
Der Absinth wurde ihm zum Verhängnis: Als er ihn Anfang April 2015 trank, hatte er schon einige Bier intus. Die Wirkung war derart fatal, dass sich der 21-Jährige nicht mehr daran erinnert, was er in jener Nacht anrichtete. Die Main-Post berichtete damals von einer „Spur der Verwüstung“, die er mit dem BMW seiner Oma in Kreuzwertheim anrichtete: über 20 000 Euro Sachschaden und dass in weiten Teilen des Ortsbereichs der Strom ausfiel.
„Ich weiß noch, wie ich zum Jugendraum ging und danach erst wieder, dass ich in der Psychiatrie wach wurde“, sagte der Lagerist vor dem Amtsgericht Gemünden. Weil die psychiatrische Gutachterin den Blackout für möglich hielt, verurteilte Strafrichter Christian Spruß den jungen Mann wegen fahrlässigen Vollrausch zu einer Geldstrafe von 2000 Euro.
Nach seinen Angaben vor Gericht war der 21-jährige damals mit seinen Eltern einkaufen, ehe sie seine Großeltern besuchten. Da sei er abends mit einem Kumpel zum Jugendraum gegangen und habe vier bis sechs Bier getrunken. Danach habe er den Kumpel heim gebracht und habe sich wieder auf den Weg zum Jugendraum gemacht. Diesmal mit einer Flache Absinth, die ihm seine Schwester geschenkt habe.
Wie er an das Auto der Großmutter kam, konnte er nicht sagen, nur dass der Schlüssel immer im Gang hing. Fest steht, dass er damit mit quietschenden Reifen durch den Ort raste, in der Turnplatzstraße und der Fürsten-Magereten-Straße mehrfach gegen Gartenzäune, zwei Stromverteilerkästen und andere Fahrzeuge fuhr. Einen Führerschein hatte er nicht. Vor der alarmierten Polizei wollte er fliehen. „Hinten links flogen die Funken, das Fahrzeug fuhr auf der Felge“, schilderte ein Polizist aus Wertheim, den seine Marktheidenfelder Kollegen um Unterstützung gebeten hatten. 100 Meter weiter sei das nicht mehr fahrbereite Auto dann zum Stehen gekommen, Der Fahrer hätte gestammelt: „Ich mach' nix, ich mach' nix.“ Dann habe er sich widerstandslos festnehmen lassen. Ihm kam er psychisch belastet vor.
Schadensbilanz der Amokfahrt: 24 545 Euro Schaden ohne den Totalschaden am Auto der Oma. Nach Angaben des Verteidigers will die Haftpflichtversicherung den Angeklagten mit 10 000 Euro in Regress nehmen.
Dazu kommen über 700 Euro Schaden für eine Verglasung am Jugendhaus, hier vereinbarte er Ratenzahlung mit der Gemeinde Kreuzwertheim.
Nach seiner Festnahme wurde der 21-jährig drei Tage im Bezirkskrankenhaus Lohr und dreieinhalb Wochen in der Uniklinik Würzburg behandelt. Die psychologische Gutachterin sprach von einem depressiven Syndrom, ausgelöst durch den Tod eines guten Freundes eine Woche vor der Tat in Kombination mit schädlichem Gebrauch von Alkohol. Sie rechnete auch zurück, dass er zum Tatzeitpunkt über zwei Promille gehabt haben dürfte. Es sei aber nicht nur der Alkohol gewesen, was Zeugenaussagen wie die des Polizisten stützten, der Angeklagte sei ihnen „komisch“ vorgekommen. Auch enthalte Absinth Stoffe, die Zustände wie Verwirrtheit und Verfolgungsstörungen auslösen können. Wie der reuige junge Mann erklärte, trinke er seither gar keinen Alkohol mehr.
„Es tut ihm leid und er schämt sich“, stellte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer fest. Die andere Seite sei der enorme Sachschaden und dass die Amokfahrt sehr gefährlich war. Deshalb beantragte sie eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 30 Euro sowie eine isolierte Sperre für die Fahrerlaubnis von zwei Monaten.
Mit seinem Antrag auf Freispruch lehnte sich der Verteidiger weit aus dem Fenster. Er verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm von 2009, wonach ein fahrlässiger Vollrausch nur strafbar sei, wenn eine Neigung zu Aussetzern vorhersehbar ist. „Sonst müsste man alle Räusche verbieten“, argumentierte der Jurist. Ersatzweise beantragt er eine geringere Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 20 Euro, auch in Hinblick auf die Schadensforderungen und was seinem Mandanten nach Abzug der Wohnungsmiete vom Verdienst zum Leben bleibt. Der sagte als letztes Wort nur: „Es tut mir leid“.
„Das Oberlandesgericht Hamm ist mir egal, für mich zählt der Bundesgerichtshof“, erklärte Richter Christian Spruß in der Urteilsbegründung. Danach sei man bei Rauschtaten zwar schuldunfähig, müsse aber damit rechnen, dass etwas passieren kann, wenn man sich betrinkt. Er entschied auf eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 20 Euro und 18 Monate Sperrfrist. Das Urteil ist rechtskräftig.