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SCHOLLBRUNN
Unterwegs am Äppeläquator
Bearbeitet von Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:13 Uhr

Hohe Kronen, ein einziges Blätterdach über Säulenstämme, Kilometer um Kilometer – das kann einen Ausflug in den tiefsten Spessart auf Dauer etwas eintönig machen. Zauberhaft wandlungsfähig hingegen sind die 14 Kilometer eines Rundwanderwegs bei Schollbrunn. Ein paar Mal geht?s auch hier durch reinen Buchenforst, allerdings nur ein paar hundert Meter weit. Am Wegesrand wittern Kirchen- und Klosterruinen vor sich hin und es hämmert eine historische Schmiede, Ursprung des heutigen Technikkonzerns Kurz Ersa. Bächlein schlängeln sich. In Maßen eröffnen sich hier und dort sogar Fernsichten; die sind ansonsten auf der allergrößten Fläche dieses Mittelgebirges meist zugewachsen.

Außerdem befindet man sich auf einer bedeutenden Sprachgrenze, nämlich der zwischen main- und rheinfränkischem Dialekt. Äppeläquator heißt diese Linie, da der Rheinfranke jenseits von Schollbrunn das „f“ in Äpfel weglässt.

Nur kurz durch die Sonne, dann geht's ab in den schattigen Wald

Schollbrunn, zwölf Kilometer westlich von Marktheidenfeld gelegen, ist Ausgangs- und Zielpunkt dieser fünf- bis sechsstündigen Wanderung, die deutlich mehr Kondition erfordert als ein ausgedehnter Spaziergang. Am Parkplatz gegenüber von Rat- und Spessartkulturhaus informiert eine Tafel über sämtliche ausgezeichneten Wanderwege. Von hier aus gerechnet führen die ersten zwei Kilometer durch die pralle Sonne. Dann taucht der Wanderer dauerhaft zumindest in Halbschatten ein.

Eine mäßige Steigung erhebt sich im letzten Viertel. Die meisten Abschnitte sind Schotter- oder Waldwege, zwei- oder dreimal stützt man sich kurz an einem Felsbrocken ab und schwingt sich den nächsten Schritt hoch. Malerisch, das Ganze, aber nichts für Fußkranke. Auch Radwanderer dürften einen knappen Kilometer lang ächzen, über den sie ihr Fahrrad zu tragen haben, beispielsweise über malerische Knüppelpfade, von Wurzelwerk durchzogen.

Achtung, gleich am Anfang locken tolle Einkehrmöglichkeiten

Geht man den Rundweg im vorgesehenen Uhrzeigersinn, stößt man nach einem Drittel auf zwei wunderbare Restaurationen. Wer dem Locken der Speisekarte nachgibt, muss den langen Verdauungsspaziergang bedenken, den er anschließend vor sich hat. Umzudrehen ist auch keine bessere Idee, denn nach Schollbrunn hat man nun einen nicht zu unterschätzenden Aufstieg vor sich. Der Ausweg: In der Kartause Grünau oder im Schwarzen Bock beim Eisenhammer macht man während der Wanderung einfach nur eine kleine Rast. Auf der Rückfahrt von Schollbrunn nach Marktheidenfeld kommt man mit dem Auto sowieso wieder hier vorbei und kann sich dann für die Heimreise stärken. Empfehlung allemal: Ein bisschen Proviant einstecken, außerdem mindestens eine Flasche Wasser pro Wanderer.

Einen Lehrpfad über die Vielfalt des Spessart könnte man den Rundwanderweg nennen. Entwickelt hat ihn das „Archäologisches Spessartprojekt Kulturwege“. Dieser Zusammenschluss mehrerer Forschungsinstitute und Heimatvereine hat schon beinahe einhundert Wanderungen ausgewiesen – mit einem leicht zu identifizierenden Schild: gelbes Schiff mit Sternen auf blauem Grund, das „Europaschiff“. Unter den Wanderungsvorschlägen von Altenbuch bis Wörth findet der frühere Leiter des Spessartmuseums in Lohr, Herbert Bald, die Route „Schollbrunn – südlich des Äppeläquators“ besonders empfehlenswert, weil sie „viele verschiedene Aspekte des Spessarts behandelt, auch romantische und abenteuerliche“.

Gut ausgeschildert, und die sieben Infotafeln und die Karte kann man auch im Internet finden

Außerdem ist der Weg durchweg gut ausgeschildert. Nur bei einem Abzweig fällt das Europaschiff absolut nicht ins Auge. Ausgerechnet oberhalb des Eisenhammers – einer echten Sensation dieses Wegs – griff das Spessartprojekt plötzlich auf eine alte Holztafelbeschilderung zurück, die das Technikdenkmal aber nicht erwähnt, sondern nur die nahe gelegene Markuskapelle. Hier kann man sich leicht verlaufen, weil sich die Informationen nur an die Wanderer richtet, die die Strecke schon kennen. Ein paar Kilometer weiter ist ebenfalls nur die Gedenkstätte für den Wilderer Johann Adam Hasenstab ausgeschildert. Auch da muss der Nutzer schon vorher wissen, wie die Stationen am Äppeläquator heißen.

Immerhin, das Spessartprojekt hat alle sieben Infotafeln, die den Äppeläquator säumen, ins Internet gestellt. Auch die Landkarte dazu kann man runterladen. Das ist auch dringend empfehlenswert, um die Übersicht zu behalten. Nur, fürs Ausdrucken sollten die Dateien eine bessere Auflösung haben. Der grafische Mangel korrespondiert bedauerlicherweise mit inhaltlichen Schwächen. Hier wird zu viel vorausgesetzt. Wie funktionierte denn das Kartäuserkloster? Wer betete in der Markuskapelle? Aßen Wilderer ausschließlich Fleisch? Der historisch Interessierte erfährt leider nicht mehr. Immerhin, am Wildgehege, in dem heute (noch oder wieder?) Wildschweine und Damhirsche leben, gibt's einen Ausflug in die Historie.

Tolle Sammlung von Kulturzeugnissen in einem Wald, der schon lange nicht mehr unberührt ist

Trotzdem: Die Spessartfreunde haben an der Sprachgrenze eine tolle Sammlung von Kulturzeugnissen angelegt. Die zeigt, dass der Wald zumindest hier, ziemlich am Rand, schon seit vielen Jahrhunderten keine unberührte Natur mehr war.

Aber er ist bis heute eine starke Natur. Auch im höchsten Hochsommer beginnt es im trockenen Bachtal ein paar hundert Meter nach Schollbrunn allmählich zu rieseln. Ein frisches Bächlein formiert sich, der Spessart bleibt standhaft in der Dürre. Sehr grüne Wiesenwege werden auf der gesamten Strecke folgen. Eine der schönsten Kleinlandschaften überhaupt bildet der überwachsene Kropfbach in seinem felsgesprenkelten Tal, wo er zum Zulauf der klösterlichen Grünauer Fischteiche wird.

Hier lässt denn auch das Ohrenklingeln nach, das im Hammerwerk begann. Montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr knallt die alte Industrieanlage unten am Haseltal auf glühendes Eisen. Sie ist heute das nostalgische Aushängeschild des Unternehmens Kurtz Ersa.

Quellwasser? Lieber nur kühlen statt trinken

Am entgegengesetzten Zipfel des keineswegs runden, sondern schüppchenförmigen Rundwegs harrt das Forsthaus Kropfbrunn. Das hat, anders als man denken könnte, keinerlei Ausschank. Kurz unterhalb des waldwirtschaftlichen Hauses tritt Quellwasser aus einem Rohr. Vorm Trinken wird gewarnt, zur äußerlichen Kühlung sollte man die kalte Flut aber nutzen. Es sind hier erst gut dreiviertel des Weges zurückgelegt.

Was man sonst noch genießt? Eine verkleinerte Variante des Hafenlohrtals, das am Rand überraschenderweise eine Kastanienallee ziert. Große Blumen von der Europäischen Goldrute bis zum Indischen Springkraut, das im Spessart seine gefährliche Dominanz noch nicht entwickelt hat. Und Ruhe, abgesehen vom Eisenhammer und einem einzigen kurzen Wegstück, zu dem aus der Ferne ein Autobahnrauschen hinüberweht. Es lohnt sich, diesen Weg abzuwandern.

Erst wandern, dann einkehren

Schollbrunn ist mit dem Auto am einfachsten von der A3-Abfahrt Marktheidenfeld zu erreichen. Im Ort schräg oberhalb vom zentralen Dorfplatz hat der Gasthof „Zum Hirschen“ eine günstige Standardkarte mit vegetarischen Überraschungen (Mi. und Do. Ruhetag). Unterhalb, in der Brunnenstraße 1, pflegt „Zur Sonne“ eine etwas größere Wildauswahl (Mo. und Di. Ruhetag). Bei der Rückfahrt mit dem Auto in Richtung Marktheidenfeld passiert man abermals „Zum Schwarzen Bock“. Dieses Casino der Fabriken von Kurz Ersa ist gegenüber den dörflichen Genüssen einfallsreicher und hat einen schönen Garten mit Riesenmagnolie (Mo. bis Mi. geschlossen). Hier biegt auch der Fahrweg zur Kartause Grünau ein und wird in der ganzen Saison von April bis Oktober kräftig frequentiert: jahreszeitliche Küche durchgehend außer an den Ruhetagen Mo. und Di.

Infos: www.spessartprojekt.de

Der Standard-Anblick des Spessart - hohes Blätterdach - wird am Äppeläquator vielfach variiert.
Foto: Joachim Fildhaut | Der Standard-Anblick des Spessart - hohes Blätterdach - wird am Äppeläquator vielfach variiert.
Die Kartause Grünau lädt zu einem kleinen Imbiss.
Foto: Joachim Fildhaut | Die Kartause Grünau lädt zu einem kleinen Imbiss.
Tierische Begegnung auf der Wanderung: das Damwild vom Wildpark.
Foto: Joachim Fildhaut | Tierische Begegnung auf der Wanderung: das Damwild vom Wildpark.
Die Gebiete von Würzburg, Mainz und Wertheim stießen zu Fürstbischofs Zeiten hier aufeinander. Grenzsteine zeugen noch davon.
Foto: Joachim Fildhaut | Die Gebiete von Würzburg, Mainz und Wertheim stießen zu Fürstbischofs Zeiten hier aufeinander. Grenzsteine zeugen noch davon.
Schmiedetreffen am Eisenhammer: Alex Landsow aus Pirmasenz und Hugo Klein aus Karlsruhe.
Foto: joachim fildhaut | Schmiedetreffen am Eisenhammer: Alex Landsow aus Pirmasenz und Hugo Klein aus Karlsruhe.
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