
Verkürzte Wadenmuskeln vom Joggen oder Fußball? Ein zwickender Rücken nach einem langen Bürotag? Fünf Stufen und schon aus der Puste? Die kleinen Hinweise auf den eigenen körperlichen Zustand kennt jeder – Frau wie Mann. Greifen Frauen eher zur Yogamatte oder gehen zum Bauch-Beine-Po-Kurs, um fitter zu werden, tun sich Männer oft schwerer. Sport ohne Ball? Ohne Mannschaft? Ohne ersichtlichen Gegner? Genau! Dafür mit Gymnastikmatte und Musik haben sich die Altherren-Fußballer des SV Birkenfeld im Jahr 2000 gesagt und eine Herren-Aerobic-Gruppe gegründet. 15 Jahre später ist die gemeinsame Fitness für die meisten Mitglieder zum Fixtermin, sind aus zehn Herren insgesamt 27 geworden – mit der Tendenz zum Weiterwachsen.
Geordnete Dreierreihe
Der Startschuss zum gemeinschaftlichen Schwitzen fällt jeden Freitag pünktlich um halb sieben. Knipsen andere zu diesem Zeitpunkt ihre Schreibtischlampe aus, gehen in der Egerbachhalle in Birkenfeld die Lichter an: Rund 22 Männer stehen auch an diesem Abend in geordneter Dreierreihe in der Halle. Unten herum in Woll- oder Tennissocken, präsentieren sich die Herren oben fast uniform: „Herren-Aerobic“ steht auf dem Rücken der roten T-Shirts.
Erwartungsvoll blicken sie nach vorne, wo in diesem Moment die Musik angeht und die einzige Frau in der Halle mit „Eye of the Tiger“ das Aufwärmprogramm beginnt.
Aerobic-Choreographie braucht Platz
„Wir wollen etwas anders machen“, war der Satz, mit dem die Altherren-Fußballer 2000 auf Jutta Schwab zukamen. Neben den Beinen wollten sie vor allem Bauch, Rücken und Arme trainieren. Die Idee, Aerobic zu machen, kam von der Trainerin selbst. Schließlich ist die „Bewegung zur Musik“ nicht nur ein gutes Herz-Kreislauf-Training, sondern fördert auch Koordination und Konzentration. Denn es gilt nicht nur, die Schritte exakt nachzumachen, sondern sich auch ihre Abfolge zu merken. Mit acht bis zehn Leuten, u-förmig aufgestellt, habe sie damals angefangen, erinnert sich Jutta Schwab. Mittlerweile sind sie fast genauso viele Teilnehmer wie die Damen-Aerobic-Gruppe des Vereins – und somit zu viele für die U-Form. Denn für die Aerobic-Choreographie braucht es Platz: Zum Beispiel beim Jumping Jack, dem Hampelmann, oder dem V-Step, der nach vorne oder nach hinten ausgeführt wird. Beim Grapevine geht es in ausladenden Schritten nach rechts oder nach links, in einer Art Kreuzschritt.
"Die Männer sind begabt"
Wie lange sie gebraucht habe, um den Männern die Palette an Aerobic-Schritten beizubringen? „Die sind schnell gelernt“, berichtet die Trainerin. Und fügt schmunzelnd hinzu: „Außerdem sind die Männer begabt.“ Und diszipliniert: Fast synchron hallt die Choreographie von 22 Turnschuh-Paaren von den Hallenwänden wieder. „Und wenn Zwei mal quatschen, weil sie sich lange nicht mehr gesehen haben, werden sie von den anderen ermahnt“, erzählt Jutta Schwab.
Sie ist mittlerweile beim Rumpf- und Armtraining. Was aussieht wie ein bunter Spazierstock, entpuppt sich dabei als gewichtige Stange, die bei Ausfallschritten, V-Steps und Grapevine-Schritten den Herren zusätzliche Muskelkraft abverlangt. Spätestens jetzt fliegen die letzten Trainingsjacken an den Rand der Halle. Erste Schweißtropfen zeigen sich, als Jutta Schwab ihren Sportlern im Anschluss Elemente wie „Kicks“ und „Punches“ aus der Fitness-Sportart „Tae Bo“ abverlangt. Für die Übungsleiterin kein Grund, sich Sorgen zu machen. „Die Männer probieren alles aus, egal ob wir auf die Steps gehen oder beim Dehnen an die Schmerzgrenze“, lobt die Trainerin. Die einzige Bemerkung, die sie manchmal zu hören kriegt, ist: „Ui, das war aber heute viel für den Kopf.“
45 bis 67 Jahre Altersspanne
Von 45 bis 67 Jahren reicht die Altersspanne der Aerobic-Herren, die alle, bis auf einen Billingshäuser und einen neuen „Schnupperer“ aus Marktheidenfeld, aus Birkenfeld kommen. Einige sind bereits von Anfang an dabei. Trainiert wird jeden Freitag von halb sieben bis acht – abgesehen von einer vierwöchigen Pause im Sommer. Damit es nicht langweilig wird, denkt sich Jutta Schwab jede Woche eine andere Choreographie aus. Ist sie mal nicht da, springt ihre Schwester Dagmar Klühspies ein.
Als Präventivsport sehen die Männer selbst das Training. Der Birkenfelder Elmar Konrad schätzt das Training zum Beispiel besonders für seine Schultern. „Außerdem schlafe ich nach dem Training immer fantastisch“, sagt er und lacht. Um halb acht aber ist man in der Halle noch hellwach: Dicke Matten werden herangeschleift, aber nicht, um sich darauf auszuruhen. In Bauch- und Rückenlage werden nun die entsprechenden Muskeln traktiert. Zum Schluss wird gedehnt. Im Grätschsitz sollen die Männer die Hände Richtung Fußspitzen nehmen.
Leises Räuspern in der Runde verrät, dass das nicht jedem leicht fällt. „Ich denke jedes Mal beim Dehnen, da stimmt irgendetwas mit der Anatomie bei mir nicht“, erzählt Teilnehmer Andreas Pietsch nach dem Training. In lockerer Runde sitzt man an diesem Tag noch beim „Oktoberfest“ in der Halle zusammen. Derlei Feste gehören ebenso zur Herren-Aerobic wie die Musik und die Matten. Organisiert werden sie meist von Helmut Ludwig. Er sammelt auch für runde Geburtstage und führt Buch, wer alles beim Training war.
Unverzichtbare Freitagsabend-Fitness
Und bei alkoholfreiem Bier, Wurst, Käse und Brot lässt es sich auch gut über Sinn und Zweck der Herren-Aerobic plaudern. Die Freitagsabend-Fitness sehen die meisten mittlerweile als unverzichtbar: Es tut gut, beugt dem „Couching“ vor und macht Spaß, sind sich die meistens einig. Das spürt auch Trainerin Jutta Schwab. „Die Gruppe ist so gewachsen, weil die Männer etwas tun wollen. Langfristig. Und nicht nur für die Zeit eines Trends“, sagt sie. Und einen kleinen Zusatzeffekt für die Frauen daheim gibt es auch: „Die freuen sich“, sagt Mitglied Albin Ehehalt mit einem Augenzwinkern, „weil wir verräumt sind.“