
„Wir wollen wissen, wie es genau war, damit wir wissen wie es weitergeht.“ Mit dieser Aussage wandte sich der Maintal Sängerbund (MSB) Ende 2016 an die renommierte Musikjournalistin Christiane Franke. Ihr Auftrag: Die Vergangenheit des Bundes im Erzählstil beleuchten und in einer Chronik im Jahr 2018 zusammenfassen. Am Ende dieses Prozesses steht ein rund 200 Seiten starkes Werk, ansprechend bebildert und bis ins Detail mit Fußnoten belegt, heißt es in einer Pressemitteilung. Franke stellte es im Rahmen des Festaktes zum 160-jährigen Bestehen des Sängerbundes im kleinen Saal der Aschaffenburger Stadthalle vor.
Es sei dem MSB in der Chronik nicht um eine bloße Aneinanderreihung historischer Fakten gegangen, berichtet sie. Im Gegenteil, mit dem Auftrag das Werk im Erzählstil zu verfassen, wurde der Autorin ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt, die Bundesgeschichte dynamisch und reflektiert darzulegen. Historisches Forschungsmaterial war in großen Mengen vorhanden. Im Frühjahr 2017 sichtete Franke sieben vollgepackte Umzugskisten und weitere drei mit Bildern und Dokumenten beklebte „Tapetenbücher“. Außerdem begab sie sich in die Archive von Offenbach, Darmstadt und Hanau, denn hier saßen die Gründungsmitglieder des Maintal-Sängerbundes, zu denen auch der Chor Melomania aus Aschaffenburg zählte.
1858 gründeten gutsituierte und wohl auch „elitär denkende“ Männer den Bund mit Abordnungen aus der umliegenden Region. Dieser Nähe zum Hessischen, ja, das zuweilen grenzüberschreitende Moment des MSB mache die damalige Gründungsriege und den Bund bis in die heutige Zeit zum „Grenzgänger“ am Untermain, so Franke.
Erste Unstimmigkeiten im Bund traten schon kurz nach der Gründung auf. Die Hanauer Sänger erwogen schon damals Frauen in ihre Reihen. Damit konnten andere Vereine sich nicht arrangieren. Es folgten weitere Herausforderungen, „Spaltung im Gesangverein“, „Auflösung unterm Hakenkreuz“, Kapitel, die in der Chronik bewusst nicht ausgelassen wurden. Einerseits seien gerade diese Zeiten lehrreich gewesen, zum Anderen sei erkennbar, dass es bei gutem Willen immer eine Lösung gab.
Der Bund habe immer das Bedürfnis gehabt, Trends zu schaffen, anzuführen und die musikalische Ausprägung der Region mitzugestalten. Dies existiere bis in die heutige Zeit. Neben den immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten der Nachwuchssorgen und Vorstandsbesetzungsprobleme sei jedoch eines besonders ermutigend: Die Fähigkeit des Maintal Sängerbundes, sich als verhältnismäßig kleiner Dachverband „eingezwängt zwischen den großen hessischen, badischen und fränkischen Verbänden“ zu behaupten.
Auch Staatsminister a. D. Winfried Bausback griff dieses Bild eindrücklich auf und verglich es mit dem Kampf Davids gegen Goliath. In seiner Festrede legte er allerdings besonderes Augenmerk auf die gesellschaftspolitische Rolle, die einem Verband wie dem MSB in regelmäßigen Probearbeiten in den Chören zukäme. Der Chorgesang und in ihm die Sprache der Musik sei eine Kraft, die radikalen und zerstörerischen Kräften unserer Werte das vereinende Moment der Harmonie und Geselligkeit entgegensetzen könne. Als Rückgrat der Kultur, die das Menschliche in den Mittelpunkt stelle, sei der Chorgesang von besonderer Bedeutung.
Unter der Leitung von Ralf Emge, Mitglied des Bundes-Chormeisterteams, präsentierte der Singkreis Leidersbach dem begeisterten Publikum anspruchsvolle, moderne Chorliteratur klanglich differenziert, präzis und homogen. Mit dem Schlussstück „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen führten sie die Veranstaltung zu einem würdigen und gelungenen Abschluss.
Zwei verdiente Persönlichkeiten wurden im Rahmen dieser Matinee für ihr Engagement um das Chorsingen geehrt. Im Auftrag des Bundespräsidenten überreichte die bayerische Staatsministerin Judith Gerlach (CSU) dem Ehrenpräsidenten des Maintal-Sängerbundes, Franz Knebel (Großheubach), das Bundesverdienstkreuz. Die zweite Ehrung galt Thomas Goppel, Staatsminister a. D. und derzeitiger Präsident des Bayerischen Musikrats, der die nach dem langjährigen Aschaffenburger Musikschuldirektor und Bundeschormeister benannte Karl-Friedrich-Leucht-Medaille erhielt. Sängerbundpräsident Hermann Arnold betonte, der Maintal-Sängerbund wolle Goppel vor allem damit für seine umfassenden Verdienste um das bayerische Musikleben ehren.