
Im Sinngrund tummeln sich einige Köpfe, die eine Idee nach der anderen entwickeln. Dazu zählen etwa die jungen Leute, die als Allianzmanager, im Architekturbüro Toponeo und in der Firma Formknall wirken, dazu zählt Günther Jeckel aus Aura, dem ebenfalls immer wieder etwas Neues einfällt, der Whisky und Nudeln herstellt und jetzt auch japanische Edelrinder hält, und dazu zählt Jürgen Krosta, 58, aus Mittelsinn. Krosta entwickelt Produkte wie Ketchup und Pesto und bringt Menschen im Sinngrund dazu, Maronenbäume zu pflanzen, deren Wurzeln mit Steinpilzen geimpft sind. Aber das ist längst nicht alles.
Experimentierküche im Wald
Als Experimentierküche hat sich Krosta vergangenes Jahr eine Hütte im Fellener Weiler Neuhof angemietet. Drinnen schaut es aus wie in der guten Stube eines Jägers: Trophäen, Felle und ausgestopfte Tiere an der Wand, Jägerkleidung an der Garderobe. Dabei ist Krosta gar kein Jäger, aber mit irgendwas muss man so eine Hütte ja schmücken, und da kam ihm der Nachlass eines Jägers gerade recht. Zumal die Gäste, die zu verschiedenen Naturführungen zu ihm kommen, das womöglich urig finden. In der Küche stehen vielerlei Gewürze, ein Mörser, eine Küchenmaschine mit Waage. Hier tüftelt der Lebensmittelentwickler, neudeutsch: Fooddesigner, herum.
Perfekte Umgebung für Inspirationen
Der gelernte Koch findet in Neuhof nach eigenen Worten die perfekte Atmosphäre für Inspiration und Kreativität: Ruhe und Natur. „Für mich ist die Natur das Maß aller Dinge“, sagt der gebürtige Würzburger, der seit 15 Jahren mit seiner Familie in Mittelsinn lebt. Gestört wird er im abgeschiedenen Neuhof kaum – Handyempfang Fehlanzeige, aber dafür eine wahnsinnig schnelle 100 000er DSL-Leitung, die bei der Recherche im Internet und der Betreuung seiner Internetseiten ganz hilfreich ist. In der Ruhe kann er „fokussieren“.
Produkte für Steinfelder Händler
Hauptsächlich entwickelt Krosta Produkte für den Bio-Hokkaido-Kürbishändler Georg Thalhammer in Steinfeld. 2013 hat die Zusammenarbeit begonnen. Aus Kürbispüree, wie man es aus den USA kennt – laut Krosta sogar besser, da feiner als dort –, kreiert er preisgekrönte Bioprodukte. Sein Kürbisketchup gewann 2014 auf der größten Messe für Bioprodukte, der BioFach in Nürnberg, den ersten Preis als neues Produkt. Auf die Idee eines Ketchups auf Kürbisbasis seien noch nicht einmal die kürbisfanatischen Amerikaner, die 250 Kürbisbiere haben, gekommen.
Viele Produkte landen auf dem ersten Platz
Das Ketchup war erst der Startschuss: Seitdem wählten die Messebesucher sein Waldfrüchte-Pesto, seinen Kürbisaufstrich, sein Kürbis-Chili-Ketchup und seine Kürbis-Grillsoße auf den ersten Platz. An der ebenfalls ausgezeichneten Kürbisschorle hat er immerhin mitgewirkt. Sein Waldfrüchte-Pesto – diesmal ohne Kürbis – ist ein Parforceritt durch die Welt des Geschmacks. Darin sind Bärlauch, Heidelbeeren, Cranberries, Edelkastanien, sibirische Zedernnüsse, Steinpilze und Waldhonig.
Der Vater legte den Grundstock
Die Liebe zum Kochen und zur Natur hat Krosta von seinem Vater, der mit den Jungs an Wochenenden immer in den Spessart fuhr. Einst hat der 58-Jährige, der zehn Jahre Ersatzdienst beim Roten Kreuz leistete, im Würzburger Rathaus gearbeitet. Aber das Sitzen am Schreibtisch war für ihn auf Dauer nichts. Spätestens ab diesem Punkt gleicht sein Leben einem Wunderhorn. Staunt man gerade noch über die eine Geschichte, kommt er schon mit der nächsten um die Ecke.
Geschäftsführer des Fischereiverbands
Schon 1988 gründete der Norwegenbegeisterte eines seiner heutigen Standbeine: den Handel mit Lachs. Krosta war 13 Jahre lang der Geschäftsführer des unterfränkischen Fischereiverbands. Zehn Jahre arbeitete er im Vertrieb für eine Schweizer Firma. Ein weiteres Standbein sind Naturführungen, oft mehrtägig, zu der Teilnehmer aus ganz Deutschland in den Sinngrund kommen. Ehrenamtlich war er Vorsitzender des Gemündener Ortsvereins des Bund Naturschutz.
Krosta gestaltet ab und zu auch Internetseiten und befasst sich mit Suchmaschinen-Optimierung. Sein Hauptstandbein ist jedoch die Arbeit als selbstständiger Produktentwickler. „Egal, was ich gemacht habe, es fügt sich irgendwann alles wieder zusammen“, hat er festgestellt. Bei Thalhammer kam Krosta irgendwann der Gedanke, dass sich Kürbispüree wie Tomatenpüree und somit als Basis für allerlei Dinge wie Feinkostsoßen verwenden lässt. Im Laden verkaufe sich reines Kürbispüree in Deutschland, anders als in den USA, schlecht, online jedoch „gigantisch“.
Jede Entwicklung ist eine Herausforderung
Für Krosta ist die Entwicklung neuer Produkte – von der Idee über das Herumprobieren bis zur Marktreife – jedes Mal eine Herausforderung. „Die Idee“, sagte er, „ist das eine, aber die Umsetzung bis zur Marktreife ist noch mal was ganz anderes.“ Dann soll alles bio sein, wenig Zucker haben und natürlich auch noch schmecken, haltbar sein und wirtschaftlich zu produzieren. Bei der Produktion der Produkte durch geeignete Firmen ist er am Anfang dabei, weil schon kleine Abweichungen vom Produktionsplan das Produkt unerwünscht verändern können – zu heiß gekocht, anderer Geschmack, zu wenig gerührt, gibt durch Karamellisieren braune Punkte, in kalte Gläser abgefüllt, verdirbt schneller.
Sauce Bolognes aus dem Spessart
Für das Grünlandprojekt Spessart hat er eine Sauce Bolognese mit Spessartlamm entwickelt. In seiner Küche hat er ein paar Gläser stehen, um zu sehen, wie und ob sich das Produkt mit der Zeit verändert. Derzeit arbeitet er an einer Spessart-Grillsoße mit Zutaten aus dem Spessart, außerdem an einem Rhöner Brotaufstrich mit Zutaten von dort. Mit Fichtenspitzen tüftelt er an einem Waldgewürz. Für weitere Auftraggeber entwickelt er momentan ein Kürbiskernpesto, ein Zwiebelschmalz mit Kokosöl und ein Taiga-Pesto mit Kiefernsamen.
Er ist Naturliebhaber durch und durch. Mit seinen Ideen hilft er auch anderen: Warum im Sinngrund nicht Edelkastanien pflanzen? Schließlich haben Maronen zurzeit einen hohen Preis und die Bäume schnell wachsendes Holz. Und warum deren Wurzeln nicht mit Steinpilzen infizieren? Die müssten doch, so der Pilzexperte, an Maronen, einem Buchengewächs, wachsen. Und tatsächlich gibt es jetzt in Rieneck eine Fläche, wo diese Bäume wachsen und vielleicht irgendwann mehrfachen Ertrag bringen.
Künftige Führung Waldbaden
Als eine künftige Naturführung will Krosta – wohl vor allem für gestresste Großstädter – „Waldbaden“ anbieten, einen neuen Trend aus Asien, bei dem Teilnehmer den Wald mit allen Sinnen genießen sollen. Inzwischen sei erwiesen, dass Bäume sich positiv auf die Gesundheit auswirkten. Krosta, der sagt, dass er nicht esoterisch veranlagt sei, findet es schade, dass man heutzutage auch im Sinngrund nach weichen Waldwegen suchen müsse.
In der Neuhofer Hütte, die angeblich ursprünglich in Fellen gestanden hat, soll vor ihm einst jahrelang ein Schamane gehaust haben. Das passt: Mit seinen Tüfteleien und den Führungen erinnert Jürgen Krosta ein wenig an einen Schamanen.