Gibt es Ortschaften mit einem eigenen Geruch? Für den Marktheidenfelder Stadtteil Glasofen (Lkr. Main-Spessart) kann man diese Frage zumindest Ende Juli mit einem klaren "ja" beantworten. Denn immer wenn um diese Jahreszeit vom örtlichen Köhlerverein der Kohlenmeiler am Waldrand angezündet wird, ziehen helle Rauchschwaden und mit ihnen der "Glasofener Köhler-Duft" durch die Luft.
1977 haben sich in dem 450-Einwohner-Dorf mehrere Ehepaare zusammengefunden, um ein altes Traditionshandwerk im Spessart wieder aufleben zu lassen. Zehn Jahre später wurde dann der "Glasf’lder Köhlerverein" gegründet. Bis heute beleben dessen Mitglieder das ohnehin recht aktive dörfliche Leben in Glasofen.
Man hilft sich im Ort gegenseitig
In einem so kleinen Dorf liegt es auf der Hand, sagt Karl Wolf als Vorsitzender der Köhler, dass viele der rund 125 Mitglieder zugleich in anderen Vereinen aktiv sind. Dies zeige sich vor allem beim Förderverein des örtlichen Bürgerhauses, das man gemeinsam verwaltet. Vor kurzem hat die Stadt Marktheidenfeld in der Ortsmitte die einstige Schule mit großem Aufwand zu einem Dorfgemeinschaftshaus erweitert. An den Baumaßnahmen beteiligten sich auch die Mitglieder des Köhlervereins.
Doch die traditionelle Herstellung von Holzkohle in einem Meiler bleibt der eigentliche Vereinszweck der Köhler aus Glasofen. Ein Kohlenmeiler ist ein bedeckter Holzhaufen, der von einem Köhler in Brand gesetzt wird, um Holzkohle zu erzeugen. Das alte Handwerk hatte jahrhundertelang große Bedeutung für den Alltag und das wirtschaftliche Leben - auch im Spessart. Bis im 19. Jahrhundert die Nutzung fossiler Brennstoffe zunehmend an Bedeutung gewann, wurde Holzkohle für viele Dinge benötigt. Stellenweise fielen in Deutschland und dem Rest Europas riesige Waldgebiete dem immer größer werdenden Energiebedarf zum Opfer. Auch der Spessartwald mit seinen Buchenbeständen war eine wichtige Grundlage für Holzkohle.
Vereinsmitglieder sägen das benötigte Buchenholz
So beziehen die Glasofener Köhler ihr Buchenholz auch heute noch aus verschiedenen regionalen Quellen. Früher wurde der Rohstoff noch mühsam selbst im Wald geschlagen. Heute lässt ihn der Verein zum Köhlerplatz liefern. Das Holz lagert dort, bis über ein Dutzend Vereinsmitglieder die großen Buchenscheite für den Meiler sägt und herrichtet. Zwischen 20 und 30 Ster Buchenholz werden am Ende benötigt.
Ende Juli steht dann das Glasofener Köhlerfest an. Bis dahin muss der Meiler stehen und qualmen. Als erstes streut der Vereinsvorsitzende Karl Wolf dafür mit seinen erfahrenen Helfern, darunter auch einige Senioren, einen Kreis aus Sägemehl auf den Boden, um den Umfang des Meilers festzulegen. Die Höhe gibt der aus Fichtenlatten zusammengesetzte Kamin im Mittelpunkt vor, durch den der Meiler angezündet wird.
Um den Kamin herum werden dann die etwa einen Meter langen Buchenscheite von bis zu 15 Personen eng auf eng geschichtet. Dann wird das Gebilde mit Heu - früher nahm man Laub - und einer Erdschicht dicht abgedeckt. Der Meiler hat nun seine endgültige Form angenommen.
Der Meiler muss eine Woche lang im Auge behalten werden
Rechtzeitig vor dem Köhlerfest wird dann lodernde Glut in den Kamin eingefüllt - dafür muss der Kohlenmeiler mit einer Leiter erklommen werden. Der Kamin wird danach fachmännisch verschlossen. Dann müssen die Köhler ihren Meiler eine Woche lang Tag und Nacht im Auge behalten. Am Rauch können sie den Stand der Pyrolyse, der Verschwelung, erkennen. Durch das Aufstechen und Verschließen von Löchern in der Abdeckung steuern erfahrene Köhler den Prozess.
Vier Tage lang dauert das begleitende Köhlerfest mit meist über 1000 Gästen an der Köhlerhütte. Rund 60 Helfer bewirten mit Spezialitäten wie Kochkäse oder der Köhlerbratwurst. Das Köhlerfest in freier Natur ist ein in der Region beliebter Gegenentwurf zu hektischen Volksfesten. Der Verein ist stolz darauf, dass die Mitarbeiter der Mainfränkischen Werkstätten aus Marktheidenfeld und viele Senioren aus dem Umland zu den Stammgästen zählen.
Der Köhlerverein hat keine Nachwuchssorgen
Das Fest ist schon wieder fast vergessen, wenn nach einer Woche der Meiler geöffnet und die Holzkohle entnommen wird. Die rund 200 Säcke finden reißenden Absatz bei den Familien im Dorf und in der Umgebung.
Mit den Einnahmen aus dem Fest und dem Holzkohleverkauf finanzieren die Köhler zunächst ihren eigenen Aufwand und pflegen das mit dem Köhlerplatz verbundene Freizeitgelände am Waldrand für die Öffentlichkeit. Seit vielen Jahren werden zudem karitative Organisationen kurz vor Weihnachten mit Spenden unterstützt.
Nachwuchsprobleme sieht der Vorsitzende Karl Wolf für seinen Verein, der auch Mitglied des Europäischen Köhlervereins ist, nicht: "Da helfen Alt und Jung einfach zusammen." Schwieriger werde es, wenn die zunehmende sommerliche Trockenheit dafür sorge, dass der Meiler nicht pünktlich zum Fest angezündet werden kann.
Im vergangenen Jahr fiel das Fest wegen der Corona-Pandemie ohnehin aus. Wie es aktuell weitergehe, das werde man noch sehen, sagt Wolf. Er hoffe noch darauf, dass es Ende Juli wieder losgeht und dass dann die Gäste des Fests ein wenig von dem besonderen "Glasofener Köhler-Duft" in ihrer Kleidung mit nach Hause tragen werden.