Ein Motorfahrrad, kurz Mofa, ist ein Fortbewegungsmittel, mit dem vorwiegend männliche Jugendliche im Zockeltempo jenem Tag entgegenknattern, an dem sie den Autoführerschein in den Händen halten. Denkt man. Im Fall von Florian Siegler, Andreas Kolb, Steffen Schwarzkopf, und Marko Kirsch jedoch ist alles anders.
Die vier Frammersbacher sind dem klassischen Mofaalter längst entwachsen. Dennoch dreht sich für sie in der Freizeit wenn nicht alles, so doch sehr vieles um ein Zweirad mit einem Hubraum von 50 Kubikzentimetern. Die vier Männer in den 30ern betreiben einen eigenen Mofa-Rennstall: DeWalt-Mofa-Racing.
Angefangen hat es 2009. Auslöser war ein Plakat, das auf ein Mofarennen in Hain hinwies. Für die Clique, die nach eigener Aussage von Kindheit an „zweiradinfiziert“ ist, stand fest: Das müssen wir uns anschauen.
Das, was die Frammersbacher Motorsportfreunde in Hain sahen, faszinierte sie: „3000 Zuschauer, ein Hexenkessel, Riesengaudi“, beschreibt der 34-jährige Andreas Kolb die Szenerie. Die daraus abgeleitete Erkenntnis der vier Frammersbacher: „Das ist es.“ Bereits einen Tag später beschafften sie sich von einem Bekannten das erste Mofa, eine Hercules Prima GT. Kaufpreis: Zwei Flaschen Spirituosen.
„An die Arbeit und die Kosten haben wir da noch nicht gedacht“, bekennt Siegler, dass der Einstieg in den Rennsport noch etwas blauäugig. Frohen Mutes begann das Quartett mit dem Schrauben und Werkeln am eigenen Renn-Mofa. Grundkenntnisse darin, wie man ein handelsübliches Mofa etwas beschleunigt, waren aus Jugendjahren vorhanden. Daneben schauten sich die angehenden Rennfahrer viel von anderen Renn-Mofas ab, sammelten Tipps und Wissen.
Um im Rennen einigermaßen mithalten zu können, müsse vor allem der Motor eines Mofas komplett überarbeitet werden, erklärt der für das Motortuning zuständige Andreas Kolb, von Beruf Servicetechniker. Nur das Gehäuse bleibe im Originalzustand, ansonsten werde alles ausgetauscht, vom Zylinder über den Vergaser bis hin zur Kurbelwelle. Der Rahmen der Mofas ist durch eingeschweißte streben verstärkt.
Bei all diesen Arbeiten stellten die Frammersbacher Schrauber schnell fest, dass „ das richtig ins Geld geht“. Einen Betrag an der Schwelle zum Fünfstelligen hätte es wohl gekostet, bis das Renn-Mofa einsatzbereit gewesen wäre. Diese Tatsache ließ die Euphorie im jungen Rennstall zunächst erlahmen. Man begann, Geld auf die Seite zu legen – bis 2013.
Dann gab es einen neuen Anlauf. Ohne sich große Hoffnungen zu machen, bewarben sich die Frammersbacher mit ihren nach dem Hauptsponsor, einem Werkzeughersteller, benannten Rennstall für die Verlosung eines der begehrten Startplätze beim Mofa-Rennen in Laufach. Sechs Wochen vor Renntermin kam ein Anruf. Die elektrisierende Botschaft: „Ihr seid dabei“.
Gleichermaßen begeistert wie erschrocken machen sich die Frammersbacher an die Arbeit. „Tag und Nacht, hunderte Stunden“, erinnert sich der 31-jährige Florian Siegler, im echten Leben Kaufmann. Das Mofa sei zu diesem Zeitpunkt eine einzige Baustelle gewesen. Noch nie sei man damit im Rennbetrieb gefahren. Es kam, wie es kommen musste: Die Rennmaschine wurde gerade so zum großen Tag des Rennens fertig. Ohne Testfahrt oder gar ein Training reiste das Frammersbacher Quartett nach Laufach.
„Geschüttet wie aus Kübeln hat es“, erinnert sich Marko Kirsch (32), der als Schlosser für die gröberen Arbeiten am Mofa zuständig ist. Nach einer Stunde Rennbetrieb sei fast der Motor aus dem Mofa gefallen, weil sich alle Schrauben gelockert hatten.
Man könne sich nicht vorstellen, wie anstrengend ein solches Mofarennen sei, ergänzt Kolb. Letztendlich sei nicht nur die Technik, sondern auch die Kondition der sich abwechselnden Fahrer entscheidend. Bei den Mofas selbst komme es gar nicht so sehr auf die Höchstgeschwindigkeit an, die bei etwa 50 Stundenkilometern liege, sondern „viel mehr auf die Beschleunigung“.
Vier Stunden dauern die Mofarennen. Wer am Ende die meisten Runden absolviert hat, ist der Sieger. „Wir haben viel Lehrgeld bezahlt“, sagt Siegler. Am Ende reichte es bei der Premiere zum 13. von 20 Plätzen. Von anderen Rennfahrern erhielten die Frammersbacher dafür Komplimente, doch sie selbst waren unzufrieden. Der Ehrgeiz war geweckt.
2013 bestritten sie noch ein weiteres Rennen, bei dem jedoch der Mofamotor nach zehn Minuten seinen Geist aufgab. Den folgenden Winter nutze das Rennfahrerquartett, um ein komplett neues Mofa aufzubauen. 2014 landeten sie beim „Spessart-Mofa-Cup“ den ersten größeren Erfolg: einen dritten Platz.
2015 belegte DeWalt-Racing beim nun vom Deutschen Motorsportverband ausgetragenen Mofa-Cup in der Gesamtwertung den respektablen dritten Platz. Rennorte waren beispielsweise Laufach, Sailauf, Klein-Krotzenburg, Nidda, Neuenhaßlau oder auch Güntersleben. Meist sind dabei 20 Rennställe am Start.
Doch der Ehrgeiz der vier Frammersbacher ist noch nicht gestillt. Sie arbeiten weiter an der Perfektionierung ihres Rennbetriebs. Mittlerweile, so sagt Andreas Kolb, stecke im Rennmofa ein Betrag, für den man sich einen Mittelklassewagen kaufen könnte. Die Finanzierung ist freilich ein Kraftakt. Denn Preisgelder gibt es im Mofa-Rennsport keine zu gewinnen. Stattdessen zahlen die vier Rennstallmitglieder monatlich einen Betrag in ihre Kasse. Hinzu kommt die Unterstützung durch Sponsoren. Etliche Betriebe der Region unterstützten die vier Frammersbacher Rennfahrer, daneben auch der Motorsportclub Frammersbach, dem sie sich angeschlossen haben. All dies helfe, „den finanziellen Schaden in Grenzen zu halten“, sagt Siegler.
In der als familiäre Gemeinschaft zu verstehenden Szene der Mofarennen haben sich die Frammersbacher mittlerweile einen beachtlichen Ruf erarbeitet. Das liegt nicht nur an ihren sportlichen Erfolgen, sondern auch an der Akribie und dem Einfallsreichtum, mit dem sie ans Werk gehen.
Wo andere Rennfahrer am Renntag ihr Mofa aus dem Kofferraum eines Kastenwagens ziehen, rücken die Frammersbacher mit einem 7,5-Tonner an. Die drei auf drei Meter große Fläche, die jeder Rennstall in der „Boxengasse“ belegen darf, gleicht bei DeWalt-Racing einer professionell ausgestatteten Werkstatt. Komplettiert wird das Bild durch das einheitliche Outfit in Schwarzgelb.
Bei allem Ehrgeiz betreiben Siegler, Kolb, Kirsch und Schwarzkopf ihren Rennsport aber vor allem mit einem Augenzwinkern. Von den Partnerinnen, die alle vier haben, werde ihr Spleen „akzeptiert“, schmunzelt Kolb. Sogar ein aus Eltern und Bekannten bestehender Fanclub reist mit zu den Rennen, meist so um die 30 Leute.
Ambitionen, sich im Rennsport mit stärkeren Zweirädern zu versuchen, haben die Männer von DeWalt-Racing nicht. Das Gefahrenpotenzial und die Kosten halten sie davon ab. Lieber schrauben sie auch in diesem Winter wieder intensiv an ihrem Rennmofa, um noch ein bisschen mehr rauszukitzeln, bevor Anfang Juni wieder auf die Rennpisten des Spessarts geht.