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Gemünden
Turbulente Sitzung: 73-Jähriger lehnte Richter als befangen ab
Mit Gerichten und Vertretern des Staates hat der Angeklagte bereits reichlich Erfahrung. Viele davon hält er für "Nieten".  Und einen "Lieblingspolizisten" in Gemünden hat er auch.
Das Amtsgericht in Gemünden.
Foto: Michael Mahr | Das Amtsgericht in Gemünden.
Herbert Hausmann
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:22 Uhr

Eigentlich ging es in der Verhandlung am Amtsgericht Gemünden nur um die beiden Einsprüche eines 73-jährigen Mannes gegen zwei Strafbefehle. Am Ende stand nach zum Teil sehr turbulenten zwei Stunden die Aussetzung der Verhandlung, weil der Angeklagte einen Befangenheitsantrag gestellt und Strafrichter Dr. Sven Krischker abgelehnt hatte. Die Verhandlung wird fortgesetzt, wenn über den Antrag entschieden ist.

Der angeklagte Frankfurter Geschäftsmann und Tierfreund, der auch einen Wohnsitz im Landkreis Main-Spessart hat, stand nicht zum ersten Mal vor Gericht. So wurde er erst vor rund einer Woche vom Verwaltungsgericht Würzburg zur Zahlung von Hundesteuer verurteilt. Hier hatte er sich geweigert, für die geschätzten etwa 30 Hunde, die er auf seinem Grundstück hält, die fällige Gemeindesteuer zu zahlen.

Aber auch am Amtsgericht Gemünden war der Mann in den vergangenen Jahren häufiger Gast. Zuletzt am 18. Mai 2021, wo schon einmal wegen des Einspruchs gegen die beiden Strafbefehle verhandelt wurde. Gegenstand war, dass der Angeklagte wohl wahrheitswidrig behauptet hatte, eine andere Person sei ihm über den Fuß gefahren. Damals hatte der Staatsanwalt noch die Einstellung des Verfahrens  ausgeschlossen. Am 21. Oktober aber hat das Amtsgericht Gemünden in einem Schreiben dem Angeklagten und dessen Verteidiger mitgeteilt, dass das Verfahren gegen eine Geldauflage von 3000 Euro, zu zahlen an eine gemeinnützige Einrichtung, eingestellt werde. Welche Einrichtung das sein wird, wollte das Gericht noch mitteilen.

Adressat für Geldauflage von 3000 Euro selbst ausgesucht

Der 73-Jährige zahlte nach seinen Angaben am 23. Oktober den Betrag an eine von ihm selbst ausgewählte Tierschutzeinrichtung. Sie wird gerichtlich vom gleichen Rechtsanwalt vertreten wie er selbst. Damit, so meinte der Angeklagte, hätte er dem Gericht Arbeit erspart und Not bei Tieren gelindert. Dabei stellte er sich vor Gericht als guten Menschen und als Wohltäter da.

Richter Dr. Krischker und der Staatsanwalt klärten den Angeklagten darüber auf, dass das Gericht aus den in einer Liste erfassten gemeinnützigen Einrichtungen auswählt, deren Arbeit durch Geldauflagen gefördert werden soll. Der 73-Jährige schlug daraufhin vor, das Gericht möge dann eben den bereits mit 3000 Euro bedachten Verein nachträglich als Begünstigten eintragen. Dieser Vorschlag stieß weder beim Richter noch beim Staatsanwalt auf Gegenliebe. "Wir werden uns hier nicht auf der Nase herumtanzen lassen", meinte der Staatsanwalt.

Damit war dem Angeklagten ein neues "Feindziel" geschaffen. In der Verhandlung im Mai waren noch die Beamten der Polizeistation Gemünden die Adressaten für seinen Spott, als er behauptete, alle Verfahren, die von dort bearbeitet wurden, seien jeweils zu seinen Gunsten ausgegangen. Besonders einen Beamten nannte er mehrmals namentlich. "Ich bin immer froh, wenn der kommt".

Was der Mann vom Amtsgericht Gemünden hält

Nun rückte an dessen Stelle die Justiz, deren Vertreterinnen und Vertreter er in Teilen als "Nieten" bezeichnete. Hervor hob er eine junge Richterin aus einem früheren Verfahren gegen ihn, die nach seiner Meinung anschließend "abgewürdigt" worden sei und jetzt nur noch als Staatsanwältin tätig sein dürfe. Kein gutes Haar ließ der 73-Jährige am Amtsgericht Gemünden. "Ich werde seit 30 Jahren vom Gericht in Gemünden veräppelt", tat er lauthals kund und forderte im gleichen Atemzug das Gericht auf, ihm gegenüber "fair" zu bleiben.

Als es dann nach fast 90 Minuten zum zweiten Anklagepunkt kam, nahmen die Turbulenzen zu. Der Tatvorwurf: Der Beklagte soll am 14. Oktober 2020 einem anderen gedroht haben "Ich lass dich umbringen". Hierzu wollte der Richter die schriftliche Aussage einer Zeugin, die in Litauen lebt und wegen eines Säuglings und der momentanen Corona-Auflagen nicht persönlich an der Sitzung teilnehmen konnte, verlesen. Dies war aber nicht im Sinne des Angeklagten und seines Rechtsbeistands. Sie wollten erst die weiteren Zeugen gehört haben.

Angeklagter telefoniert während der Verhandlung mit Zeugin

Als der Richter dies ablehnte, telefonierte der Angeklagte während der Verhandlung mit der Frau. Auf die Rüge des Staatsanwalts, keine privaten Telefonate während der Sitzung zu führen, betonte der Angeklagte, dass das nicht die Rolle des Staatsanwaltes sei, hier als "Sitzungspolizei" aufzutreten.

In seinem nächsten Schritt lehnte der Angeklagte den Richter mit den Worten "Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu" als befangen ab. Konkret warf er Krischker wegen des Verlesens der Stellungnahme der Zeugin vor, der "Richter will die persönliche Einvernahme der Zeugin vereiteln".

Die Verhandlung wurde daraufhin ausgesetzt. Beim Verlassen des Sitzungssaals meinte der 73-Jährige zum Richter: "Denken sie an Ihre Kinder, denen Sie es erklären müssen." Allen Anwesenden gab er das Karma zu bedenken, wonach alles, was man mache, wieder auf einen zurückfalle. Auch der Ruf nach seinem "Lieblingspolizisten" von der Station in Gemünden fehlte nicht.

 
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Kommentare
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  • H. S.
    Kann man sodass nicht im Fernsehen übertragen? Das wäre doch beste Comedy!
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  • W. M.
    Mainmainsch: Das könnte man als Unbedarfter meinen - es ist leider alles andere als Comedy. Und für den kleinen Weiler eine Belastung.
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  • W. M.
    ... der Mann weiß, wie man die Mühlen der Justiz beschäftigt. Aber auch das ist in diesem Fall LEIDER Rechtsstaat.
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  • H. K.
    Was eine Posse! Wenn es nur nicht so traurig wäre…
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