Giftgrüner Cordanzug, vogelwilde Elvis-Tolle und kein Blatt vor dem Mund: So kennen und lieben die Karlstadter "ihren" Matthias Walz. Mit einem Kabarettprogramm aus bissigen Neuinterpretationen bekannter Hits verschafft er seiner Heimatstadt weit über Unterfranken hinaus Bekanntheit. Selbstredend, dass der berühmte "Sohn der Stadt" auch zur offiziellen Eröffnung der diesjährigen Unterfränkischen Kulturtage am Freitagabend im Saal des historischen Rathauses gesetzt war.
Eine knappe Stunde Zeit hatte der 46-Jährige nach den Begrüßungsreden von Bürgermeister Michael Hombach, der stellvertretenden Bezirkstagspräsidentin Eva Maria Linsenbreder und Landrätin Sabine Sitter, um aus Künstlersicht den Ton für die zehntägige Veranstaltung zu setzen, die der Bezirk Unterfranken in diesem Jahr zusammen mit dem Landkreis Main-Spessart und der Stadt Karlstadt ausrichtet.
Mit Rücksicht auf alle präsentiert Matthias Walz bei seinem Auftritt "alles"
Ein knapp bemessener Rahmen, noch dazu bei den Unterfränkischen Kulturtagen, "das hat mich schon unter Zugzwang gesetzt, da kann man ja nicht irgendwas Profanes machen", ordnete der Musiker zum Start die brisante Ausgangssituation ein. Seine Lösung: "Ich mach' heute alles. Jede Art von Musikkabarett von ernsthafter klassischer Musik bis zu den plattesten Witzen, da wird dann hoffentlich für jeden etwas dabei sein."
Dass Walz diese Ankündigung auch einzulösen gedachte, wurde direkt in seinem Eröffnungsstück klar: John Cages "4′33″", ein Schlüsselwerk der Neuen Musik, das im Original vier Minuten und 33 Sekunden ohne einen einzigen Ton auskommt. Walz "spielte" das stille Lied nach eigener Aussage etwas schneller und war daher in knapp zwei Minuten durch. Das unvorbereitete Publikum zeigte sich dennoch irritiert und unterbrach mit nervösem Zwischenapplaus.
Was ist Kultur? Für manchen schon, sich die Hose anzuziehen, wenn es an der Türe klingelt
Dass in dem Begriff Kultur eine enorme Bandbreite steckt führte der Künstler den 170 Anwesenden in Karlstadts gut zur Hälfte gefülltem "heimlichen Wohnzimmer", wie Bürgermeister Hombach es nannte, damit beispielhaft vor Augen.
"Für den einen ist Kultur etwas mit mindestens 40 Streichern, wo man angestrengt lauscht. Wo in der Pause der Sekt-Orange 12 Euro kostet. Und wo sich das Erdkunde-Lehrerpärchen anschließend von der Garderobenfrau die zwei gleichen Jack-Wolfskin-Funktionsjacken geben lässt und sich auf dem Heimweg über die übertriebene Gestik des Dirigenten beim Diminuendo auslässt – und für den anderen ist Kultur, dass er sich eine Hose anzieht, wenn's an der Tür klingelt."
Das Publikum freute sich über Seitenhiebe auf eigene Unzulänglichkeiten
Das Gelächter des Publikums – zu einem großen Teil geladene Gäste aus Politik, Kultur und öffentlichem Leben – zeigte, dass beide Vorstellungen erheiterten. Vielleicht, weil sich dabei viele auch selbst angesprochen fühlten. Gleiches galt für die Musiknummer "Betreutes Feiern", die wahrscheinlich komischste der insgesamt neun Musiknummern des Abends, die Walz zum Besten gab. Dabei übertrug er den Begriff "betreutes Wohnen" auf den geselligen Abend mit Akteuren über 40. Mit Geschichten über Einwegüberschuhe, Gesellschaftsspiele und alle weiteren Klischees bringt Walz sein Publikum zum Lachen.
Wirbel durch kulturelle Spielformen als Einstimmung in die Kulturtage
Das trug ihren Lokalhelden von diesem Stück bis zur – vehement geforderten – Zugabe über das gespannte Verhältnis von Karlstadtern zu den auf der gegenüberliegenden Mainseite lebenden Karlburgern, mit Szenegelächter, viel Applaus und rhythmischem Mitklatschen durch den Abend.
Eine gelungene und von Walz, trotz bekannter Versatzstücke, fein auf den Einlass abgestimmte, Einstimmung in eine gute Woche "DenkMal an Kultur" in Karlstadt.