"Ich habe den Unfallschaden gar nicht sehen können", sagte ein 80-jähriger Rentner aus dem Sinngrund vor dem Amtsgericht Gemünden. Anfang April 2023 war er mit seinem Auto auf das Heck eines Mercedes aufgefahren. Allenfalls sei eine Zierleiste etwas beschädigt gewesen, später habe er mit dem Vater des Unfallgegners ausgemacht, dass der sich drum kümmern werde. Letztlich gab es aber eine Anzeige bei der Polizei und die Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden von 1476 Euro am Mercedes.
Drei Wochen später gab der Mann bei seinem Anwalt eine eidesstattliche Erklärung ab, auf seine Fahrerlaubnis verzichten zu wollen. Zuvor hatte er beim TÜV ein Fahreignungsgutachten nicht bestanden. Zwei Tage später erwischte ihn die Polizei in Burgsinn hinterm Lenkrad. Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Fahrens ohne Fahrerlaubnis, dem der Angeklagte beschränkt auf die Rechtsfolgen widersprach.
Fahrverbot betrifft auch elektrischen Rollstuhl
In der Verhandlung ging es also eigentlich nur noch um die Höhe der Geldstrafe sowie um das Fahrverbot von zwei Monaten, das auch für den elektrischen Rollstuhl des Mannes galt. Denn der beschränkte Einspruch kommt einem Geständnis gleich. Dennoch erzählte der 80-Jährige vieles aus seinem Leben bis zurück zu seiner Zeit bei der Bundeswehr. Da habe es den Befehl gegeben, bei so kleinen Schäden nicht die Polizei zu rufen, das habe die Bundeswehr selbst geregelt. Er habe auch jetzt nur einen Bagatellschaden gesehen. Am Unfallort habe man sich geeinigt, weiterzufahren, da die Verkehrssicherheit gegeben war.
Zur Begutachtung beim TÜV erzählte er, die Psychologin habe ihm ein Blatt mit Zahlen gegeben, die er zuordnen sollte. Das habe ihn genervt, weil er solche Tests schon oft gemacht habe. Das sei ein Witz, im Zivilberuf bei der Bahn habe er sich in meterlangen Stromlaufplänen der E-Locks zurechtgefunden.
Zu dem E-Rollstuhl erklärte der Senior, er sei stark gehbehindert. Ohne den motorisierten Rollstuhl komme er nicht mal zum Bäcker, geschweige denn zum einen Kilometer entfernten Supermarkt. Weil das Gefährt 15 Kilometer je Stunde schafft, ist es aber vom Fahrverbot betroffen.
Richterin spart Rollstuhl vom Fahrverbot aus
Im Bundeszentralregister ist vom Angeklagten eine Vorstrafe wegen Jadgwilderei vermerkt, im Fahreignungsregister gibt es Einträge wegen gefährlichen Überholens und ungenügender Ladungssicherung. Richterin Maryam Neumann erinnerte ihn zudem an ein von ihr vorläufiges eingestelltes Verfahren, bei dem er noch nichts von den 1000 Euro Geldauflage bezahlte und die verlängerte Frist im Januar abläuft. Es kamen auch die desolaten finanziellen Verhältnisse des Rentners zur Sprache, die auf Unterhalt für seine Frau, teure Medikamente und Schulden zurückzuführen sind.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft plädierte auf eine Gesamtstrafe von 45 Tagessätzen, weil der Mann alles zugab und inzwischen sein Auto verschenkte. Der Pflichtverteidiger sprach bei der Unfallflucht von einem unvermeidlichen Rechtsirrtum aus Sicht seiner Mandanten und schlug eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen vor.
Richterin Maryam Neumann blieb mit 40 Tagessätzen zu 20 Euro und einem Fahrverbot von zwei Monaten mit Ausnahme des Elektro-Rollstuhls näher am Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Der Pflichtverteidiger riet dem Rentner, es zu akzeptieren. Gegenüber dem Strafbefehl falle die Geldstrafe 2200 Euro niedriger aus und es gibt die wichtige Ausnahme beim Fahrverbot.