
Bedingungslos 1200 Euro mehr im Monat – eine vielversprechende Vorstellung, deren Auswirkung auf das individuelle Befinden das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Unterstützung des Vereins "Mein Grundeinkommen" in einer Langzeitstudie erforschen möchte. Bis Mitte November läuft die Bewerbungsphase, an deren Ende 120 Studienteilnehmern ein "bedingungsloses Grundeinkommen" über einen Zeitraum von drei Jahren zugelost wird.
Ob sich unter den mittlerweile fast zwei Millionen Bewerbern auch Lohrer befinden und wie die Menschen aus der Region generell zu dem Thema stehen, wollten wir einmal mehr von den Lohrer Marktbesuchern wissen.
Entwertung der Arbeit?
"Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber ich finde, dass das vielleicht auch die Arbeit entwertet", äußert die junge Mutter Corinna ihre Bedenken gegenüber dem vermeintlichen Geldsegen. Hinzu käme auch die Gefahr, manch einem komplett die Motivation zur Arbeit zu nehmen. "Man sollte eher dafür sorgen, dass diejenigen, die wichtige Tätigkeiten ausführen, auch entsprechend entlohnt werden, beispielsweise Pfleger und Erzieher", spielt sie auf die bereits wieder abebbende Debatte über die gerechte Entlohnung systemrelevanter Berufe an.
Eine Kerbe, in die auch der Lohrer Björn Heim schlägt und im Falle eines allgemeinen bedingungslosen Grundeinkommens für diese Berufsgruppen Steuererleichterungen fordert. Persönlich könnte er sich mit einer solchen Grundsicherung durchaus vorstellen, einen sozialen Beruf zu ergreifen oder "was mit Tieren zu machen". Wichtige Aufgaben, mit denen er jedoch seinen aktuellen Lebensstandard nicht halten könne.
Ihren jetzigen Job angesichts eines bedingungslosen Grundeinkommens zu kündigen, käme für die Heigenbrückenerin Selma (42) nicht infrage. "Wir haben ja ein ganz anderes Einkommensniveau und ganz andere Bedürfnisse. Ich möchte mein Lebensniveau nicht senken." Berechtigt, ein solches Grundeinkommen zu beziehen, solle zudem nur sein, wer es auch verdiene. "Vor allen Dingen die, die arbeiten und nicht den Mindestlohn bekommen."
Bedingung: Integration
Weiterhin habe sie nichts gegen Flüchtlinge "und die, die’s verdient haben, die sollen auch unterstützt werden. Aber wenn einer faul ist und sich nicht integriert, dann soll er's nicht bekommen." Zu großen Verschiebungen innerhalb der Gesellschaft würde es durch Einführung eines Grundeinkommens ihrer Meinung nach nicht kommen: "Ich denke, es würde bleiben, wie es jetzt schon ist. Die, die nicht wollen, wollen damit dann genauso wenig, und die, die Bock haben zu arbeiten, die werden’s auch weiterhin tun."
Weit positivere Auswirkungen prognostiziert Studentin Andrea Jung, die sich wie ihr Freund Johannes Balzer für die Studie angemeldet hat: "Ich glaube, es würde dazu führen, dass weniger Leute Sachen machen, die sie letztlich in den Burn-out treiben oder wo sie einfach unglücklich sind. Was wiederum dazu führen würde, dass die Sachen, die gemacht werden, in einer höheren Qualität geschehen, weil’s halt Leute machen, die irgendeinen Sinn dahinter sehen." Sie verspreche sich dadurch ein weit entspannteres Lebensgefühl und ein Abkommen vom aufreibenden Leistungsdenken, das sie bei vielen ihrer Kommilitonen feststelle.
Nicht stimmberechtigt fühlten sich die angesprochenen Rentner, die das bedingungslose Grundeinkommen eher als "Thema für die Jugend" sehen. Tourist Edwin Fischer aus Altenkirchen merkte lediglich an, dass es schon mindestens 1600 Euro bedürfe, um ohne weitere Sozialleistungen über die Runden zu kommen.