Günther Klöß rennt um sein Leben. Hätte er die drei Pferde bloß nicht gestört. Dabei wollte er doch nur ein Paket für Familie Hock abgeben. Er klingelt. Doch keiner reagiert. Dann eben zu den Eltern, gleich im Haus dahinter, gleich hinter der Wiese. Diese ist normalerweise leer. Heute aber grasen dort seelenruhig drei Pferde – bis sie den Fremdling erspähen und prompt auf ihn zugaloppieren. Klöß gibt Fersengeld. Auf den letzten Drücker schafft er es bis hinters Gartentor. Es dauert ein Weilchen, bis sich sein Puls wieder normalisiert hat. Dann erst gibt er das Paket bei den Eltern ab. Geschafft!
Abenteuer wie diese sind für Klöß zwar selten; langweilig wird dem Postboten aber auch in seinem 16. Dienstjahr nicht. Als Springer ist er täglich an einem anderen Ort im Einsatz: Bischbrunn, Esselbach, Hafenlohr, Rothenfels, Windheim oder Marktheidenfeld – in Sachen Ortskenntnis macht dem 46-Jährigen niemand etwas vor.
Das erste Haus, das er an diesem sonnigen Morgen ansteuert, bewohnt eine pensionierte Studiendirektorin. „Sie möchte nicht gestört werden“, weiß Klöß, der das an sie adressierte Paket in der Garage platziert und erklärt, die Dame habe einen Garagenvertrag geschlossen.
Rund drei Stunden zuvor: Im Zustellstützpunkt in Marktheidenfeld herrscht ab halb sieben Hochbetrieb. Zu den zwei Dutzend Leuten, die hier eifrig Briefe einsortieren, gehören auch die 32-jährige Nina Ziegler und die 19-jährige Auszubildende Erika Fuchs. „Wir teilen uns heute Bezirk Drei, der hauptsächlich durch die Altstadt verläuft.“
Warum es manchmal länger dauert
Da vor kurzem Bezirksbemessung war, dauert das Einsortieren heute länger. Ihren Kunden, die sich gelegentlich fragen, warum die Post plötzlich später kommt oder von einem anderen Postboten ausgetragen wird, erklärt Ziegler: „Jeder Bezirk wird einmal im Jahr neu vermessen. Es kann also sein, dass manche Straßen wegfallen und in einen anderen Bezirk verschoben werden.“ In diesem Fall ändere sich nicht nur die Zustellzeit, sondern auch der Zusteller selbst.
Gegen neun Uhr gehen die ersten Postboten auf Tour. Wie die Bienen schwärmen sie aus – Ziegler und Fuchs auf zwei, die anderen auf vier Rädern. Klöß ist einer der letzten auf dem Gelände. „Wer kriegt denn diesen Kaventsmann?“, fragt er sich angesichts eines riesigen Pakets, das er in sein Auto räumt. Der Riese ist zum Glück ganz am Anfang fällig. Weil er genau darauf achten muss, die Pakete so einzuladen, dass sie später zur richtigen Zeit greifbar sind, bezeichnet Klöß das tägliche Einladen auch als Tetris-Spielen. Heute sind es 45 Pakete und Päckchen – das Auto ist bis unters Dach gefüllt. Endlich kann es auch für ihn losgehen.
Nina Ziegler und Erika Fuchs sind inzwischen in der Altstadt angekommen. Schnurstracks radeln sie mit ihren gelben Fahrrädern durch die engen Gassen. Fuchs ist mit dem E-Bike unterwegs, das einen Elektromotor besitzt. Der ist auch dringend nötig: Allein das Fahrrad wiegt 60 Kilogramm, hinzu kommen 45 Kilogramm Briefe. Die mit einem Lithium-Akku betriebenen Fahrräder wurden um die Jahrtausendwende eingeführt. Deutschlandweit sind mittlerweile 6200 dieser Exemplare im Einsatz. In Marktheidenfeld gibt es bisher nur ein einziges.
„Der Berthold liegt wohl wieder auf seinem guten Ohr“, scherzt Klöß, als er gegen Mittag mal wieder vor einer verschlossenen Haustüre steht, „der Mann hält um diese Uhrzeit meistens seinen Mittagsschlaf.“ Der Postler ist nicht nur gut gelaunt, sondern hat auch stets einen lockeren Spruch auf den Lippen: „Ich kenne ja meine Pappenheimer.“ Seine Laune wird noch besser, als der Nachbar das Paket in Empfang nimmt und ihm damit eine Menge Arbeit erspart. Das Flachsen mit den Leuten schätzt Klöß sehr: „Deshalb liebe ich diesen Job. Ich kann mir mittlerweile nichts anderes mehr vorstellen.“
Derweil fährt Nina Ziegler bereits die letzte Ablagestelle in der Kreuzbergstraße an. Weil mehrere tausend Briefe nicht alle auf das Fahrrad passen, laden die Postbotinnen ihre Gefährte auch in der Obertorstraße, der Verwaltungsgemeinschaft und am Marktplatz nach. Dass Ziegler noch auf einem klassischen Drahtesel strampeln muss, nimmt sie mit Humor: „Dann spare ich mir wenigstens das Fitnessstudio.“
Nach fünf Stunden anstrengender Zustellung ist die gesamte Altstadt von Marktheidenfeld mit Briefen versorgt. Ziegler und Fuchs scannen ihre Einschreiben, schreiben ihre Briefpost ab und sortieren ihre Zustellurkunden. Gegen drei Uhr trifft auch Klöß wieder im Zustellstützpunkt ein. Bevor er Feierabend hat, muss er noch die Abrechnung machen. Dann endet auch für ihn ein anstrengender Arbeitstag – Zeit, sich auszuruhen, denn schon morgen warten wieder tausende von Leuten im Raum Marktheidenfeld auf ihre Post.
Deutsche Post und andere Briefdienstleister
Ihr Sitz ist Bonn: Die Deutsche Post AG ist das größte Logistik- und Postunternehmen der Welt. Unter dem Namen Deutsche Post DHL tritt der Konzern seit dem März 2009 in der Öffentlichkeit auf. Das Unternehmen entstand 1995 durch Privatisierung der früheren Behörde Deutsche Bundespost und ist seit 2000 Bestandteil des deutschen Leitindex DAX an der Frankfurter Wertpapierbörse. Im September 2013 zog die Deutsche Post in den EURO STOXX 50 ein.
Deutschlandweit tragen 107 000 Zusteller (86 000 Brief- und 14 700 Paketzusteller) durchschnittlich 64 Millionen Briefe und 3,4 Millionen Pakete pro Tag aus. Mit weltweit rund 481 000 Mitarbeitern in mehr als 220 Ländern ist die Deutsche Post das größte Unternehmen Europas. Davon sind 201 000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Das Unternehmen besitzt deutschlandweit 82 Briefzentren, 33 Paketzentren, über 29 000 Verkaufsstellen sowie 2650 Packstationen und verzeichnete 2013 einen Umsatz von rund 55 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Bei der Main-Post-Logistik, dem einzigen anderweitigen Briefdienstleister in Unterfranken, tragen 1500 Zusteller etwa 30 Millionen Sendungen im Jahr aus. Die Main-Post-Logistik gibt es seit 2001, sie hat mittlerweile rund 3000 Kunden und verzeichnete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 14,5 Millionen Euro. Text: KFE