
Es ist rund 15 Jahre her, da hat der Gemündener Wilhelm Ciufrida Urlaub in einem Robinson-Club auf Mallorca gemacht. Ein holländischer Amateur-Boxweltmeister sollte dort als Feriengastbespaßung einen Boxkurs anbieten. Boxfan Ciufrida wollte sich das nicht entgehen lassen. Doch er war entsetzt, als er sah, wie der Weltmeister richtig hinlangte.
„Die haben alle Angst gekriegt und sind weggerannt“, erinnert er sich. Nur drei Polizisten blieben. Ciufrida: „Die haben sich richtig geprügelt.“ Das muss doch auch anders gehen, dachte er sich.
Boxer waren skeptisch
Also machte sich „Ciu“ – wie er genannt wird – Gedanken, wie man Boxtraining gestalten kann, ohne dass sich dabei jemand ein blaues Auge einfängt. Er fragte auch seinen Freund, den Weltmeister-Trainer Werner Kirsch. Der winkte ab: „Alles Scheiße“, „nicht machbar“. Aber Ciufrida hielt hartnäckig an seiner Idee fest und überzeugte schließlich auch den Erfolgstrainer, der in der damaligen DDR sein Handwerk gelernt hatte. Aus der Idee „Boxen, nur nicht auf den Körper des anderen“ wurde das Fitnessbox-Konzept CiuPunch, das im Lohrer Boxcamp und auch anderswo praktiziert wird.
Mit jungenhafter Begeisterung erklärt der 76-Jährige im Boxcamp im ehemaligen Möbelhaus Fischer in der Jahnstraße, was es mit dem Konzept auf sich hat. Sven Amend, 40, der Leiter des Fitnessstudios, und der Lohrer Andreas Kuhn, 64, demonstrieren in einem Raum mit Boxring und allerlei Boxtrainingsutensilien, wie das praktisch aussieht. Der Boxring stehe da, wo in der Videothek, die zwischendurch im Gebäude war, die Pornoabteilung gewesen sei, sagt Amend. „Das ist heute noch die heiße Ecke“, scherzt Amend.
Zum einen hat Ciufrida mit Boxtrainer Kirsch das zwölfrundige Programm CiuPunch 1 entwickelt. Das beginnt mit Aufwärmen, beinhaltet dann mehrere Runden Boxtraining und klingt am Ende mit Dehn- und Entspannungsübungen wieder aus. Dazu laufen speziell für das Training zusammengestellte CDs mit passender Musik zu jeder Trainingsrunde.
Zählsensor Handschuh
Zum anderen gibt es die Steigerung CiuPunch 2, bei der zwei Kursteilnehmer gegeneinander um Punkte boxen, nur eben „gesichtsschonend“ in die Handschuhe des anderen, so Ciufrida. Dabei können Geraden ebenso geschlagen werden wie verschiedene Haken von der Seite oder von unten. Ein Zählsensor in den Handschuhen des Getroffenen zählt mit, wer mehr Treffer gelandet hat. „Näher am Boxen geht nicht“, sagt Ciufrida, „sonst ist es Boxen.
Rentner lässt Fäuste fliegen
„Ich hab schon immer Lust aufs Boxen gehabt“, sagt Andreas Kuhn, ehemals Zerspanungsmechaniker und Abteilungsleiter bei Hunger. Früher habe es leider nichts gegeben, da spielte er bis 48 Fußball und trainierte daheim mit Hanteln. Das Boxangebot jetzt sei sehr vielseitig und mache ihm einen „Riesenspaß“, sagt der durchtrainierte Rentner, nachdem er sich ein paar Runden mit Sven Amend geliefert hat und dabei sichtlich ins Schwitzen geraten ist. Viermal die Woche lässt er jetzt die Fäuste fliegen, um fit zu bleiben.
Dadurch dass es nicht auf den Körper geht, könnten auch körperlich sehr unterschiedliche Teilnehmer gegeneinander antreten, erzählt Ciufrida. Was zähle, seien die Präzision und die Geschwindigkeit. Etwa die Hälfte der Ciu-Boxer seien Frauen. Aggressionen loswerden, ein wichtiger Antrieb für Boxer, könne man auch mit seinem Fitnessbox-Konzept, ist er sich sicher.
Bei ihm wurde die Boxbegeisterung schon als Jugendlicher in Bad Brückenau geweckt. Dort hatten amerikanische Soldaten ein Jugendheim mit alten Sportgeräten ausgestattet. Ein farbiger Soldat brachte ihm Boxhandschuhe mit und zeigte ihm ein paar grundlegende Dinge.
Für den Job mit Boxen aufgehört
„Das hat mich fasziniert“, sagt Ciufrida. Als er mit 16 nach Frankfurt ging für eine kaufmännische Ausbildung in einer Pelzmantelfabrik, schloss er sich dort dem Boxclub „Ring frei“ an. Er wollte Profiboxer werden, hatte dieselben Maße wie Cassius Clay alias Muhammad Ali. Den Zahn mit dem Profiboxen zog ihm sein Chef, der ihm eine Stelle in Hamburg anbot unter der Maßgabe, dass Ciufrida mit dem Boxen aufhören müsse. Tatsächlich hörte er auf und zog in den Norden.
Weitere Entwicklung: Reflexball
In Hamburg gründete er irgendwann seine eigene Pelzmantelfabrik. Als dort der Universum-Boxstall, für den Größen wie die Klitschkos oder Felix Sturm boxten, gegründet wurde, zog das Ciufrida magisch an. Für Universum-Chef Klaus-Peter Kohl entwickelte er einen Reflexball, der am Kopf befestigt an einem elastischen Band hängt und den man möglichst oft treffen muss. Der findet auch bei seinem Boxkonzept Verwendung.
Eine Schneiderin seiner Firma entwarf zudem die Boxkostüme für diverse Boxer und Boxerinnen von Universum.
Er hat aber weiterhin viele Kontakte nach Hamburg. Sein Boxkonzept etwa hat er an Hamburger Fitnessklubs und die dortige Arbeiterwohlfahrt verkauft, die damit Aggressionsabbau bei Kindern betreiben wolle. Auch Schülerinnen des Gemündener Kreuzklosters haben es schon ausprobiert.
Er erzählt auch von einem Dänen, dem er das Paket verkauft hat, oder einem Robinson-Club auf Teneriffa. Auch der Name Abu Dhabi fällt.
Ein Paket für das Programm enthält Boxequipment, etwa Boxhandschuhe mit Sensoren, eine Trainingsanleitung und die Ausbildung eines Trainers, die Ciufrida selbst übernimmt. Verdient ist dabei am Ende für ihn nichts, beteuert er. Er mache es „aus Spaß an der Freude“.
Heimat in Gemünden gefunden
Als Ciufrida seine Firma in Hamburg aufgab, zog er nach Gemünden, wo seine Schwester verheiratet ist, und baute sich dort ein Haus. „Es gibt keinen schöneren Platz als hier“, sagt der Box-Tüftler.