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Lohr
Wohnkomplex auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hutzel in Lohr: Viel Zustimmung und manche Bedenken
Das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße.
Foto: Johannes Ungemach | Das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:24 Uhr

Es klingt wie die Ideallösung: Ein Investor schafft in Lohr auf einer Gewerbebrache in großem Stil Wohnraum und baut gleich noch eine Kindertagesstätte, die den erwarteten steigenden Betreuungsbedarf abdeckt. Doch es ist wie so oft: Der Teufel steckt im Detail. Das zeigt sich bei einem Projekt, über dessen Rahmenbedingungen am Mittwoch im Lohrer Stadtrat lange debattiert wurde.

Es geht um eine Planung der Raiffeisenbank Main-Spessart. Diese will durch ihr Tochterunternehmen R-Projekte II GmbH auf dem von ihr gekauften Areal der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. In vier mehrstöckigen Gebäuden sollen 71 Wohnungen entstehen, daneben ein Parkhaus, eine Art Dorfladen, eine Wohngemeinschaft für Senioren und eben auch eine Kindertagesstätte.

Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße soll ein Komplex mit 70 Wohnungen, einem Laden, einer Senioren-WG und einer Kindertagesstätte entstehen.
Foto: Johannes Ungemach | Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße soll ein Komplex mit 70 Wohnungen, einem Laden, einer Senioren-WG und einer Kindertagesstätte entstehen.

Zu Letzterer fasste der Stadtrat am Mittwoch zwar einen zustimmenden Grundsatzbeschluss. Doch noch sind manche Fragen offen – auch solche, die im öffentlichen Teil der Sitzung nicht zur Sprache kamen, sondern nur hinter verschlossenen Türen. Dort wurde so ausführlich debattiert, dass sich der Beginn der öffentlichen Sitzung um eine halbe Stunde verzögerte.

"Urbanes Gebiet"

Die Vorgeschichte: Bereits im Juni hat der Stadtrat für das nun als "Alte Gärtnerei" bezeichnete Areal dem Wunsch der Raiffeisenbank entsprechend einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf den Weg gebracht. Dieser sieht vor, das Gelände als "Urbanes Gebiet" einzustufen. Dabei handelt es sich um eine recht neue baurechtliche Kategorie, die die Innenverdichtung in Städten erleichtern soll.

Ein Urbanes Gebiet "Alte Gärtnerei" böte die Möglichkeit, einen Großteil der Fläche mit Wohnungen zu bebauen, statt, wie im bislang dort ausgewiesenen Mischgebiet, auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe achten zu müssen. Allerdings müssen in einem Urbanen Gebiet auch andere Nutzungsformen untergebracht werden, beispielsweise für soziale Zwecke – womit die Kindertagesstätte ins Spiel kommt. Ihre Realisierung würde den Bau der angestrebten Wohnungen erst ermöglichen.

Wie groß ist der Bedarf?

Im Stadtrat ging es nun zum einen um die Frage, ob Lohr wirklich eine zusätzliche Kindertagesstätte braucht, für die die Stadt am Ende das zu erwartende Defizit übernehmen müsste. Florian Schüßler, Kreisgeschäftsführer des Caritasverbandes, präsentierte dazu das Ergebnis einer von ihm angestellten Bedarfsermittlung. Er kam unter Einbeziehung eines potenziellen Zuzugs auf einen Betreuungsbedarf von 68 Plätzen im Einzugsgebiet der möglichen neuen Kita. Dieses reicht etwa vom nördlichen Rand Wombachs bis zum Schafhofgebiet und umfasst auch Teile der Weisenau. Schüßlers Fazit: "Der Bedarf ist gegeben."

Das sah auch Philipp Halbritter so, der zuständige Amtsleiter im Rathaus. Er verwies auf die etwa im Kindergarten Seeweg existierende Notgruppe und auf beinahe tägliche Anfragen zu Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Eric Schürr (Bürgerverein) indes kritisierte, dass keine Bedarfszahlen für das gesamte Stadtgebiet genannt würden. Er vermisse etwa Aussagen dazu, wie sich ein denkbarer Rückgang der Zahl der in Lohr lebenden Flüchtlinge auf den Betreuungsbedarf auswirken könnte. Auch gebe es Stimmen aus anderen Lohrer Kindergärten, die besagten, dass man noch weitere Kinder aufnehmen könne, so Schürr. Dirk Rieb (CSU) fragte sich, ob es nicht besser wäre, die bestehenden Kitas der Stadt zu erweitern.

Bürgermeister Mario Paul verwies darauf, dass mehrere dieser Kitas randvoll seien. Nicht umsonst habe der Stadtrat eine Erweiterung des Seeweg-Kindergartens um 66 Plätze ins Auge gefasst. Es sei ausgeschlossen, dort und in den anderen Kitas den von Schüßler und der Stadtverwaltung identifizierten Bedarf an weiteren 46 Plätzen abzudecken.

"Brüskierung der Verwaltung"

Brigitte Riedmann (Freie Wähler) wunderte sich darüber, dass mit Schüßler ein externer Gast die Bedarfsermittlung präsentierte. Es sei doch noch gar nicht geklärt, dass die Caritas beim Betrieb der Kita im Boot sei. Riedmann sprach von einer "Brüskierung unserer kompetenten Verwaltung". Paul wies diesen Vorwurf zurück. Es handle sich nicht um ein Projekt der Stadt, gleichwohl sei die Verwaltung in die Bedarfsermittlung eingebunden gewesen.

Trotz einiger Kritik am Prozedere und Zweifeln am Kita-Modell gab es aus den Reihen der Räte zu den Plänen der Raiffeisenbank grundsätzlich nur positive Stimmen. Sie begrüßten das Vorhaben außerordentlich, sagten etwa Mathilde Lembach (Grüne), Brigitte Riedmann, Dirk Rieb und Karl-Hermann Hummel (Bürgerverein). Es werde Zuzug nach Lohr geben, den man auch brauche, um seine Infrastruktur auszulasten und anteilig Einkommenssteuer zu erhalten, sagten mehrere Redner. Für diesen Zuzug brauche es Wohnraum und Möglichkeiten der Kinderbetreuung. "Das kann man gar nicht ablehnen", sagte schließlich Thomas Nischalke (SPD) über das Raiba-Vorhaben.

Bürgermeister Paul bezeichnete die darin enthaltene Kita als die für die Stadt "schnellste, einfachste und günstigste Lösung". Die in den Kitas Seeweg, Lindig und Wombach offenbar vorhandene Sorge, dass eine neue Einrichtung negative Auswirkungen auf die bestehenden haben könnte, versuchte Paul zu nehmen. Derzeit seien keine konkreten Projekte bekannt, bei denen etwas darauf hindeute, dass sie durch die Entwicklung im Bereich "Alten Gärtnerei" behindert werden könnten.

Bedenken anderer Kitas

Sowohl die Hort-Erweiterung in St. Pius als auch die Erweiterung des Seeweg-Kindergartens seien unabhängig von einer neuen Kita zu sehen und dadurch nicht in Frage gestellt. Man könne die Bedenken aber nicht vollständig entkräften, da man heute nicht wisse, was in fünf oder zehn Jahren sein werde, so Paul. Jetzt jedoch gebe es einen nachgewiesenen Bedarf. Dieser könne durch die neue Kita gedeckt werden.

Die Bedenken anderer Kitas waren vor wenigen Tagen wohl bei einem nichtöffentlichen Treffen mit Vertretern der Kindergärten und Eltern geäußert worden. Während die Verantwortlichen der Kindergärten dabei eine neue Einrichtung teils skeptisch sahen, kam von Elternseite der Wunsch nach einem Ausbau des Betreuungsangebots.

Noch offen ist freilich, wie das Betreibermodell für die mögliche neue Kita auf dem Areal "Alte Gärtnerei" aussehen könnte. Zwischentöne lassen erkennen, dass die Stadt die Kita womöglich von der Raiffeisenbank mieten könnte. Darüber, ob eine solche Miete oder ein Mietkauf zulässig wäre, darüber gab es nach Informationen der Redaktion im nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung kontroverse Diskussionen.

Rechtlicher Klärungsbedarf

Hintergrund sind wohl gesetzliche Bestimmungen, wonach eine Ausschreibung nötig sein könnte, bevor sich die Stadt für das Angebot eines Investors entscheidet. Paul sprach davon, dass man einen rechtssicheren Weg für eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Raiffeisenbank finden wolle. Indes wurde in der Sitzung mehrfach betont, dass auch ein freigemeinnütziger Träger für den Betrieb in Betracht kommen könnte. Der Stadtrat beschloss schließlich einstimmig, dem Neubau einer Kita durch die Raiffeisenbank zuzustimmen. Details zum Betrieb müssten jedoch noch geklärt und geregelt werden.

Planung und Beweggründe

Auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Gärtnerei Hutzel an der Wombacher Straße will die Raiffeisenbank Main-Spessart einen großen Gebäudekomplex mit 71 Wohnungen, Laden, Senioren-WG, Parkhaus und Kindertagesstätte errichten. Die Nutzfläche bezifferte der planenden Ingenieur Rüdiger Amthor (Karlstadt) in der Stadtratssitzung auf insgesamt 6500 Quadratmeter.
Die Planung beinhaltet vier jeweils viergeschossige Wohngebäude. Das zur Westtangente hin gelegene Wohngebäude soll im Verbund mit dem angrenzenden Parkhaus und hohen Glaswänden eine Art Lärmschutzriegel hin zur Westtangente und einem angrenzenden Gewerbebetrieb bilden.
Die zweigeschossige Kindertagesstätte ist im Innenhof des Quartiers vorgesehen. Sie soll 780 Quadtratmeter Nutzfläche haben. Hinzu kommt ein Außenspielplatz mit rund 400 Quadratmetern. Direkt angrenzend ist ein öffentlicher Spielplatz geplant. Zusätzlich, so Planer Amthor, soll in einer Ecke des Areals hin zur Westtangente eine Art Waldspielfläche entstehen.
Reichlich PV-Anlagen auf den Dächern sollen für eine möglichst große Energieautarkie sorgen. Für die Heizung seien Wärmepumpen vorgesehen, so Amthor.
Die Motivation, in ein solches Projekt zu investieren, erklärte der Vorstandsvorsitzender Andreas Fella damit, dass die Raiffeisenbank "mehr als nur Bank sein" wolle. Man habe den klaren Auftrag der rund 50.000 genossenschaftlichen Mitglieder durch derlei Projekte die Entwicklung der Region zu fördern. "Wenn es der Region gut geht, geht es auch der Bank gut", sagte Fella.
(joun)
 
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