: „Am 27.4.1925 wurde die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten in Mittelsinn mit Glockengeläute zur Mittagszeit, nächtlichem Fackelzug und Abbrennen dreier Höhenfeuer unter Singen vaterländischer Lieder gefeiert. Das war hauptsächlich das Werk des Lehrersohns Wilh. Hohmann.“
Nach Recherchen des Würzburger Heimatforschers Joachim Braun trat Hohmann bereits 1927 in die NSDAP ein und gründete im selben Jahr die NSDAP-Ortsgruppe Mittelsinn. Bis 1935 gehörte der Ingenieur auch der SA-Standarte Franken, zuletzt im Rang eines Sturmbannführers, an. Mitte 1935 wurde Hohmann zum Kreisamtsleiter der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt im Kreis Ochsenfurt ernannt. Das Amt bekleidete er bis zum Zusammenbruch der NS-Herrschaft. Hohmann war laut Braun maßgeblich an den Ausschreitungen gegen die Juden im Kreis Ochsenfurt am 10. November 1938, der Reichspogromnacht, beteiligt und wurde dafür im Entnazifizierungsverfahren auch bestraft.
WELCHE Funktionen hat Hohmann nach dem Krieg noch wahrgenommen?
Grüße
B. Kohlhepp