Der Umzug ist abgeschlossen, doch die Phase des Ankommens wird noch eine Weile andauern: Die Mainfränkischen Werkstätten haben nach rund eineinhalbjähriger Bauzeit ihr neues Betriebsgebäude im Neuendorfer Ortsteil Nantenbach bezogen. Es ersetzt den bisherigen Standort an der Gemündener Gartenstraße. Eine Sanierung des dortigen maroden Gebäudes wäre nicht wirtschaftlich gewesen. Schon seit einigen Wochen arbeiten in dem für rund 12,5 Millionen Euro errichteten Komplex am Nantenbacher Ortsrand 120 Menschen mit Behinderung in Schreinerei, Metallwerkstatt, Montage, Packerei und Versand. In der in das Gebäude integrierten Tagesförderstätte für schwerstbehinderte Menschen sind zwölf der 18 Plätze besetzt.
Für viele der oft stark an festen Abläufen und Strukturen hängenden Menschen mit Behinderung sei der Umzug ein einschneidendes Erlebnis gewesen, sagt Jennifer Schmitt. Die 34-Jährige leitet seit 2017 die auf die Standorte Wernfeld, Marktheidenfeld und nun Nantenbach verteilten Werkstätten der Mainfränkischen im Landkreis. Für den Neubau hatte die gelernte Zimmererin und Bautechnikerin mit sonderpädagogischer Zusatzausbildung die Projektleitung.
Neues Gebäude Stück für Stück in Betrieb genommen
"Wir kommen so langsam an", sagt Schmitt über die Entwicklung seit dem Umzug. Dieser erfolgte mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen nicht in einer Hauruck-Aktion, sondern erstreckte sich im laufenden Betrieb über acht Wochen. Stück für Stück, Werkhalle für Werkhalle habe man das neue Gebäude behutsam in Betrieb genommen, um den Mitarbeitenden genug Zeit zur Eingewöhnung zu geben.
Anstrengend sei diese Phase gewesen, sagt Patrick Peter. Der 31-Jährige ist einer von drei Werkstattsprechern, in der Funktion vergleichbar mit einem Betriebsrat. Manche, so sagt der Vertreter der Menschen mit Behinderung, hätten nach wie vor Schwierigkeiten, mit dem neuen Gebäude und geänderten Abläufen vertraut zu werden.
170 Beschäftigte am Standort Nantenbach
Er selbst sei jedoch froh über den Umzug in das neue, moderne und lichtdurchflutete Gebäude. Werkstattleiterin Schmitt spricht jedoch auch von den Schwierigkeiten, die manche Mitarbeitenden auch Wochen nach dem Umzug im neuen Gebäude hätten, beispielsweise beim Finden der Toiletten. Es brauche einfach Zeit.
Am neuen Standort arbeiten neben 120 Menschen mit Behinderung noch 50 Angestellte, zehn davon im Büro, der Rest etwa als Anleiter in der Produktion. Die Mainfränkischen erledigen mit ihren Werkstätten Auftragsarbeiten beispielsweise für Industriebetriebe wie Bosch Rexroth in Lohr, Cummins in Marktheidenfeld oder auch ein Münchner Unternehmen, das Platinen (Leiterplatten) für Handys herstellt.
Werkstattleiterin: "Wir sind gut ausgelastet"
Daneben, so erklärt Werkstattleiterin Schmitt, arbeite man auch mit etlichen kleineren Firmen und Start-ups zusammen, jüngst beispielsweise bei der Montage von Teilen für Wasserpfeifen. Die Palette reicht von Montagetätigkeiten über das Kommissionieren und Verpacken von Artikeln bis hin zum Fertigen von ansprechenden Holzkisten für Weinflaschen in der eigenen Schreinerei. "Wir sind gut ausgelastet", sagt Werkstattleiterin Schmitt.
Der Neubau in Nantenbach umfasst neben dem Verwaltungstrakt und der darauf aufgesattelten Tagespflege im Kern zwei um Sozialräume gruppierte Montagehallen sowie eine Schreinerei. Deutlich größer als in Gemünden ist die Lager- und Versandhalle. Eine Kantine, ein Aufenthalts- und ein auch für Sportangebote genutzter Mehrzweckraum komplettieren den Komplex.
Von Wombach bis nach Karsbach und in den Sinngrund
Die Menschen mit Behinderung, die darin arbeiten, kommen aus einem Umkreis, der sich etwa vom Lohrer Stadtteil Wombach bis nach Karsbach und in den Sinngrund erstreckt, teils mit Kleinbussen der Johanniter, teils mit Linienbussen. Die Altersspanne reicht von 18 bis 70. Manche, so erklärt Anja Gropp, Pressesprecherin der Mainfränkischen Werkstätten, arbeiteten schon seit Jahrzehnten in dem Betrieb. Für viele sei die dortige Beschäftigung Lebensmittelpunkt, erklärt Schmitt, weswegen manche der Menschen mit Behinderungen auch noch dann in die Werkstätten kommen, wenn ihnen eigentlich schon längst Rente zustehe.
Noch vor einigen Jahren hätten in dem Betrieb 140 Menschen mit Behinderung Beschäftigung gefunden. Doch zuletzt sei die Zahl spürbar gesunken. Dafür gibt es laut Schmitt zwei Gründe. "Klassische Behinderungen sind eher rückläufig", nennt Schmitt einen Grund, der auf die zunehmende Pränataldiagnostik zurückzuführen sei.
Für pflegebedürftige Menschen mit Behinderung nicht genug Wohnplätze in Main-Spessart
Zum anderen gebe es im Landkreis Main-Spessart das große Problem, dass es an Wohnplätzen fehle. Auch Menschen mit Behinderung würden immer älter und daher pflegebedürftiger. Für sie gebe es in Main-Spessart nicht genug Wohnplätze.
Die Folge sei, dass etliche aus dieser Personengruppe zuletzt in Regionen mit besserer Wohnraumversorgung abgewandert seien, so Schmitt, etwa in die Landkreise Würzburg und Schweinfurt oder das angrenzende Hessen. Für die Betroffenen sei das fehlende Wohnplatzangebot "ein ganz großes Problem", sagt Schmitt.
Eine Lösung sei nicht absehbar. Zwar habe es zuletzt wiederholt Überlegungen gegeben, jedoch seien entsprechende Wohnbauprojekte auch an den hohen Baukosten gescheitert. Das gilt beispielsweise auch für das Areal der ehemaligen Betriebsstätte in Gemünden. Nachdem dort wohl kein Wohnbauprojekt in Sicht sei, sei der Verkauf des Geländes eine Option, so Schmitt.
Bürgermeister: Nur positiv
Mit dem neuen Standort in Neuendorf sei man rundum zufrieden. Die Gemeinde, allen voran Bürgermeister Karlheinz Albert, habe sich aktiv um die Ansiedlung bemüht. Der erklärt dieses Engagement damit, dass die Einrichtung die örtliche Infrastruktur sichere und stärke, angefangen von Kostenbeiträgen zur Trinkwasser- und Abwasserentsorgung bis hin zur besseren Auslastung und somit Sicherung der Busverbindungen.
Auch könnten mittelfristig Menschen aus dem Ort Arbeitsplätze bei dem Mainfränkischen Werkstätten finden oder sich deren Mitarbeiter im Ort ansiedeln, erklärt Albert und sagt: "Ich sehe das für die Gemeinde nur positiv."
Man muss sich wahrlich Sorgen machen, ob wir in Gemünden nochmal die Kurve kriegen?!