Neu aufgelegt wurde das Büchlein "Das Wirtshaus im Spessart - Kurt Tucholsky". Darin berichtet der Schriftsteller von seiner Sommerwanderung im Jahr 1927 durch Mainfranken und den Spessart. Eine erste, lange vergriffene hatte der frühere Lohrer Landtagsabgeordnete Oskar Rummel im Jahr 1990 auf den Weg gebracht. Die Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal (AGH) hat Jahrzehnte gegen einen Stausee im Hafenlohrtal gekämpft. Ihr Vorsitzender Sebastian Schönauer freute sich bei der Buchvorstellung in der alten Gaststube des Gasthauses "Hochspessart" in der Lichtenau, dass der Speicher nunmehr endgültig aus dem Regionalplan gestrichen wurde. Zusammen mit dem Archäologischen Spessartprojekt hat die AGH nun eine Neuauflage des Tucholsky-Büchleins drucken lassen.
Im September 1927 wanderte Kurt Tucholsky, einer der meist gelesenen Schriftsteller der Weimarer Republik und gesellschaftskritischer Journalist, mit seinen Freunden Karlchen und Jakopp durch Mainfranken und den Spessart. In der Einsamkeit und Ruhe der malerischen Landschaft genoss Tucholsky die Ursprünglichkeit der Natur und der Menschen ebenso wie die gemütliche Atmosphäre unterfränkischer Gasthäuser, in denen die Freunde logierten. Dabei kamen sie auch durch das Hafenlohrtal und zechten und nächtigten im Gasthaus im Hochspessart in Lichtenau, der "Perle des Spessarts", wie Tucholsky weinselig bekannte.
Pseudonym Peter Panter
Das wissen wir aus seinem amüsanten Reisebericht "Das Wirtshaus im Spessart", der noch 1927 unter dem Pseudonym Peter Panter erschien. Der Titel meint nicht etwa das von der Autobahn verdrängte Rohrbrunner Wirtshaus, sondern die Lichtenauer Sommerfrische, die der Autor für seine Erzählung flugs mal umtaufte: "Die Perle des Spessarts. Dies ist nicht das Wirtshaus im Spessart, das liegt in Rohrbrunn – aber wir nennen das um. Hier ist es richtig."
Auch die einzigartige Natur und die märchenhafte Idylle im Hafenlohrtal würdigte der Schriftsteller in seinem Wanderbüchlein: "Dies ist eine alte Landschaft. Die gibt es gar nicht mehr; hier ist die Zeit stehen geblieben. Wenn Landschaft Musik macht: dies ist ein deutsches Streichquartett. Wie die hohen Bäume rauschen, ein tiefer Klang; so ernst sehen die Wege aus." An diesem Zitat kommt seitdem niemand mehr vorbei, der über die Natur des Hafenlohrtals spricht. Wer sich seinen Sinn für landschaftliche Schönheit und Ursprünglichkeit bewahrt hat, kann die Begeisterung Tucholskys für das Tal mit seiner Melange aus Natur, Kultur und Geschichte gut nachvollziehen.
Viele, viele Flaschen Stein-Wein getrunken"
Als die Berliner Freunde im ausgeschenkten Würzburger Steinwein "Korks" schmeckten, lag in der Lichtenau wohl ein kleiner Eklat in der Luft. Ein anderer Gast bemerkte, dass ein Wein doch "nachmöpsle", wenn er "Korks" habe. Und auch der seinerzeitige Wirt, der Braumeister Fritz Wucherer, ließ sich den Vorwurf von den Großstädtern nicht bieten. "Ich habe gleich gesehen, dass die Herren keine Bocksbeuteltrinker sind! Der Wein ist gut", lautete das fachkundige Urteil des Urgroßonkels der heutigen jungen Wirtin Ursula Roth nach ausgiebigem Probieren.
Die drei Kumpane haben sich dem Richtspruch dann offensichtlich angeschlossen, denn sie tranken "noch viele, viele Flaschen Steinwein" und oh Wunder, sie möpselten nicht nach, sondern schmeckten alle "nach Sonne".
Familiengeführt in fünfter Generation
Man möchte dem damaligen Gastwirt heute noch gerne glauben, denn das uralte Wirtshaus strahlt immer noch ehrliche Gastlichkeit bis in den letzten Winkel aus, familiengeführt in fünfter . Generation seit über 125 Jahren. Die alte Gaststube mit der Eichenholzvertäfelung und dem grünen Kachelofen in der Ecke und den präparierten Jagdtrophäen ist unverändert und immer noch urgemütlich. Es ist ein Ort zum Tagträumen, an dem man so gar nicht verstehen will, warum die Welt woanders nicht in Ordnung sein soll. Doch der Kater kommt bekanntlich später und am nächsten Morgen möpselte es dann bei Kurt, Karlchen und Jakopp auch ganz besonders nach, wie das Wanderbüchlein bekennt.
Gegenüber der vorherigen Ausgabe gibt es zusätzlich ein Vorwort des AGH-Vorsitzenden Sebastian Schönauer und einen Hinweis auf den europäischen Kulturweg Hafenlohrtal "Literatur in der Kulturlandschaft Spessart". Zudem hat ein kleines Gedicht des Rothenbuchers Joachim Eich Eingang gefunden, in dem er das veränderte Waldbild kritisiert. Eichs Vorfahren stammten ebenfalls aus der Lichtenau.