Als 15 Kriegsveteranen im Jahr 1871 nach dem Vorbild von Turnvater Jahn einen Verein gründeten, hätten sie sich wohl nicht träumen lassen, dass dieser einmal nicht nur fast 800 Mitglieder, sondern auch eine Turnhalle sowie eine Sportanlage mit Fußball- und Tennisplätzen haben sollte. Kein Wunder also, dass Vereinsvorsitzender Michael Zull beim Kommersabend von der Freude und dem Stolz sprach, mit dem der Verein sein Jubiläum vorbereitete und feierte, soweit es die Corona-Pandemie zuließ.
Zu der Feier in der Walter-Endrich-Halle, die unter 2G-Bedingungen stattfand, kamen viele Gäste aus nah und fern. Unter der Moderation der Zweiten Vorsitzenden Cornelia Köstler trug zwischen der Festrede und den zahllosen Grußworten Markus Kuhn das wichtigste aus der Vereinschronik vor. Eine Turnabteilung gibt es beim TSV Retzbach noch immer, natürlich auch eine Fußballabteilung, auch wenn die Fußballer zwischen 1927 und 1948 einen eigenen Verein gegründet hatten. Die Tennisabteilung gibt es auch schon wieder 40 Jahre. Die jüngste Abteilung trainiert den Kampfsport Teakwondo. 771 Mitglieder hat der Verein aktuell, davon 206 Kinder und Jugendliche. Damit ist er der siebtgrößte Sportverein im Landkreis Main-Spessart und der größte innerhalb der VG-Zellingen.
"Es tut gut, Sie alle mal wieder zu sehen", leitete Schirmherr Alexander Hoffmann sein Grußwort ein. Seit Anfang der 80er Jahre ist er Mitglied im Verein, seine Eltern meldeten ihn an. Er grillte Bratwürste im Sportheim, bediente beim legendären TSV-Weinfest und verzweifelte bei so manchem Tennismatch. Nicht von ungefähr sprach er deshalb vom Ehrenamt, vom bürgerschaftlichen Engagement und von Menschen wie Michael Zull und seinem Vorgänger Bernhard Hock, die ihn lehrten, einem Ort etwas zurückzugeben. Und davon, dass junge Menschen beim Sport lernen mit Niederlagen, und vielleicht noch wichtiger, mit Siegen umzugehen. Er wünschte allen und dem TSV Retzbach noch viele gemeinsame Jahre.
Urkunde überreicht
Die Glückwünsche des Bayerischen Landessportverbandes überbrachte dessen Vorsitzender Jörg Ammon. Nach einer Zeit wie den letzten anderthalb Jahren wisse man das Vereinswesen und ehrenamtliches Engagement für Sport, Bewegung und Gemeinschaftssinn zu schätzen. 300000 Menschen engagierten sich in Bayern für den Vereinssport. Bei einem Jubiläum von 150 Jahren dürfe man stolz auf seinen Verein sein. Er überreichte dem Vorsitzenden eine großformatige Urkunde.
Ein Verein wie der TSV Retzbach zeige, wie lebendig ein Dorf ist, und entwickle auch Strahlkraft über den Kreis Main-Spessart hinaus, fand Landrätin Sabine Sitter. Von Herausforderungen und Flexibilität sprach Zellingens Zweite Bürgermeisterin Andrea Heßdörfer, in einer Zeit wo es auch Fitnessstudios und Individualsport gibt, müsse müsse ein Verein am Ball bleiben.
Weitere Grußworte kamen vom ehemaligen Pfarrer Gerold Postler, von Pfarrvikar Thomas Wollbeck, Sparkassendirektor Peter Schmitt, der zehn Jahr im Verein aktiv war und sich an das unorthodoxe Tennisspiel von Michael Zull erinnerte, Weinprinzessin Nadine Pfister, Barbara Gehrig für den Vereinsring und Thomas Fuchs vom TSV Duttenbrunn. Während die meisten Gratulanten kleine oder größere Schecks dabei hatten, sorgte Fuchs mit einem Fußball für Schmunzeln: "Diesen Ball könnt ihr nicht gegen uns nehmen, der ist gechipt und fernsteuerbar."
Eine Pause gab es nicht nur für das Essen, sondern auch für das Inklusions-Projekt "MIPpies" aus Wernfeld. Ohne eine Zugabe kam die Band nicht aus der Halle, danach übernahmen wieder Stefan Kuhn und Mattias Barthelmes die musikalische Umrahmung und Begleitung des "gemischten Chores", der Textzettel für das Turner- und das Fußballerlied bekommen hatte.
Höhepunkt der Ehrungen war die Ernennung von drei neuen Ehrenmitgliedern. Bruno Heßdöfer kassierte in seinen Jahren als Zweiter Kassierer (bis 1983) den Vereinsbeitrag noch viermal jährlich in bar, er war vier Jahre Fußballtrainer, 16 Jahre Dritter Vorsitzender, plante als Elektro-Meister die Stromversorgung aller Vereinsgebäude und ist jetzt im Instandsetzungsausschuss aktiv.
Heribert Zull gehört dem Verein seit seinem 13. Lebensjahr an. Er leitete den Jugendfußball, war 22 Jahre Kassierer oder Schatzmeister, versäumt kein Fußballspiel des TSV Retzbach und sorgt dabei noch für Live-Tweets.
Vorsitzender Michael Zull gehört schon seit 50 Jahren zum TSV Retzbach. Er leitete die Tennis- und die Fußballabteilung, ließ sich 1991 zum Zweiten Vorsitzenden wählen und ist nun schon seit 20 Jahren Vorsitzender. Er hatte seinem Schwiegervater Bernhard Hock versprochen, dieses Amt zu übernehmen. Cornelia Köster hob in der Laudatio hervor, dass er als Platzwart für die schönsten Fußballplätze weit und breit sorgt und die legendären Skifreizeiten ins Leben rief.
Typisch Sportverein endete der Jubiläumsabends mit einem Sondertraining: Elmar Nun, bekannt als Nachtwächter aus Retzstadt, kümmerte sich intensiv um die Lachmuskeln.