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GEMÜNDEN
Trommeln, Pfiffe und Plakate für die Brücke
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:12 Uhr

Hatten vor der Stadtratssitzung am 17. November rund 60 Bürger für einen Ersatz der mittlerweile abgerissenen Saalebrücke im Mühltorviertel demonstriert, so waren es am Montagabend über 200. Dennoch wollten sich Bürgermeister Jürgen Lippert und die Stadtratsmehrheit das Thema nicht für die Sitzung aufzwingen lassen. Nur die Ratsmitglieder Matthias Risser und Gerhard Köhler hakten beharrlich nach. Das Ergebnis indes bleibt wenig konkret: Bis einschließlich 2018 werden keine Mittel für eine neue Brücke eingeplant – es sei denn, das Bauwerk kommt nicht zu teuer.

Zur Demonstration aufgerufen hatte die Interessenvertretung „Brücke vor dem Mühltor“, die nach eigener Aussage bereits zwei Briefe an den Stadtrat gerichtet und 543 Unterschriften für einen Ersatz der im Dezember abgerissenen Holzbrücke gesammelt hat. Vor dem Rathaus trug insbesondere Erich Plenge als Wortführer die Argumente vor: Man wolle, brauche keine protzige Brücke, sondern nur einen Steg für die Fußgänger und Radfahrer. Älteren und behinderten Mitbürgern im Stadtteil fehle ein barrierefreier Zugang zum Naherholungsgebiet auf der anderen Saaleseite, den Kindern ein sicherer Weg zu Freizeitanlagen, Kindergarten, Grund- und Mittelschule, und allen der Anschluss an die Radwege.

Trommeln, Pfiffe und Plakate begleiteten die Demonstration; ein Ministeg war über die kurze Treppe am Rathauseingang gebaut. Die Menge skandierte unter anderem „Bürgernähe“ in Anspielung auf die Wählergruppierung des Bürgermeisters.

Mutmaßlich zu teuer

Jürgen Lippert verwies auf die mutmaßlich hohen Kosten, wobei belastbare Zahlen noch nicht vorlägen. Er bat darum, nicht für Fehler seiner Vorgänger verantwortlich gemacht zu werden. Richtig sei, dass die Mühltorbrücke nicht für dieses Jahr vorgesehen sei; richtig sei auch, dass hingegen für die wesentlich kürzere ähnliche Brücke am Freibad seit vier Jahren Geld bereitstehe.

Erich Plenge sprach aus, was Viele befürchten: Wenn die Brücke jetzt nicht ersetzt werde, dann wohl nie mehr, weil Gemünden das Geld immer fehlen werde. Wie auch andere Redner verwies eine Frau auf den streckenweise keine 40 Zentimeter breiten Gehsteig entlang der Ausfallstraße von der Innenstadt zum Mühltorviertel und erinnerte an einen tödlichen Verkehrsunfall dort.

Lippert erwiderte, ein Schulbus werde kostenfrei verkehren, wenn der Weg als gefährlich eingestuft werde, er wolle das untersuchen lassen. Daraufhin gab's Buhrufe und Pfiffe – der Bürgermeister brach das Gespräch ab („Auf das Niveau begebe ich mich nicht.“), drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Sitzung ins Rathaus, begleitet von weiteren Buh-Rufen. Unlustig kritisierte Lippert sodann in der Stadtratssitzung eine Verletzung selbstverständlicher Vertraulichkeit: Dass die Brücke nicht in seinem Haushaltsentwurf stehe, hätten die Demonstranten offensichtlich vorab aus dem Stadtrat erfahren.

Wichtig für 1000 Gemündener

Vor den Haushaltsberatungen 2015 segnete der Stadtrat zunächst (gegen die Stimme Matthias Rissers) den Übertrag von Haushaltsresten ab – finanzierte, aber nicht erledigte Maßnahmen im Umfang von knapp 1,25 Millionen Euro. Darunter wieder der Ersatz der Brücke am Freibad für 226 600 Euro. Risser schlug vor, dieses Geld für die Mühltorbrücke umzuwidmen, die 1000 Mitbürgern diene und die wichtigere Brücke sei. Gerhard Köhler warnte vor einer solchen Diskussion, außerdem könnten für wenig mehr als die vorhandene Viertelmillion beide Brücken erledigt werden. Er habe drei Firmen um Angebote gebeten. Am Dienstag meldete Gerhard Köhler das schriftliche Angebot einer österreichischen Firma: Sie veranschlagt die 28 Meter breite Brücke am Freibad inklusive aller Leistungen mit 75 000 Euro und die 54 Meter breite Brücke am Mühltorviertel mit 175 000 bis 195 000 Euro. Die Schätzung der Stadtverwaltung für diese Brücke lautet auf 322 000 Euro.

„Die Kosten hätte die Bauverwaltung mal recherchieren können“, meinte Köhler. Bürgermeister Lippert beteuerte: „Das tun wir.“ Für eine Diskussion jedoch benötige man belastbare Zahlen. „Wann ist die Stadt mit ihren Recherchen fertig“, wollte Risser wissen. „Wenn Sie's in einer Einladung zu einer Sitzung erhalten“, antwortete der Bürgermeister. Risser entrüstete sich darüber: „Sie sitzen auf einem ganz hohen Ross! So eine Antwort ist eine Missachtung meiner Person als Stadtrat.“ – „Ist es nicht“, meinte Lippert knapp. Risser zischte: „Unverschämtheit!“

Zweiter Bürgermeister Werner Herrbach mahnte zur Sachlichkeit. Es bestehe doch Einigkeit im Stadtrat darüber, die Freibad-Brücke im Plan zu behalten. Ob sie tatsächlich gebaut werde, sei damit noch nicht entschieden. „Das kann doch jeder mittragen. So einfach ist das.“ Ähnlich äußerte sich Martin Geßner: „Daher vergibt sich niemand etwas, jetzt zuzustimmen.“

ONLINE-TIPP

Weitere Bilder von der Demonstration unter www.mainpost.de/gemuenden

Trommeln, Pfiffe und Plakate für die Brücke
Noch im Dialog: Erich Plenge und Bürgermeister Jürgen Lippert.
| Noch im Dialog: Erich Plenge und Bürgermeister Jürgen Lippert.
Groß und Klein: Druck für eine neue Fußgängerbrücke.
| Groß und Klein: Druck für eine neue Fußgängerbrücke.
Trommeln, Pfiffe und Plakate für die Brücke
 
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  • G. S.
    Eine bescheidene Vorstellung von Herrn Lippert, wenn einem die Reaktion der Bürger nicht gefällt, ihnen einfach den Rücken zudrehen und in´s Rathaus flüchten ! Abgesehen davon, was will die Stadt überprüfen, ob der Gehweg in die Innenstadt als Schulweg geeignet ist ? Es ist offensichtlich das er das nicht ist. Ein Gehweg sollte 50cm Sicherheitsabstand zur Straße haben, an der schmälsten Stelle ist er noch nicht einmal 50 cm breit ! Kinder bis 8 Jahre sind verpflichtet mit dem Fahrrad auf dem Gehweg zu fahren, auf diesem Gehweg in dem kritischen Bereich unmöglich ! Auch Mitbürger die auf Gehilfen oder Rollator angewiesen sind, haben hier keine Chance ! In wie weit sich die künftigen Baustellen auf die Verkehrslage auswirken und damit die Gefahren noch erhöhen ist zudem ebenfalls nicht abzusehen.Von Bürgermeister und Stadtrat erwarte ich Lösungsorientiertes Handeln und auch eine Portion Fantasie, mit blanker Bürokratie sind die Probleme nicht zu lösen !

    Claus Schmidt
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