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Zellingen
Verschrottet: Zellinger Familie nimmt Abschied vom ältesten Mainschiff
Die "Karlsburg" gehörte seit mehr als 100 Jahren zur Familie Ohmer, Kinder wurden sogar auf dem Schiff geboren. Ein Unfall machte die letzten Pläne des Eigners zunichte.
Da fuhr die 'Karlsburg' noch: Anton Ohmer in der Würzburger Schleuse.
Foto: Karlheinz Haase | Da fuhr die "Karlsburg" noch: Anton Ohmer in der Würzburger Schleuse.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:28 Uhr

Nur noch der Motor ist übrig, ein Lokomotiven-Dieselmotor von Henschel mit 460 PS. Den habe man aufgehoben, lautet die Auskunft beim Aschaffenburger Schrottunternehmen Westarp. Der Rest des Mainschiffs "Karlsburg" wurde in "handliche" Stücke von ungefähr zwei mal sechs Metern zerlegt – "so klein, dass sie eben in einen Container passen". Inzwischen sind diese Teile vermutlich längst mit anderem Alteisen eingeschmolzen.

Damit ist die Geschichte der "Karlsburg" zu Ende. Sie fuhr als ältestes Mainschiff bis zuletzt noch ganz normal im Frachtverkehr. Das Schiff war mit seinen vielen Umbauten ein Zeugnis der technischen Entwicklung in der Binnenschifffahrt, gehörte aber auch zur Geschichte der Eignerfamilie Ohmer aus Zellingen. Der letzte Eigner Anton Ohmer musste sich aufgrund eines tragischen Unfalls von dem Schiff trennen.

Letzte Station: Das Mainschiff 'Karlsburg' im Aschaffenburger Schrottunternehmen Westarp
Foto: Anton Ohmer | Letzte Station: Das Mainschiff "Karlsburg" im Aschaffenburger Schrottunternehmen Westarp

Die "Maria Magdalena" – wie das Schiff früher hieß – wurde 1888 gebaut und war ursprünglich ein holländisches Plattbodenschiff mit zwei Masten, Segeln und – statt eines Kiels – mit zwei seitlichen Schwertern. Solche Frachter segelten über die Zuidersee, die damals noch nicht mit einem Damm von der Nordsee abgetrennt war. Erst 1932 wurde daraus das heutige Ijsselmeer. Bei Ebbe konnte die "Maria Magdalena" trockenfallen und bei Flut weiterfahren.

Das Schiff war auch Entbindungsstation

1914 kam das Schiff ins Eigentum der Familie Ohmer. Als die Urgroßmutter von Anton Ohmer das Familienvermögen aufteilte, bekam einer der Söhne das Haus in Ludwigshafen, Anton Ohmers Großvater aber erhielt Geld und kaufte sich davon das Schiff. Damit befuhr er vornehmlich Rhein und Neckar. Das Karlstadter Zementwerk Schwenk war schuld daran, dass der Großvater in den 1930er Jahren mit dem Schiff vom Rhein nach Mühlbach an den Main wechselte: Dort witterte er gute Aufträge. Das Schiff wurde da auch von "Maria Magdalena" umgetauft in "Karlsburg" – nach der Ruine über den Dächern von Mühlbach.

Festgemacht im Würzburger Hafen.
Foto: Karlheinz Haase | Festgemacht im Würzburger Hafen.

Anton Ohmers Vater wurde in Gelsenkirchen an Bord geboren, seine Tante Inge in Straßburg und sein Onkel Heinrich in Mannheim oder Ludwigshafen. 1949/50 bekam die "Karlsburg" in Wiesbaden ein Steuerhaus, einen "Steuerstuhl", wie die Schiffer sagen. Das vertikale Steuerrad und das Doppelruder erleichterten die Arbeit, erforderten aber immer noch kräftiges Zupacken – anders als bei modernen Schiffen, die sich per Joystick steuern lassen.

Der Motor kam erst 1961

1953 erhielt die "Karlsburg" eine kleine Wohnung für die Matrosen im Bug. 1954 wurde in Dorfprozelten das Holzhaus abgerissen und durch ein eisernes ersetzt. Nun gab es auch innerhalb der Wohnung ein Bad. Mutter Hannelore war von 1955 bis 1989 mit auf der Reise. Auch da hatte das Schiff zunächst keinen eigenen Motor, sondern war noch ein Schleppkahn. Erst 1961 ließ Ohmers Vater in Eibelstadt den Motor einbauen. Bei dieser Gelegenheit wurde das Schiff um rund fünf Meter auf 51 Meter verlängert, um die Technik unterzubringen.

Irgendwann wurden auch die Bordwände erhöht. War die Gangbord vorher bogenförmig geschwungen, so verlief sie seitdem gerade. Damit wuchs der Tiefgang von 1,91 auf 2,27 Meter und stieg die Zuladungsmöglichkeit des 7,58 Meter breiten Schiffes um 120 auf 539 Tonnen. Das Verschleißteil eines Mainschiffs ist der Boden. So hat die "Karlsburg" in ihrem Leben zweimal einen neuen Boden erhalten.

Es gab noch Pläne für das Schiff

Früher fuhr Anton Ohmer Sand und Kies von Stettfeld nach Marktbreit. In den vergangenen Jahren hatte er sich darauf spezialisiert, Schlacke aus der Bamberger Müllverbrennung nach Würzburg zu schaffen. Sie lagert im Hafengebiet gegenüber von Obi. Gleichzeitig dachte er darüber nach, wie lange er (Jahrgang 1956) und seine Frau Heike (Jahrgang 1962) die "Karlsburg" noch über den Main steuern würden. Dann entschied darüber ein Unfall auf dem Schiff, bei dem Ohmers linker Ellenbogen zertrümmert wurde. Seitdem konnte er die "Karlsburg" nicht mehr bedienen.

Die 'Karlsburg' in Fahrt. Der Bug war außergewöhnlich spitz geformt.
Foto: Karlheinz Haase | Die "Karlsburg" in Fahrt. Der Bug war außergewöhnlich spitz geformt.

Er hätte sie entweder in Wien beim Museumshafen angemeldet und dort für Ausflüge weiterbetrieben. Oder er wäre übers Schwarze Meer bis zu seinem Zweitwohnsitz Malta gefahren, um es dort vielleicht als Bed-and-Breakast-Hostel für Touristen zu nutzen. "Ich hätte geschaut, was sich ergibt." Dann kam der Unfall. Und ergeben hat sich im vergangenen Jahr nur noch die Fahrt zum Schrotthändler in Aschaffenburg. Bricht es ihm das nicht das Herz, dass es dieses Familienerbe nun nicht mehr gibt? Anton Ohmer ist Realist: "Was nicht zu ändern ist, kann man nur akzeptieren."

 
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