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Frammersbach
Treffpunkt Tagespflege: Endlich wieder unter Leuten
Die Geselligkeit in der Tagespflege genießen (von links) Ingelore Biermann und Helga Ertelt. Betreut werden sie unter anderem von Candy Lammert und Leister Simon Schaub.
Foto: Monika Büdel | Die Geselligkeit in der Tagespflege genießen (von links) Ingelore Biermann und Helga Ertelt. Betreut werden sie unter anderem von Candy Lammert und Leister Simon Schaub.
Monika Büdel
 |  aktualisiert: 25.02.2024 03:34 Uhr

An einem Tisch wird Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt, an einem anderen unterhalten sich Frauen und Männer im Seniorenalter. Auf einem Sofa in der Wohnzimmer-Ecke liegt jemand in eine Decke gehüllt und schläft. Sie alle sind Gäste des Treffpunkts Tagespflege in Frammersbach. Vor zwei Wochen hat die Caritas-Sozialstation St. Rochus in Lohr die Betreuungseinrichtung eröffnet. Nach Steinfeld ist es die zweite von ihr betriebene Tagespflege.

Geleitet wird die Tagesstätte in beiden Orten von Simon Schaub. "Die Balance von Anspannung und Entspannung ist wichtig", sagt er bei einem Besuch der Redaktion in den neu eingerichteten Räumen im Frammersbacher Ortsteil Hofreith. Das Gebäude hat die Unternehmer-Familie Bergmann errichtet, ihre Firma ist in der Nachbarschaft ansässig. Bereits vor einem Jahr ist die Filiale des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) des KfH-Gesundheitszentrums Lohr mit zwei Ärzten eingezogen.

Damals seien auch die ersten Kontakte mit der Caritas-Sozialstation geknüpft worden, berichtet deren Geschäftsführer Sebastian Puglisi auf Nachfrage. Zu den Vermittlern gehörte auch Bürgermeister Christian Holzemer, wie beide bestätigen. "Wir haben die Gunst der Stunde genutzt", sagt Klaus Becker, Vorsitzender der Caritas-Sozialstation St. Rochus, und meint damit das Gebäude: barrierefrei, behindertengerecht und mit Parkplätzen auf der Rückseite – abseits des Verkehrs auf der Ortsdurchfahrtsstraße.

Wieder etwas zu erzählen haben

18 Plätze bietet der Treffpunkt. In der Praxis heißt das, dass weit mehr alte Menschen das Angebot nutzen können, weil viele nur für ein- oder zweimal pro Woche buchten, erläutert Schaub. Mit neun Gästen seien sie am Eröffnungstag am 5. Februar gestartet. An den besucherstärksten Tagen hätten sie bislang zwölf bis 14 Senioren betreut. Das heißt, es gibt noch freie Plätze.

Vorige Woche Mittwoch in die Runde gefragt, bestätigt der Großteil, sich einmal die Woche vom Fahrdienst bringen zu lassen. "Mal wieder unter Leuten" – das sei eine häufige Reaktion, die er zu hören bekomme, berichtet Schaub. Angehörige teilten ihm mit, dass die Tagespflege-Gäste wieder etwas zu erzählen hätten, wenn sie nach Hause kommen. Auch die Laune sei oft besser. Viele, so die Erfahrung von den drei Caritas-Vertretern, seien ansonsten tagsüber oft allein und ohne Ansprache.

Helga Ertelt lacht auf die Frage, wie es ihr in der Tagespflege gefällt. "Es ist unterhaltsam", sagt die 77-Jährige aus dem Ortsteil Schwartel. 40 Jahre habe sie die Tageszeitung ausgetragen, erzählt sie. Ertelt ist dann auch gleich einverstanden, für die Zeitung fotografiert zu werden und überzeugt auch Ingelore Biermann aus Partenstein, die neben ihr sitzt. Auch sie fühle sich wohl in der geselligen Runde. Drei Mahlzeiten gibt es an den Öffnungstagen von Montag bis Freitag. Gerade haben die Gäste Kaffee getrunken und Kuchen verdrückt. "Sehr gut", heißt es immer wieder an den Tischen über die Verpflegung. Sie wollen wieder kommen und regelmäßig die Tagespflege besuchen, ergibt eine kleine Umfrage.

Kirsch-Streusel und Gesang

Die Mahlzeiten werden laut Puglisi soweit möglich direkt aus dem Ort bezogen oder mindestens regional. So kommen der Kirsch-Streusel aus Frammersbach und das warme Mittagessen aus einem Lohrer Gasthof. Frisch gestärkt stimmt die Gästegruppe "Du, du liegst mir im Herzen" an. Es war Valentinstag. Die Betreuerinnen Steffi Frommelt und Candy Lammert haben die Liedhefte ausgeteilt und geben den Ton an.

Im Treffpunkt Tagespflege der Caritas-Sozialstation Lohr in Frammersbach zeigen (von links) Simon Schaub, Leiter der Tagespflege, Architekt Georg Redelbach, Christa Bergmann von der Investorenfamilie, Sozialstationsvorsitzender Klaus Becker und Geschäftsführer Sebastian Puglisi, wie sich der Therapieraum nutzen lässt.
Foto: Monika Büdel | Im Treffpunkt Tagespflege der Caritas-Sozialstation Lohr in Frammersbach zeigen (von links) Simon Schaub, Leiter der Tagespflege, Architekt Georg Redelbach, Christa Bergmann von der Investorenfamilie, ...

Die Räume sind mit Bildern, Dekomaterial, farbigen Anstrichen wohnlich gestaltet. Dank der Unterstützung durch die Glücksspirale seien solche Extras möglich gewesen, teilen die Caritas-Vertreter mit. Auch zwei Bildschirme stehen zur Verfügung. "Zum Beispiel für die EM", sagt Becker mit Blick auf das Fußball-Ereignis. Im Ruheraum können die Gäste ungestört schlafen, in der Küche auch mal backen oder Speisen zubereiten. Ein Therapieraum mit Sportgeräten vom Fahrradergometer bis zum Schwungtuch und Bällen wird für Bewegungsübungen genutzt, erzählt Schaub beim Rundgang. Weitere Angebote sollen dazukommen, beispielsweise ein Informationsbesuch eines Hörgeräte-Akustikers.

Laut Puglisi gibt es viele Überlegungen und Tests auf einschlägigen Messen: von Spielen bis hin zur Spezialbrille, über die Bilder eingespielt werden (Virtual Reality). So könne man zum Beispiel in der Tagespflege "erleben", wie es ist, am Meer zu stehen. Es gehe bei den Angeboten um Aktivierung, ansprechen und spielen, so Becker.

Am liebsten im Freien

"Wir haben das erst mal analysieren lassen", informiert Puglisi zur Entstehungsgeschichte. Er sei skeptisch gewesen, das Projekt kurz nach dem Start der Tagespflege in Steinfeld im September 2022, dem Umzug der Sozialstation in Lohr und in Zeiten des Kriegs in der Ukraine und Krisen anzugehen. Vorsitzender wie Geschäftsführer sprechen von Fragezeichen, die sie damals gesetzt hätten: Schaffen wir das finanziell und personell?

Bei der Entscheidung für Frammersbach habe die Lage eine Rolle gespielt. Geografisch bilde es einen Gegenpol zu Steinfeld. In der Mitte liegt quasi die Zentrale mit der Sozialstation in Lohr. Profitiert hätten sie von den Erfahrungen in Steinfeld beim Antragsverfahren und der Einrichtung, teilt Puglisi mit. Viele Formalitäten hätten abgearbeitet werden müssen. In Sachen Genehmigung sind auch Seufzer des Architekten Georg Redelbach (Marktheidenfeld) und der Vertreterin der Investorenfamilie, Christa Bergmann, zu vernehmen. Auf Nachfrage bei Redelbach, was genau die Schwierigkeiten waren, gibt er Auskunft, dass die Räume an die Nutzung durch Senioren angepasst und diese nachgewiesen worden seien. Diese Anforderungen seien nachvollziehbar. Als Beispiel nannte er eine zusätzliche Fluchttüre.

Das Problem sei die lange Bearbeitungszeit durch die Baubehörde, obwohl alles vorher schon einmal besprochen worden sei. Bewährt habe sich die flexible Grundkonstruktion des Gebäudes, so Redelbach. Dadurch habe sich das Erdgeschoss mit überschaubarem Aufwand an die Erfordernisse einer Tagesstätte anpassen lassen. Diese Möglichkeit besteht laut Christa Bergmann auch im Dachgeschoss. Hier suche sie noch Mieter. Ausgebaut werden soll laut Puglisi noch der Außenbereich mit Grill, Sitzgelegenheiten und Sonnenschutz. "Ohne Außenbereich gibt es keine Zulassung für Tagespflegeeinrichtungen", erläutert der Geschäftsführer. Becker und Schaub berichten, dass der Aufenthalt im Freien die beliebteste Beschäftigung der Gäste sei, sofern das Wetter passt.

 
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