„Die Landung auf dem Mond hatte gerade stattgefunden, Flowerpower in Kalifornien, die 68er Revolte, sexuelle Erneuerung . . . Die Welt war im Umbruch – und wir Jugendlichen in Karlstadt wollten natürlich mit dabei sein“, formuliert es Franz Amrehn. Heute 57, blickt er zurück auf die Geschehnisse in Karlstadt in den 70er Jahren, als er 16 bis 20 Jahre alt war.
Wie sollte diese Erneuerung aussehen? „Anfänglich wurde protestiert, und zwar gegen fast alles, was in die Quere kam, die Gesellschaft, die Unterdrückung der Gefühle, das Establishment.“ Unterschlupf allerdings fanden die Jugendlichen Anfang der 70er Jahre gerade bei einer reichlich etablierten Einrichtung: der Kirche.
Die Heilige Familie als Treff
Im Jugendraum der Heiligen Familie traf man sich zuerst täglich. Dort im Omega-Club durften die angesagten Bands der damaligen Zeit gehört werden – die Doors, Jimi Hendrix oder Pink Floyd etwa. Und im Vorraum gab es eine Tischtennisplatte.
60 bis 70 Jugendliche gehörten zum Umfeld dieses Treffs, und das über Jahre hinweg. Amrehn sieht es so: „Wir waren eine riesige Clique“ – bestehend aus Jugendlichen von verschiedenen Schulen und Jahrgängen. Später war der Karschter Marktplatz ein wichtiger Anlaufpunkt. Dort saßen im Sommer jeden Abend mindestens 20 Jugendlichen aus dieser Clique beim „Café Mauer“ oder dem „Schwarzen Adler“.
Dass die Kirche den Jugendlichen einen Raum überließ, geschah nach Amrehns Vermutung nicht ganz ohne Hintergedanken. „Natürlich wollten sie uns in die christliche Richtung bringen. Uns hat das aber eigentlich genervt.“ Denn die Kirche sei für die Jugendlichen und ihre Bedürfnisse nicht der passende Platz gewesen. Beispielsweise war Sexualität noch ein völliges Tabu.
Doch was man als das Lebensgefühl der 68er bezeichnet, das war inzwischen auch in Karlstadt angekommen. Der heute 57-Jährige beschreibt, was die Jugendlichen damals in Karlstadt fühlten: „Es gab keinen modernen Umgang mit uns Jugendlichen, wir wollten neue Wege gehen, die der modernen Zeit angepasst waren und nicht der Kirche oder anderen etablierten Gruppierungen aus der Vergangenheit folgen.
Aus dem Protest wurde dann schnell „ein kreativer Denkansatz“, wie er es formuliert. Man war natürlich gegen Faschismus, dagegen, wie mit Ausländern umgegangen wurde – gerade waren die ersten Gastarbeiter in Karlstadt einquartiert worden – oder gegen Konservativismus im Allgemeinen. Zugleich wollte man sich positiv einbringen und so wurde ein Deutsch-türkisches Freundschaftsfest organisiert und die Jugendzentrumsbewegung ins Leben gerufen.
Franz Amrehn war einer, der in dieser Situation zum Macher wurde. Das begann mit Konzerten im Pfarrsaal zu Heiligen Familie. „Munju“, „Missus Beastly“ und die Gruppe „Triatma“ um den Saxofonisten Klaus Kreuzeder waren da, eine Band um Dieter Wittmann und einmal sogar „Embryo“. Diese Konzerte zu veranstalten nahm Amrehn auf seine Kappe – mit den damit verbundenen Kosten: Hier war es der Sprit fürs Plakatieren, da mal eine Strafe wegen wilden Plakatierens. Mit den Bands wurde ein prozentualer Anteil vereinbart, sodass das finanzielle Risiko begrenzt war. Auch sei von vorneherein sicher gewesen, dass der Saal brechend voll wird. Alleine die Clique und ihr Umfeld waren in der Lage ihn zu füllen.
Jugendzentrums-Gremium
Die Forderung nach einem unabhängigen Jugendzentrum wurde konkreter: Bei einer Versammlung im Pfarrsaal der Heiligen Familie wählten die Jugendlichen ein Gremium, das diesen Traum voranzutreiben versuchte. Franz Amrehn wurde Vorsitzender.
Zu der Zeit zog er als etwa 20-Jähriger zu Hause aus und mietete zusammen mit Horst Taupp-Meisner und Jürgen Hnilitschka die „Farm“ im Hirschfeld. Einen Sommer lang wurde das Haus zu einer Art Ersatz-Jugendzentrum.
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre dann zog es ihn gen Würzburg. „In Karlstadt hattest du das Gefühl, du verpasst was.“ Doch auch in Würzburg habe es für Jugendliche keinen richtigen Treffpunkt gegeben. Also gründete er zusammen mit dem Karlstadter Willi Wittmann und mit Conny von der Bussche aus Würzburg den „Holzwurm“, eine Musikkneipe auf der Keesburg. Das Bier war preisgünstig. Bands wurden engagiert. Doch 1980 wurde das Lokal Opfer eines Kabelbrands.
Mit reichlich Erfahrung, aber weiterhin auf der Suche nach Selbstverwirklichung gründete Franz Amrehn 1981 den „Zauberberg“. Aber da sind wir schon in den 80er Jahren . . .
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