Ein 3,3 Hektar großes Feuchtgebiet an der Bahnstrecke zwischen Wiesthal und Heigenbrücken ist am Samstag in Berlin zu einem umkämpften Versteigerungsobjekt geworden. Bei einer öffentlichen Auktion im Auditorium der Hertie School of Governance an der Friedrichstraße kam das Areal am Ende für 18.500 Euro unter den Hammer. Das Mindestgebot für die Fläche, die in Neuhütten zwischen Spatgrube, Staatsstraße 2317 und den Gleisen liegt und durch die der Lohrbach plätschert, hatte bei 7500 Euro gelegen.
Künftiger Eigentümer ist Peter Sanwald. Der 63-Jährige wohnt in Niederstetten (Main-Tauber-Kreis) im dortigen Bahnhofsgebäude, das er 2014 ersteigerte und in jahrelanger Arbeit wieder hergerichtet hat. Für das Neuhüttener Areal war er jetzt extra nach Berlin gereist.
Und er gab am Ende viel mehr Geld aus, als er eigentlich wollte. Bei 12.500 Euro sei sein Limit gewesen, erzählte er nach der Auktion freimütig. Als diese Grenze gerissen war, wollte er bei 15.000 Euro aufhören. Als es nicht reichte, machte er einfach weiter.
Zwei Telefonbieter zogen mit
Die als mehrfaches Schutzgebiet ausgewiesene Fläche war lebhaft umkämpft. Sanwald saß in der letzten Reihe des Versteigerungssaals und sah sich zwei Telefonbietern gegenüber. Es wurde ein echter Krimi. Statt zügig zu bieten, warteten die Kaufwilligen lange mit der nächsten Preiserhöhung. Auktionator Rene Silva fragte immer wieder in den Raum, nichts tat sich, dann ließ er den Hammer aufs Pult knallen. Zum Ersten, zum Zweiten, plötzlich wurde doch noch eine Stimmkarte gezückt – wieder war die Fläche 500 Euro teurer. So ging es eine gefühlte Ewigkeit, bis zu jenen 18.500 Euro. Dann fiel der Hammer zum dritten Mal, und es gab viel Applaus im Saal für den Mann in der letzten Reihe. "Das freut uns hier sehr", bedankte sich Auktionator Silva.
Peter Sanwald ist vorher durch die Natur gewandert, die er jetzt ersteigert hat. Auf seinem Handy zeigt er dem Journalisten einige Fotos: Pflanzen, viel Wasser, Bäume, die in der Feuchte abgestorben sind und natürlich verfaulen. Was also treibt den gelernten Gastronomen, der selbst die als gefährdet eingestuften europäischen Sumpfschildkröten hält? Er habe sich schon immer für die Natur eingebracht, es sei wichtig, etwas zu tun. "Es geht so viel kaputt, jemand muss sich engagieren", sagt der 63-Jährige. Als Nächstes will er sich mit Behörden und Naturschutzverbänden abstimmen: Was ist zu beachten, welche Aufgaben und Pflichten gibt es?
Wirtschaftlich nicht nutzbar
Von vornherein war ihm klar, dass er das Areal wirtschaftlich nicht nutzen kann, denn mehr gesetzlicher Naturschutz geht kaum. Im Verkaufskatalog steht sicherheitshalber ein "unter anderem" vor einer bemerkenswerten Aufzählung: "Biotop Feuchtkomplex in Lohrbach-Aue, Naturschutzgebiet Spessartwiesen, Landschaftsschutzgebiet und Naturpark Spessart, Flora-Fauna-Habitat Lohrbach- und Aubachtal, Vogelschutzgebiet Spessart, teilweise Hochwassergefahrenfläche HQ 100."
Ist das Geld – zu den 18.500 Euro kommen noch rund 17 Prozent an Notarkosten, Grunderwerbssteuer und Courtage für das Auktionshaus Karhausen AG – damit quasi versenkt? Sanwald will nicht widersprechen, lächelt, er sieht es sinnvoll ausgegeben.
Verkäufer des Grundstückes war die Deutsche Bahn. Der defizitäre Staatskonzern veräußert über private, in Berlin ansässige Auktionshäuser regelmäßig Immobilien, die er nicht für den Betrieb benötigt oder deren Bewirtschaftung schwierig ist. Über viele Jahre kamen auch regelmäßig Bahnhofsgebäude unter den Hammer, dieser Trend ließ zuletzt aber deutlich nach. Bei diesen öffentlichen, freiwilligen Versteigerungen stellen die Eigentümer ihre Grundstücke selbst zum Verkauf – im Gegensatz zu Zwangsversteigerungen am Amtsgericht, die von Gläubigern initiiert werden.
Eines von 45 Objekten
Das Feuchtgebiet an der Bahnlinie war am Samstag eines von 45 Objekten, die angeboten wurden – zwei weitere kamen aus der Region. 1,689 Hektar Waldflächen wechselten für 20.000 Euro von der Deutschen Bahn an einen Käufer aus Frankfurt/Main. Und sechs Grün- und Waldflächen in Frammersbach, die eine Privatperson verkaufte, landeten bei einer Bieterin in der Schweiz – 4400 Euro für reichlich 2000 Quadratmeter.