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Obersinn
Über bittere Armut und wilde Ehen
Anton Schäfer stellte sein neues Buch 'Der rote Häusler' vor, welches das Leben seines Urgroßvaters von 1840 bis 1915 nachzeichnet. Bürgermeisterin Lioba Zieres freute sich über die Aufarbeitung der Historie des Marktes.
Foto: Jürgen Gabel | Anton Schäfer stellte sein neues Buch "Der rote Häusler" vor, welches das Leben seines Urgroßvaters von 1840 bis 1915 nachzeichnet. Bürgermeisterin Lioba Zieres freute sich über die Aufarbeitung der Historie des Marktes.
Jürgen Gabel
 |  aktualisiert: 02.10.2022 02:30 Uhr

Anton Schäfer stellte am Dorfplatz sein jüngstes Werk mit dem Titel "Der rote Häusler" mit Leseproben vor. Der ehemalige Obersinner Anton Franz Schäfer beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit Erhaltenswertem zur Geschichte und Entwicklung seiner Heimat zur Weitergabe an nachfolgende Generationen. 2009 legte er sein erstes Buch "Obersinn im 19. Jahrhundert" auf. Vor einigen Jahren folgte ein Werk über die Mundart und Geschichten seiner Heimat mit dem Titel "Öüwesinnerisch".

Bei Forschungen über die Stammbäume seiner Familie, der älteste geht bis ins Jahr 1621 zurück, stieß er auf seinen Urgroßvater Johann Anton Häusler, der von 1840 bis 1915 lebte. Es ließ Schäfer nicht los, dessen Lebensgeschichte zu erforschen, die sich aus zahlreichen autobiografischen Ereignissen und aus Fantasie und Kreativität aneinander reiht. Aufgrund der bronzefarbenen Haare des Urgroßvaters gab der Autor dem Buch den Titel "Der rote Häusler". In seinem Buch schlüpft Anton Schäfer in dessen Rolle, um eine Authentizität herzustellen.

Die bittere Armut der Menschen im Sinngrund, die ungemein hohe Kindersterblichkeit, dazu gesellten sich Wilddieberei, Schmuggel und Hehlerei, was dafür sorgte, dass Obersinn und der untere Sinngrund landauf, landab berüchtigt waren. Man lebte noch in Kondominatszeiten, der Mehrherrenschaft, ein Teil der Häuser und Bewohner gehörte zu Hessen-Kassel, ein Teil war bischöflich/Würzburg.

Kümmerliches Dasein

Das Gebiet galt schon immer als arm, der steinige Ackerboden erbrachte nur karge Ernten. Die Bewohner führten ein eher kümmerliches Dasein, seit Jahren waren sie mit drückenden Steuern und sonstigen Abgaben der jeweiligen Herrscher überlastet. Oft herrschte "Schmalhans Küchenmeister", und die Frauen wussten früh noch nicht, was sie abends auf den Tisch bringen sollten.

Dass solche Verhältnisse eine Gefahr bargen, blieb wohl nicht aus. Es kam der Schnaps mit seiner Gefährtin, der Unsittlichkeit. Der damalige Pfarrers Michael Blümlein machte in seiner Gemeinde ein "Lotterleben" mit vielen "wilden" Ehen aus, daraus resultierend, fast die Hälfte der Geburten war unehelich. Die in Obersinn ansässige "Wehner-Bande" klaute alles, was nicht niet- oder nagelfest war. Sie versuchten gar eine Kuh aus der Riesenburg zu stehlen.

Aber auch die mangelnde Hygiene und eine ungenügende medizinische Versorgung waren Ursache für die hohe Kindersterblichkeit. Anton Schäfers Urgroßvater, das "Häüslersch Herrle", wie sie ihn im Dorf nannten, hatte mit seiner Frau neun Kinder – nur drei kamen über das dritte Lebensjahr hinaus. Sein Großvater mütterlicherseits, der "Jüelles Josef", hatte aus seinen zwei Ehen – also nur drei Jahrzehnte später – insgesamt 13 Kinder bekommen, nur zwei von ihnen starben im ersten Lebensjahr. Das unterstreicht, dass sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowohl die hygienischen Verhältnisse als auch die medizinische Versorgung wesentlich gebessert hatten.

Der Autor freute sich über das rege Interesse der Zuhörer und dankte besonders den Protagonisten Leo Breitenbach, Gundolf Weismantel und Alfred Andres, die wertvolle Informationen zum Buch beitrugen. Bürgermeisterin Lioba Zieres freute sich über die Aufarbeitung der Historie des Marktes. Wegen der Veröffentlichung im Eigenverlag muss bei Interesse eine Nachbestellung des Werks bei Anton Schäfer selbst vorgenommen werden.

Zur Person

Anton Schäfer wurde 1946 in der Schulgasse in Obersinn geboren. Er ist seit 1996 schriftstellerisch tätig. Nach der Ausbildung zum Maschinenschlosser bei FAG Kugelfischer in Schweinfurt gab er seine Absicht, Ingenieur zu werden auf und meldete sich zum freiwilligen Dienst in der Bundeswehr. 1983 folgte der Wechsel in das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr.
2001 und 2002 nahm er an einer Autorenschule des Weltbild-Verlages teil, beteiligte sich mit Erfolg an Autorenwettbewerben und veröffentlichte erste Kurzgeschichten. 2002 schied er aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr aus. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Schäfer mit der Geschichte seiner Heimat.
Mit der neuen Erzählung versucht der Autor das Leben seines Urgroßvaters väterlicherseits nachzuzeichnen und verarbeitet dabei viele autobiographische Erlebnisse. So ist eine Symbiose entstanden aus "So hätte es gewesen sein können" und "So habe ich es in Erinnerung". 
(JG)
 
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