Seit einigen Jahren begleitet die Künstlerin Elvira Lantenhammer ihre Sommerakademien auf Schloss Homburg mit öffentlichen Veranstaltungen. Kummer bereitet ihr dass, diese Präsentationen aktueller Gegenwartskunst nur auf sehr begrenztes Publikumsinteresse stoßen.
So war es am Samstag auch wieder nur eine gut Hand voll Interessierter, welche die Malerin zunächst zum Vortrag „Imaginär-historisches Portrait“ von Karin Nedela begrüßen konnte. Die Offenbacherin stellte im inneren Zwiegespräch mit ihren Kritikern ihre schöpferisch und konsequent feministische Auseinandersetzung mit Gesellschaft, Kunst und Geschichte vor.
Sie erläuterte ihre fotografische Arbeitsweise, mit der sie historische Frauengestalten, deren gemalte Darstellung, Habitus und Attribute aufgreift und diese in moderne Bildschöpfungen umsetzt. Als „imaginär und historisch“ will sie das eben verstanden wissen. So entstehen mit bevorzugt analoger Kameratechnik offene und geschlossene, projektbezogene Bildreihen, die verdeutlichen, dass es keineswegs nur Männer waren, die das Rad der Geschichte vorandrehten.
Ihre Freundinnen nutzt die Fotografin als Modelle, um sie dem Publikum als gelehrte und mächtige Frauen früherer Epochen zu präsentieren wie Marie de France, Isabella Morra oder Katharina von Medici.
Eine Bildreihe befasst sich mit ikonografischer und goldglänzender Strenge mit den Kaiserinnen, Königinnen und Künstlerinnen von Byzanz, die Nedela erst kürzlich in Homburg beim „Tag des offenen Ateliers“ Lantenhammers zeigte.
Auf dem Weg zum Schafott
Die Offenbacherin widmet sich aber auch den Opfern. In ihrer Auseinandersetzung mit der französischen Revolution als einem Kristallisationspunkt der Moderne, lichtete sie imaginär die Frauen ab, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung oder von Denunziationen unschuldig den Weg aufs Schafott antreten mussten. Die konkrete Gestaltung wurde von den endlosen Porträts der Opfer des Terrors der Roten Khmer in Kambodscha inspiriert.
So widerlegt Nedela den Satz des englischen Gelehrten Samuel Johnson aus dem 18. Jahrhundert, dass eine künstlerisch tätige Frau einem auf den Hinterbeinen laufenden Hund gleiche. Dieser könne das nämlich nicht besonders gut, man müsse sich wundern, dass er es aber überhaupt könne.
Stolz ist die Offenbacherin darauf, was ihr ein 15-jähriges Mädchen in das Gästebuch einer Ausstellung schrieb. Man habe ihr immer gesagt, dass Frauen nichts Wichtiges getan hätten. Nach der Betrachtung von Nedelas Bildern könne sie auch ihre Heldinnen haben.
Nach einer kurzen Pause, die zu Gesprächen genutzt werden konnte, begann die Performance „Gestalt gehen“ von Dirk Baumanns. Der in Offenbach beheimatete Künstler hatte sich, wie schon andere in den Vorjahren, die Kapelle des Gebsattelschlosses und die Burkardusgrotte mit dem Weg dorthin als Schauplätze seiner verstörenden Vorstellung ausgewählt.
In unschuldigem Weiß bemalt und bekleidet, geißelte er sich, niedergeworfen vor dem Marienbildnis der Kapelle, mit einer mit schwarzer Farbe getränkten Peitsche.
Nach der Wiederholung dieses Ritus in der Grotte, verschloss er diese wie die Spinne in der Legende mit Fäden. Der Künstler entwarf dann mit den Attributen des islamistischen Terrors einen Albtraum von Gewalt, Leid und menschlicher Selbstzerstörung an dieser historischen Stelle des katholischen Glaubens in der Region.
Unter den Gästen schloss sich nach dem inszenierten Tabubruch an einem ehrwürdigen Ort und der damit zunächst verbundenen Ratlosigkeit schon bald interpretierende Nachdenklichkeit und ein intensiver Gedankenaustausch an.
Die nächste öffentliche Veranstaltung der Sommerakademie Schloss Homburg ist am Mittwoch, 26. August. Dann wird die Würzburger Philosophin und Schriftstellerin Bettina Schmitz ihr letztjähriges Werkstattgespräch zum Thema „Philosophie und Tanz – künstlerische Revolution“ fortführen.