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Überholt trotz Gegenverkehrs: Fahrer mangels Beweisen freigesprochen
Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:13 Uhr

Rücksichtslos und gefährlich überholt hat vor knapp einem Jahr der Fahrer eines Wohnmobils auf der Bundesstraße zwischen Himmelstadt und Karlstadt, Sach- und Personenschaden inklusive. „Ich war das nicht, und wo ist überhaupt das Wohnmobil“, sagte dazu ein deshalb vor dem Amtsgericht Gemünden angeklagter 54-jähriger Rentner aus dem Raum Karlstadt. Mangels eindeutiger Beweise trotz fünf angehörter Zeugen stellte Richterin Kristina Dürr das Verfahren schließlich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ohne Auflagen ein.

In die Leitplanke gezwungen

Unfallzeitpunkt war der 22. Juni 2017 kurz vor 11 Uhr. Da scherte ein hinter einem Kipp-Laster fahrendes Wohnmobil auf die Gegenfahrbahn aus und der Fahrer setzte den Überholvorgang trotz Gegenverkehrs fort. „Ich wählte den Weg in die Leitplanke“, erinnerte sich das Unfallopfer. Trotzdem gab es einen seitlichen Zusammenstoß bei dem der Außenspiegel des Autos abgerissen und mit soviel Gewalt gegen die Seitenscheibe geschleudert wurde, dass diese splitternd zerbrach und der Fahrer Schnittverletzungen im Gesicht erlitt.

Dazu kamen 15 600 Euro Sachschaden am BMW-Kombi, was einen wirtschaftlich Totalschaden bedeutete. Laut dem Polizisten, der den Unfall damals aufnahm, war das Fahrzeug an beiden Seiten sichtbar beschädigt. „Zum Glück war das Auto noch Vollkasko versichert, aber mein Schadensfreiheitsrabatt ist weg“ sagte der Geschädigte.

Dreist aus dem Staub gemacht

Besonders dreist: Der Fahrer des Wohnmobils hielt damals an. Ein junger Mann, der hinter ihm hergefahren war, sprach sogar noch mit ihm. Doch als er sein eigenes Auto von der Straße fuhr, machte sich der Unfallverursacher einfach aus dem Staub. Ein dritter Autofahrer, der hinter dem BMW-Kombi hergefahren war und sich schon als weiteres Unfallopfer gesehen hatte, machte sich sogar noch an die Verfolgung, allerdings erfolglos.

Letztlich basierte sie Anklage auf der Aussage des jungen Mannes, der den Angeklagten auf einer von der Polizei erstellten Wahllichtbildvorlage erkannt hatte. In der Verhandlung war ihm das allerdings nicht mehr zweifelsfrei möglich, auch die recht markante Stimme des Angeschuldigten erkannte er nicht. „Es ist verrückt, bei den Bildern bin ich mir immer noch zu 90 Prozent sicher“, sagte er in der Verhandlung.

Abenteuerliche Ermittlung

Wie die Polizei auf den Rentner kam, klingt abenteuerlich. Der Polizist verriet, der ermittelnde Beamte habe intern von Kollegen den Tipp bekommen, sich bei Autohäusern umzuschauen, die mit Wohnmobilen handeln. Für ein Autohaus überführt der Angeschuldigte regelmäßig Wohnmobile und die Polizei hatte aus einem anderen Grund, der vor Gericht unerwähnt blieb, Bilder vom ihm. Bei der Befragung verweigerte er von Anfang an die Aussage. Das Wohnmobil wurde nie gefunden.

Nur vage Erinnerungen

Die Zeugenaussagen zum unbekannten Wohnmobilfahrer waren relativ vage. Bei der Statur – klein und kräftig – sowie einer kurzen Hose waren sich drei Zeugen noch relativ einig. Der dritte Autofahrer hatte auch noch eine blonde Beifahrerin sowie lange Haare, vielleicht sogar einen Zopf, beim Wohnmobilfahrer gesehen. „50/50“ sagte er nach einem Blick auf den Angeschuldigten, die Haltung sei ähnlich.

Seine Frau sprach beim Wohnmobilfahrer von einem etwas kräftigeren Mann mit kurzen Haaren. An das Nummernschild des Wohnmobils konnte sich niemand erinnern, weder an der Farbe (rot oder schwarz) noch an den Zulassungsbezirk. Das Wohnmobil beschrieben die Zeugen als älteres Modell in weiß oder beige. „Wir haben gar keine älteren Wohnmobile“ sagte der Angeklagte dazu.

„Niemand konnte sie als Fahrer erkennen“, bilanzierte die Richterin und schlug die Einstellung des Verfahrens vor. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stimmte nach einem Telefonat mit ihren Vorgesetzten zu.

Der Rentner verließ den Gerichtssaal damit als unbescholtener Bürger, er muss nur seine eigenen Auslagen bezahlen, die Verfahrenskosten gehen zu Lasten der Staatskasse.

 
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