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RIENECK
Versteinerter Kiefer eines Wollnashorns nachgewiesen
Otmar Wiesenfelder bestaunt den Unterkiefer des Rienecker Wollnashorns. Dieser ist fast 40 Zentimeter lang und einige Kilo schwer.
Foto: Karl-Heinz Wiesenfelder | Otmar Wiesenfelder bestaunt den Unterkiefer des Rienecker Wollnashorns. Dieser ist fast 40 Zentimeter lang und einige Kilo schwer.
Karl-Heinz Wiesenfelder
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:55 Uhr

Dieser Fund hatte es in sich: belegt er doch, dass auch im Sinngrund vor tausenden von Jahren neben vielen anderen urzeitlichen Tieren auch Wollnashörner die Landschaften besiedelten, und dass dieser Vierbeiner neben dem Wollhaar-Mammut wohl mit zu den Beutetieren der damals mit einfachsten Mitteln jagenden Menschen gehörte. Angefangen hatte die Geschichte, als ein Rienecker Bürger 1964 bei Bauarbeiten einen versteinerten massiven Unterkiefer gefunden hatte, den er zunächst nicht zuordnen konnte, und ihn über 50 Jahre in seiner Wohnung aufbewahrte, ohne dass jemand davon eine Ahnung hatte.

Beim Bau eines Kanals entdeckt

Bis dann vor Kurzem der Orts- und Heimatkundler Otmar Wiesenfelder von dem Fund erfuhr und sich der kleinen Sensation fachgerecht annahm. Als Fundort konnte er die Sinnwiese unterhalb der alten Sandsteinbrücke zum Schellhof erfahren: Beim Bau des Kanals zum Schellhofgebiet wurde der Unterkiefer im ausgehobenen Graben entdeckt, und wohl niemand wurde herangezogen, der dieses Fundstück hätte bewerten können. Dass er aber einen ähnlich spektakulären Fund in Händen hielt wie es im Juli 2011 in Gössenheim war, als in einem Findling aus Sandstein von Jürgen Lang vom Naturschutz die Abdrücke eines Fußes von einem Archosaurus, dem Vorgänger des Dinosaurus, gefunden wurden, war Otmar Wiesenfelder gleich bewusst.

Der Fund im Werntal war damals als Sensation bezeichnet worden, weil im Buntsandstein, der hier bei uns vorherrscht, solche 250 Millionen alte Versteinerungen selten sind. Das jetzt nachgewiesene Wollnashorn ist zwar lange nicht so alt, es lebte im mittleren bis oberen Pleistozän, also etwa 550.000 bis 12.000 Jahre vor unserer Zeit. Bewohnte das kälteangepasste Tier zunächst die Steppen Eurasiens, Sibiriens und der Mongolei, so zog es während des Pleistozäns wegen der Kältezeiten immer mehr nach Süden bis Europa, wo sich die Tiere ausbreiteten und vereinzelt in Mitteldeutschland und im Harz nachgewiesen wurden.

Das Gutachten des Senkenbergmuseums gab Gewissheit: der Unterkiefer stammt von einem vor 12000 Jahren ausgestorbenen Wollnashorns.
Foto: K-H. Wiesenfelder | Das Gutachten des Senkenbergmuseums gab Gewissheit: der Unterkiefer stammt von einem vor 12000 Jahren ausgestorbenen Wollnashorns.

Lebte in Tiefländern und Flussniederungen

Seine Lebensräume waren Tiefländer und Flussniederungen, und so ist es nachvollziehbar, dass der gefundene Unterkiefer von einem hier vor zigtausend Jahren grasenden Wollnashorn stammt. Für Otmar Wiesenfelder war es natürlich von größter Bedeutung, den Fund von fachkundigen Experten bewerten und beurteilen zu lassen, nachdem er die Versteinerung im Frühjahr in diesem Jahr vom Finder, bedingt durch dessen Wohnungsumzug, überreicht bekam. Vom zuerst angefragten Fossilien-Museum Stuttgart bekam er die Bewertung, dass es sich vielleicht um einen „Paratosuchus“, eine Art Dachschädellurch mit bis zu 3 Meter Länge, handele.

Dann übergab er den versteinerten Unterkiefer dem prädestinierten Senkenberg Museum in Frankfurt, deren Experten schließlich ein gesichertes Gutachten erstellten: wir haben es tatsächlich mit einem vor 12.000 Jahren auf der Erde ausgestorbenen Wollnashorn zu tun. Mit einer Länge von rund 3,50 Meter, einer Risthöhe von 1,70 Meter und einem Gewicht von bis zu 3 Tonnen entsprach es den heutigen lebenden Nashörnern in etwa.

Vollständige Skelette sind selten

Der Unterkiefer war sehr massiv und 60 Zentimeter lang, und auch der in Rieneck gefundene gebrochene Kiefer misst 36 Zentimeter mit dem noch erhaltenen 4 Zentimeter hohen Vorbackenzahn. Vielleicht wären noch weitere Skelett-Teile beim Kanalaushub vor 53 Jahren zum Vorschein gekommen, hätten fachkundige Personen davon erfahren. Der Kanalbau wäre sicherlich um einige Zeit ins Stocken gekommen.

In Deutschland gibt es eine Anzahl von Fundstellen, doch artikulierte oder gar vollständige Skelette sind selten, nur zwei sind in Museen in Gera und Bielefeld ausgestellt und teilweise erhalten. In den Permafrostgebieten Russlands und Asiens allerdings sind die Funde solcher mumifizierter Tierskelette weitaus häufiger.

Fund soll in Rieneck bleiben

„Wir sind natürlich interessiert, dass der seltene Fund hier in Rieneck bleibt“, erklärt Otmar Wiesenfelder. Dies sei auch ausdrücklich im Sinne des Finders gewesen. Er müsse jedenfalls an geeigneter Stelle der Nachwelt erhalten bleiben, er denke dabei zuerst an das Rienecker Heimatmuseum, oder einen geeigneten Ort im Gebäude des Bürgerzentrums. Mit dem aufgetauchten, versteinerten Unterkiefer des Wollnashorns ist jedenfalls das historische und besonders geschichtlich interessante Erbe Rienecks um eine einmalige Rarität reicher geworden.

 
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