Als ihr Urgroßvater Rudolf Englert Küchendirektor im Berliner Hotel Adlon Kempinski war, war es vor allem die französische Küche, die als die feine Küche galt. Heute führen Laura und Christina Englert in der vierten Generation gemeinsam mit ihrem Vater Ulrich die Feinkostmanufaktur in Lohr. Von Knochenbrühen, die schöne Haut machen sollen, über japanische Ramen bis zum Linseneintopf ist das Sortiment dabei deutlich größer und offener geworden.
Die Schwestern haben beide Betriebswirtschaftslehre in Würzburg studiert, Laura Englert hat zusätzlich einen Marketing-Master in Dänemark gemacht. Beide haben sich schon immer für das Kochen interessiert und zuvor in anderen großen Unternehmen der Branche gearbeitet. Dass sie einmal in den Familienbetrieb einsteigen, habe sich aber erst während des Studiums ergeben. „Wir hatten auch immer die freie Wahl“, sagt die 30-jährige Christina Englert.
Inzwischen ist sie vor allem in der Betriebsleitung aktiv, steuert die Produktion, ist für das Qualitätsmanagement und die Produktentwicklung verantwortlich. Ihre Schwester Laura kümmert sich um Verkauf, Vertrieb und Marketing, betreut Kunden und verhandelt mit ihnen über Preise.
Ideen für neue Produkte auf Social Media sammeln
Beide haben Spaß daran, neue Produkte zu entwickeln. So ist zum Beispiel vor rund zwei Jahren die Idee entstanden, die Basis für japanische Ramen auf den Markt zu bringen, deren traditionelle Herstellung sehr aufwändig ist. Inspiration für neue Produkte bekommen die Schwestern häufig auch über Social Media, wo sich Food-Trends gut beobachten lassen. „Die Idee zu den Ramen hatte ich aber einfach“, erinnert sich Christina Englert. „Die Basis ist ein klassischer Fonds, alles kommt in einen Topf und wird stundenlang gekocht“, erklärt sie.
Dann wurde recherchiert, wie die traditionelle japanische Zubereitung funktioniert und so lange am Rezept gefeilt, bis es allen schmeckt. „Alle“ sind in diesem Fall die beiden Schwestern und ihr Vater, der Produktionsleiter und die Köche. Es folgte die Gestaltung der Etiketten, Entscheidungen über Größe und Menge des neuen Produkts. Circa drei Monate habe die Entwicklung gedauert. „Dadurch, dass wir ein kleiner Betrieb sind, können wir so etwas auch schnell einmal auf den Markt bringen oder auch wieder aus dem Sortiment nehmen, wenn es nicht funktioniert“, erklärt die 33-jährige Laura Englert.
In New York trinkt man statt Kaffee Knochenbrühe
Ein weiterer Food-Trend, der bereits vor einigen Jahren aus New York nach Lohr geschwappt ist, sind die Kollagen-Knochenbrühen. „In New York kriegt man teilweise auf der Straße statt einem Kaffee die Brühen in die Hand gedrückt“, erzählt Laura Englert. Das in den Rinderknochen enthaltene Kollagen werde beim Kochen herausgelöst und soll schöne Haut machen – so versprechen es zumindest viele Promis auf Social Media. Die Brühe an sich sei zwar ein klassisches Produkt, doch die Vermarktung sei hier das Besondere. Die „Boneys“, wie sie bei der Feinkostmanufaktur heißen, verkaufen sich zum Beispiel auch in Hongkong gut. „Deutsche Produkte werden in China ohnehin oft als sehr hochwertig empfunden“, erklärt Laura Englert.
Die beiden Schwestern merken auch, dass sich in Deutschland immer mehr Leute bewusster mit dem Thema Essen auseinandersetzen und sich informieren. „Das Glas wird immer öfter rumgedreht und auf die Zutatenliste geschaut“, sagt Christina Englert. Das sei früher nicht so gewesen. Auch wenn es einen Trend zu mehr vegetarischen und veganen Produkten gebe, seien traditionelle Rezepturen bei jungen Menschen genauso wie bei älteren beliebt.
Zusammenarbeit als Familie funktioniert gut
Neue Ideen gehen zwar häufig auf das Konto der Schwestern, doch auch ihr Vater sei immer offen für Neues, erzählen sie. Eines Tages wollen sie gemeinsam die Geschäftsführung von ihm übernehmen, ein festes Datum gibt es aber noch nicht. Bis dahin können sie noch viel von ihm lernen, sagen sie. „Ich würde auch nicht sagen, dass wir radikal etwas anders machen. Aber es kommen auch einfach viele neue Aufgabengebiete dazu, zum Beispiel Zertifizierungen und ständig neue Anforderungen von Behörden“, sagt Christina Englert. „Neu ist natürlich auch das Social Media-Marketing oder Online-Recruiting“, ergänzt ihre Schwester.
„Unser Vater ist jetzt 68. Aus dem Tagesgeschäft zieht er sich zwar inzwischen etwas heraus, aber er hat noch immer die Hand auf allem“, sagt sie. Die Zusammenarbeit als Familien-Team funktioniere gut. „Wir sehen uns auch am Wochenende noch gern, obwohl wir jeden Tag zusammenarbeiten“, sagt Laura Englert lachend.