Der Universalgelehrte Athanasius Kircher verirrte sich im Spessart, nicht, weil es keine Wege gab, sondern er geriet „in Verwirrung über die Menge der sich verzweigenden Wege.“ – Mit dieser Passage aus den Lebenserinnerungen von Kircher aus dem 17. Jahrhundert endete am Sonntag der Bildvortrag „Karolingische Fernstraßen im Südost-Spessart“ von Gertrud Nöth im Esselbacher Feuerwehrhaus. Der Einladung zum zweiten Vortrag der Veranstaltungsreihe im Rahmen des 400. Jubiläums der Poststation waren rund 60 interessierte Gäste gefolgt.
In ihrer etwas mehr als einstündigen Präsentation stellte Nöth zunächst die karolingische Zeit vor und setzte sie in Bezug zum Südost-Spessart, insbesondere zu Esselbach. Die historische Einschätzung dieses geografischen Raumes ist im Wesentlichen durch die Inhalte von zwei Urkunden geprägt worden: das Gründungsdiplom des Klosters Neustadt aus dem 8. Jahrhundert sowie eine Tauschurkunde aus dem Jahr 839.
Werden im Gründungsdiplom keine Fernstraßen genannt, sind es in der Tauschurkunde derer gleich zwei: Heristrata und Via Publica. In beiden Urkunden werden Gebiete im Spessart beschrieben, die zum Teil eine gemeinsame Grenze haben. In einem neuen Denkansatz, zu dem Gertrud Nöth mit ihrem Mann Dieter Krebs bereits einen Aufsatz im Wertheimer Jahrbuch 2010/11 veröffentlicht hat, ging sie der Grenzbeschreibung, die in der Tauschurkunde von 839 dargestellt wird, mit geodätischen Prinzipien auf den Grund.
Dabei kommt sie zum Ergebnis, dass die Heristrata einen Süd-Nord-Verlauf nahm (aus dem Taubertal, über Urphar, Hasloch, Bischbrunn, Richtung Lichtenau und Rothenbuch nach Norden) und die Via Publica diagonal von Südost (bei Lengfurt) nach Nordwest (Aschaffenburg) den Spessart durchzog. Diese Via Publica könnte um die Zeitenwende sogar die beiden römischen Lager Mainz und Marktbreit verbunden haben, denn sie stellt die direkte und kürzeste Verbindung dar.
Durch den Nord-Süd-Verlauf der Heristrata ergibt das Schlösschen im Stockenhahn als Überwachungs- und Zollstelle Sinn. „Kein Mensch baut eine solche Anlage einfach so in die Landschaft“, sagte die Lokalhistorikerin. Sie zeigte eindrucksvolle Luftaufnahmen: Im Airborne-Laser-Scan-Verfahren werden Halsgraben und Fundamente sichtbar sowie Hohlwege in Richtung Baumgartshof. Dieser wurde wohl als Wirtschaftshof für das Schlösschen angelegt.
In karolingischer Zeit waren Klöster in Altbayern bevorzugt an alten römischen Straßenstützpunkten errichtet worden. Beim Kloster Triefenstein, 1102 gegründet, waren die Burgen Homburg und Neuenburg sowie Furt, Fähre und Altstraße durch den Spessart entscheidende Standortfaktoren. Diese Altstraße wurde in ihrer Entwicklung bis in die heutige Zeit mit der A 3 zu einer der wichtigsten Achsen im Fernhandelsverkehr.
Schließlich behandelte Nöth weitere Straßen im Südost-Spessart, darunter den Heuweg als Funktionsweg und die Salzstraße.
Abschlussvortrag am Sonntag
Die Jubiläumsveranstaltungen zu „400 Jahre Poststation Esselbach“ finden am Sonntag, 25. Oktober, ihren Abschluss. Um 14 Uhr hält Reiner Väth im Feuerwehrhaus einen Bildvortrag über die Geschichte der Posthalterei. Nach der Präsentation werden Führungen durch das älteste noch erhaltene Posthaltereigebäude Unterfrankens angeboten, gleichzeitig erzählt Adolf Roos Wissenswertes zur Esselbacher Postgeschichte.