Einen in der Region kaum bekannten Schatz beherbergt die Lohrer Forstschule: Ihre Bibliothek stellt durch Architektur und Ausstattung ein bedeutendes Kleinod dar. Anlässlich des Tags der Bibliotheken, der am 24. Oktober zum 20. Mal stattfindet, lohnt es sich, den Blick auch auf die kleineren, kaum bekannten Einrichtungen der etwa 10 000 deutschen Bibliotheken zu richten.
Nach telefonischer Anmeldung im Sekretariat kann die Bibliothek, die sich im ersten Obergeschoss befindet, von Interessierten besichtigt werden. Alleine schon die Raumform überrascht: Über einem lang gestrecktem Grundriss von 14 auf vier Metern erhebt sich die zweigeschossige Gliederung mit umlaufender Galerie. Sie erstreckt sich über die gesamte, durchgehende Gebäudeachse. Während die Längsseiten komplett von hohen Bücherregalen eingenommen werden, sorgen zwei Fenster auf den Schmalseiten für ausreichend Lichteinfall. Eine steile Treppe, die nur zur Wand hin einen Handlauf besitzt, führt zur Galerie im Obergeschoss. „Wer Bücher von oben braucht, muss mir Bescheid sagen“, schmunzelt Erika Heimbach, Sekretärin und Verwalterin der Bibliothek.
Nur sie darf die schmale Treppe benutzen – aus denkmalpflegerischen Gründen darf kein zweiter Handlauf angebracht werden.
Ein weiteres Schmuckstück der Bibliothek ist die hohe, in die Wandverkleidung eingelassene Standuhr, die dezent mit barocken Elementen versehen ist. Der insgesamt sehr schlicht gestaltete Raum ist, wie das gesamte Gebäude, der „Heimatschutzarchitektur“ zuzuordnen, einem Baustil der architektonischen Moderne, der 1904 erstmals beschrieben wurde und bis 1945 seine Blüte hatte. Ziel des Heimatschutzstils war die Weiterentwicklung des Historismus mit traditionellen, regionaltypischen Bauformen und Verwendung ortsüblicher Baumaterialien. So besteht die Ausstattung des Raumes komplett aus heimischen Rohstoffen, erklärt Christof Welzenbach, stellvertrender Schulleiter: „Verwendet wurden ausschließlich Eiche, Buche und Lärche aus dem Spessart. Auf heimische Materialien wurde beim Bau der Schule größter Wert gelegt.“
Auch die Bestände der Bibliothek sind hochinteressant. „Wir befinden uns hier in einer historisch gewachsenen Fachbibliothek,“ erklärt Welzenbach. Etwa 10 000 Bücher befinden sich hier, das älteste von 1631, die „Geheimen und gar raren Jäger-Künste“ von Johann Täntzer. Ständig wird der Bestand durch Neuanschaffungen aktualisiert. Geordnet sind die Bücher nach verschiedenen Themengebieten wie Forstwirtschaft, Waldbau und Waldschutz, Forstnutzung und Arbeitslehre, Forstpolitik und -geschichte, Jagd und Naturwissenschaften. Auch Recht, Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Verwaltungskunde und sogar forstliche Unterhaltungsliteratur haben ihren Platz in den hohen Regalen. Erika Heimbach, Sekretärin der Forstschule, verwaltet und pflegt den Buchbestand.
Eine gute Basis hat sie durch die Neukatalogisierung des ehemaligen Schulleiters Andreas Rambach, denn die Bibliothek hat inzwischen ein 128-jähriges, wechselvolles Schicksal. Von der ersten Forstschule am Schlossplatz (1888) zog die Bibliothek zunächst in die Präparandenschule beim Krankenhaus und dann in den Neubau am Sommerberg (1937) mit um.
Unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges litt auch die Bibliothek der Forstschule, die bereits 1939 wieder geschlossen werden musste. Die Räumlichkeiten wurden als Kinderheim, Lazarett und Büro genutzt. Dadurch wurden viele Schäden und Verluste an Büchern und Einrichtung verursacht.
Als die Schule 1946 wieder von der Militärregierung übernommen werden konnte, hatte der amerikanische Stadtkommandant von Lohr, Captain Edward E. Kelly versucht, die Schäden des zweiten Weltkrieges durch die Bereitstellung englischer Fachliteratur etwas zu mildern. Er hatte den Grundstein für den Wiederaufbau des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Lohr nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt.
In den folgenden Jahrzehnten bekam Lohr von Waldbauschulen, die wieder geschlossen wurden, große Teile von deren Beständen, was erheblich zum Wachstum des Bücherschatzes beitrug und in vieler Hinsicht bereicherte. Auch Veränderungen in der Ausbildung beeinflussten die Zusammensetzung der Literatur. „Am Anfang gab es noch viel allgemeinbildende Literatur“, schildert Erika Heimbach. Das hat sich verändert, seit ein Realschulabschluss für die Weiterbildung an der Forstschule vorausgesetzt wird.
Der Schwerpunkt verlagerte sich endgültig zur Fachliteratur, nicht mehr benötigte Bücher gingen an die Schulbibliothek des Franz-Ludwig-von-Erthal Gymnasiums. Zahlreiche antiquarische Folianten und Enzyklopädien lassen sich beim Durchsehen der hohen Regale entdecken, einstige Standardwerke, die auch heute noch wertvolle Einblicke bieten. Ebenbürtig vertreten ist die Literatur zu aktuellen Themen: Waldschutz, Pädagogik, Umweltschutz, Ökonomie – in diesen Bereichen gibt es viele Neuerungen, die sich auch in den Bucherscheinungen niederschlagen. „Schüler und Dozenten nutzen die Bücherei gleichermaßen. Für Referate und größere Arbeiten kann man hier gut recherchieren,“ berichtet Karin Heimbach, denn bei einer Präsenzbibliothek sind Ausleihen die Ausnahme.
Wer die Bibliothek besichtigen möchte, kann sich zu den Schulzeiten unter Tel. (0 93 52) 87230 anmelden.