Abgasbetrug, Brexit, Flüchtlinge, Fußball – und natürlich Angela Merkel und Konsorten: Bei seinem gut einstündigen Auftritt am frühen Sonntagnachmittag im vollen Bierzelt auf der Lohrer Spessartfestwoche hüpft der mehrfach ausgezeichnete Obernburger Kabarettist Urban Priol, mittlerweile auch schon 55, durch die Themen der Zeit, lässt sie für sich im Raum stehen, stellt Verbindungen her, vertieft sie oder auch nicht.
Der Mann mit den wild abstehenden Haaren redet wie ein Schnellfeuergewehr. Viele Nebengeräusche und teilweise schlechte Akustik im Zelt erfordern von den rund 6000 Zuhörern hohe Konzentration. Ja, das Leben kann hart sein.
Womit wir bei den Wirtschaftsflüchtlingen angekommen sind. Rund 15 000 erwartet Priol in nächster Zeit, brexitbedingt, aus London. Weil es sich voraussichtlich fast ausschließlich um junge Männer handeln wird, sei mit einem Anstieg der Kriminalitätsrate zu rechnen.
Über Zeiten des Umbruchs
Es sei Vieles im Umbruch, analysiert Priol. In Baden-Württemberg sei die CDU der Juniorpartner der Grünen und wenn in Österreich die FPÖ an die Macht komme, müsse das Land umgehend zum „unsicheren Herkunftsland“ erklärt werden. Umbruchsituationen verunsicherten die Bevölkerung, sagt Priol, denn für die Deutschen müsse die Politik vor allem eines sein: verlässlich. „Hauptsache, die Scheiße fließt immer in eine Richtung“, ätzt er.
Richten wir den Blick nach Südosten, in die Türkei, auf Erdogan, der den kürzlich stattgefundenen Putsch als Geschenk Gottes bezeichnet haben soll. Vor mehr als 80 Jahren hätten die deutschen Nationalsozialisten gesagt, „diesen Reichstagsbrand hat uns der Himmel geschenkt“, zieht Priol eine Parallele.
Es sei ein Skandal, wettert der Kabarettist, dass man einen Despoten wie den türkischen Staatschef zum Türsteher Europas gemacht habe.
Erdogan, der gesagt haben soll, „die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette sind unsere Bajonette und die Gläubigen unsere Soldaten“ sei eine „anatolische Rotzschleuder“; er trete die Menschenrechte mit Füßen und der bayerische Ministerpräsident Seehofer rolle auch noch den roten Teppich vor ihm aus.
Und von Bundeskanzlerin Merkel, die seit fünf Jahren nichts anderes mache, als Europa an die Wand zu fahren, kämen nur „Allgemeinplätze“. Beim „bandenmäßigen Betrug“ des Autogiganten VW mit den Abgaswerten werde verniedlichend von „Schummelsoftware“ geredet, kritisiert Priol. Die Deutsche Bank stehe an der Spitze der organisierten Kriminalität und mit Blick auf die Ethik-Kommission der Fifa meint er, das sei so, wie wenn ein Kernkraftwerkbetreiber einen hauseigenen TÜV habe, der bestätige, dass mit der „maroden Klitsche“ alles in Ordnung sei – „ach so, ham die ja“.
Von Optimismus keine Spur
Das einzige, was Priol verschmerzen kann, ist die geplante Abschaffung des 500-Euro-Scheins im nächsten Jahr. Denn dies sei nur für das oberste eine Prozent der Gesellschaft schlimm – weil diese Leute mit den Fünfhundertern immer ihre Zigarren anzündeten. Auch wenn Priol ein fröhlich wirkendes flamingobedrucktes Hemd trägt und für sein warm gewordenes Bier (er hat so viel gequasselt, dass er fast nicht zum Trinken kam) am Ende seines Auftritts ein kaltes Neues bekam: optimistisch war sein Fazit nicht.
„Verrückte führen Blinde – das ist die Seuche dieser Zeit“, lautete es. Ob er seine Zuhörer im Festzelt, die ihm reichlich Applaus spendeten, zu den Sehenden zählte, ließ er offen ...
