Linsen, Kichererbsen und Kidneybohnen: Hülsenfrüchte sind beliebt. Vor allem Veganer und Vegetarier greifen gerne zu, denn sie haben einen hohen Gehalt an Eiweiß, sind reich an Vitaminen und Folsäure. Angebaut werden sie überwiegend in Afrika, Amerika, Indien oder China. Und, was die wenigsten wissen: in Billingshausen im Landkreis Main-Spessart.
"Meine Schwester ist Veganerin. Das hat uns eigentlich auf die Idee gebracht", erzählt Lorenz Köhler. Der 27-Jährige sitzt zusammen mit seinem Geschäftskollegen und Freund Thomas Klopf, ebenfalls 27, in der Küche des landwirtschaftlichen Betriebes der Familie Köhler in Billingshausen. Vor ihnen steht ein Teil ihrer Produktpalette in Tüten und Schälchen: Kichererbsen, Leinsamen, geschliffener Dinkel und Kidneybohnen. Ausschlaggebender Gedanke für die beiden Landwirte, den Anbau zu wagen, war: Wo kommen diese Nahrungsmittel eigentlich her?
"Meine Oma hat Linsen und Leinsamen noch selbst angebaut. Heute kommt so etwas aus Übersee", erzählt Lorenz Köhler. Er diskutierte das Thema mit seinem Freund und Kollegen Thomas Klopf aus Waldbüttelbrunn. Zu diesem Zeitpunkt machten beide eine Weiterbildung zum Maschinenbautechniker. Beide stammen aus Familien, in denen Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben wird. Beide Betriebe sind Bio zertifiziert.
Das war 2015. Rund fünf Jahre später ist aus den Gedankenspielen eine Firma geworden: "KornCorner" mit Sitz in Billingshausen. Das Besondere an ihrem Portfolio: Neben klassischen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel und Roggen bietet der Betrieb Spezialkulturen wie Kichererbsen, Leinsaat, Kidneybohnen, Amaranth oder Quinoa aus dem eigenen Anbau.
"Wir haben erst einmal mit kleineren Tests auf rund 100 Quadratmetern angefangen: Was funktioniert überhaupt? Was gedeiht bei uns? Was wird reif und was nicht?", erzählt Lorenz Köhler. Und: Wie sehen die Pflanzen überhaupt aus? Sie starteten mit Gewürzkräutern wie Koriander und Schwarzkümmel. Bei den Hülsenfrüchten wie zum Beispiel bei der Kichererbse hätten sie erst einmal an Saatgut kommen müssen. "Ich habe 75 Firmen europaweit abtelefoniert, bis ich welches bekommen habe", so Köhler.
Ungewollte Überraschungen: Leere Hülsen bei der Kichererbse
Auch im Anbau gab es ungewollte Überraschungen: Nachdem bei der Kichererbse im ersten Jahr bereits Früchte geerntet wurden, blieben die Hülsen im zweiten Jahr leer. Auch der Anbau der Kidneybohne brauchte. Die zwei extrem trockenen, vergangenen Jahre wirkten sich zudem ungünstig aus. Bei der Linse zeigte sich allerdings: Sie trägt eher auf trockenen, mageren Böden gute Früchte. "Im ersten Jahr haben wir noch keinen Gewinn gemacht, sondern nur die Grundstruktur aufgebaut", so Thomas Klopf.
Das war nur realisierbar, weil die landwirtschaftlichen Betriebe der beiden als wirtschaftliche Standbeine Rückendeckung boten. "Du brauchst eine Basis, die trägt und für die Abnehmer da sind", so Köhler. Im Billingshausener Betrieb bei der Familie Köhler ist das der Vertrieb von Zuckerrüben, Melonen, Kürbissen oder Knoblauch.
Herausfordernd gestaltete sich auch die Weiterverarbeitung der Sorten: Denn das, was vom Feld kommt, muss gewaschen, gereinigt, teilweise geschält werden, bis es für den Verbraucher verpackt werden kann. "Es gibt nur eine Handvoll Firmen in Bayern, die Produkte speisefertig aufbereiten", so Klopf. Für sie kam erschwerend hinzu: Die Betriebe mussten auch kleine Mengen annehmen und Bio zertifiziert sein. Normal ist eine Anlieferungsmenge von einer Lkw-Ladung. Bei "KornCorner" sind es derzeit Mengen von 500 bis 1000 Kilogramm. Mittlerweile haben sie für fast alle weiterverarbeitenden Prozesse Firmen gefunden – nur für die Herstellung von Haferflocken suchen sie noch einen Betrieb, der Hafer schälen kann.
Neben den Spezialkulturen versuchen sich Köhler und Klopf auch bei den gängigen Getreidesorten abzuheben. Beim Dinkel setzen sie auf die alte Sorte Oberkulmer Rotkorn. Zudem bieten sie den Dinkel in geschliffener Form an. "Bei dem bleibt nach der Bearbeitung nur der Mehlkörper übrig", erklärt Köhler. So werde das Korn schneller gar und könne beispielsweise als Reisersatz verwendet werden.
Gedacht: Die Sache müsste ein Selbstläufer sei
Was in Billingshausen angebaut wird, hat sich bereits herumgesprochen. Die Bevölkerung sei sehr interessiert. Sie hätten sogar schon einmal eine kleine Führung gemacht und die verschiedenen Feldfrüchte gezeigt. "Ursprünglich haben wir gedacht, wir machen einen reinen Online-Handel", so Klopf. Die Website gibt es seit zwei Jahren, der Online-Shop steht in den Startlöchern. Allerdings habe sich alles verschoben, denn im Hauptgeschäft beliefern sie derzeit überwiegend Naturkostläden. Rund 15 Geschäftskunden versorgen sie deutschlandweit. Dabei sind sie in der Region unterwegs, fahren aber auch bis Stuttgart und an die österreichische Grenze.
Doch die Akquise ist mühselig. "Wir hatten eigentlich gedacht, die Sache müsste ein Selbstläufer sein", erzählt Köhler. Schließlich sei ihr Angebot einzigartig: regionale Ware in Bioland-Qualität. Preislich lägen sie ein bisschen höher als im Handel, im oberen Niveau. Aber das sei den Entstehungskosten geschuldet: Der Anbau, die kleinen Gebinde, die händische Verpackung. Vor allem erschreckt hat sie bei der Akquise die Erfahrung: Je mehr mit den Schlagworten "Regional" und "Bio" geworben werde, umso weniger werde es gelebt. Ihr Wunsch: Möglichst nah am Kunden sein, Beziehungen schaffen und unabhängig sein. "Leider erreicht den Verbraucher oft nicht, wer das Produkt anbietet. Das braucht viel Pflege", so Klopf.
Anstrengungen der letzten Jahre zahlen sich aus
Mittlerweile sei aber ein guter Zug drin im "KornCorner" – nachdem die beiden Landwirte auch den ein oder anderen Tiefschlag verkraften mussten. Die Anstrengungen der letztes Jahre zahlten sich aus. Zudem haben sie eine Teilzeitkraft zum Verpacken eingestellt. Schließlich wird jede Tüte einzeln abgefüllt und mit einem Etikett beklebt. Das haben sie bisher – sozusagen im Feierabend –alles selbst gemacht.