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Frammersbach
"Unerträglich, wie Iran gegen Menschen vorgeht": Biologie-Professor gibt Wissenschaftspreis zurück
Der emeritierte Biologie-Professor Burkhard Büdel aus Frammersbach gibt einen renommierten Wissenschaftspreis  aus dem Iran aufgrund der dortigen Entwicklung zurück.
Foto: Victoria Schwab | Der emeritierte Biologie-Professor Burkhard Büdel aus Frammersbach gibt einen renommierten Wissenschaftspreis aus dem Iran aufgrund der dortigen Entwicklung zurück.
Matthias Schwind
 |  aktualisiert: 12.11.2022 02:40 Uhr

Biologie-Professor Emeritus Burkhard Büdel aus Frammersbach wird den renommierten Forschungspreis Khwarizmi International Award, der vom Präsidenten des Iran verliehen wird, zurückgeben. Der 69-Jährige hatte ihn im Februar 2018 erhalten. Im Gespräch mit unserer Redaktion nennt Büdel die Hintergründe.

Herr Büdel, der Khwarizmi-Preis, benannt nach einem Bagdader Universalgelehrten aus dem 9. Jahrhundert, wird an prominenteste Wissenschaftler aus der ganzen Welt verliehen, wie im Internet nachzulesen ist. Warum geben Sie diesen so wichtigen Forscherpreis zurück?

Burkhard Büdel: Hintergrund ist die aktuelle politische Situation im Iran. Als Wissenschaftler bin ich nicht damit einverstanden, dass Universitäts-Angehörige, Lehrende, Forschende und Studierende, an der freien Meinungsäußerung gehindert und sogar misshandelt werden. Eine Universität ist seit eh und je der Hort der freien Rede – oder sollte es zumindest sein. Es ist unerträglich, wie der Iran gegen Menschen vorgeht. Ich möchte keinen Preis von einem Staat, der wissentlich Freiheiten missachtet. Das ist übrigens keine Geringschätzung meiner iranischen Kollegen: Das sind sehr gute Wissenschaftler.

Nun könnte man sagen: Als Sie im Jahr 2018 den Preis angenommen haben, war der Iran ja auch nicht gerade ein demokratisches Musterland.

Büdel: Ja. Aber der wissenschaftliche Austausch, das Reisen und Forschen – all das war damals mit dem Iran weltweit möglich. Besuch und Gegenbesuch von Wissenschaftlern. Das ist heutzutage nicht mehr der Fall. Und darum geht es mir.

Sie haben viele Preise und Anerkennungen für Ihre Forschungen erhalten. Wie haben Sie – bislang – den Khwarizmi-Preis aus dem Iran eingeordnet?

Büdel: Sehr hoch. Iranische Wissenschaftler, Biologen und Geografen, diese werden mit dem Begriff Erdsystemwissenschaftler zusammengefasst, haben mich für diesen Preis vorgeschlagen. Und die iranischen Kollegen sind nicht irgendwer. Sie sind international anerkannt. Nur zwei Beispiele: Geowissenschaftler der Universität Würzburg hatten jahrelang einen intensiven Austausch mit der Universität in Teheran. Das gilt auch für Biologen des Senckenberg-Instituts in Frankfurt. Das ist alles vorbei.

Wofür haben Sie den Khwarizmi-Preis erhalten?

Büdel: Für meine Forschung in Trockengebieten weltweit. Ich habe hierfür alle Kontinente bereist, inklusive der Antarktis. In nahezu allen Wüsten habe ich geforscht.

Worum ging es dabei?

Büdel: Um Mikroorganismen wie Blaualgen, Flechten und Moose. Es geht bei dieser Forschung generell um das Vorkommen dieser Mikroorganismen und um deren Anpassung an extreme Lebensbedingungen, zum Beispiel in einer Wüste. Flechten, Algen und Moose: Hierzu habe ich mein ganzes Berufsleben geforscht und mehr als 40 neue Arten für die Wissenschaft entdeckt. Vor vier Wochen habe ich zusammen mit zwei Kollegen ein Lehrbuch, das Anfang Mai 2023 international bei Springer-Nature, Heidelberg, erscheinen wird, beim Verlag abgegeben. Titel: Biologie der Algen, Flechten und Moose.

Inwiefern spielt der Iran bei ihrer weltweiten Wissenschaftsarbeit eine Rolle?

Büdel: Im Iran selbst habe ich nicht geforscht. Iranische Kollegen haben mir aber Proben von Mikroorganismen geschickt, die ich an meinem Lehrstuhl an der Technischen Hochschule Kaiserslautern analysiert habe. So kannten mich iranische Wissenschaftler, die mich für den Preis vorgeschlagen haben, durch solche Proben und natürlich auch durch Tagungen.

Wie ist die Preisverleihung 2018 im Iran abgelaufen?

Büdel: Ich war nicht dort.

Warum?

Büdel: Ich hatte zu dieser Zeit einen Forschungsauftrag in Brasilien, 300 Kilometer westlich von Recife. Dort ging es um ein Trockengebiet und seine Ökosysteme – eine Million Quadratkilometer groß, drei Mal so groß wie Deutschland. Die Expedition nach Brasilien war natürlich reizvoller als die Preisverleihung im Iran. Ein Kollege vom Senckenberg-Institut war in Teheran und hat mir die Preisurkunde mitgebracht.

Den Khwarizmi-Preis überreicht der iranische Staatspräsident persönlich – das zeigt sicher auch die Bedeutung dieser Auszeichnung.

Büdel: Ja. Aber die Einladung zur Preisverleihung hat mir schon missfallen. Da wurde vorgeschrieben, was man zu sagen hat. Die Preisträger sollten ihre Reden mit "In the name of god" beginnen. "Im Namen Gottes." "Allah" hätte ich nicht sagen müssen. Das wurde einem erspart. Ich hätte mit meiner Frau hinfliegen können – auf Kosten des iranischen Staats. Dann hätte es repräsentative Reisen gegeben. Ich hätte aber keine Möglichkeit zur Forschung in den Wüsten des Irans gehabt. Proben von dort wären mir wichtig gewesen. Unter welchen Bedingungen betreiben Mikroorganismen in den iranischen Wüsten Photosynthese? Darum wäre es mir gegangen. Vor diesem Hintergrund habe ich die Forschungsreise nach Brasilien, eine einmalige Gelegenheit, vorgezogen.

Vor uns hier auf dem Tisch liegt die Preis-Urkunde. Was machen Sie jetzt damit?

Büdel: Ich werde sie an den iranischen Botschafter nach Berlin schicken.

 
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