
Es sollte für den 64-jährigen selbständigen Kurierdienstunternehmer der Sprung in eine gute Zukunft werden. Am Ende seiner Träume steht jetzt für ihn aber eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten. Zu seinem Glück noch einmal zur Bewährung ausgesetzt. Zu seinen mehr als 100 000 Euro Schulden kommen für den Unternehmer jetzt noch 6000 Geldauflage sowie die Kosten des Strafverfahrens hinzu.
Das ganz große Geld wollte der Mann, der damals im Raum Gemünden wohnte und jetzt in Thüringen seine Bleibe hat, mit einem Ausbau seines Kurierdienstes machen. Dazu wollte er seine Flotte mit neuen Mitarbeitern aus Rumänien vergrößern. Sie sollten mit Klein-Lkw der "Sprinter-Klasse" Teile für die Automobilbranche fahren. Um dieses Projekt zu verwirklichen, wagte er einen Griff in die faule Trickkiste.
Meldeadressen für Fahrer aus Osteuropa erfunden
Schnell waren für den gelernten Kaufmann geeignete Arbeitnehmer aus Osteuropa gefunden. Diese benötigten aber für sich ein eigenes Handy und ein Bankgirokonto. Um eines einrichten zu können, war aber eine behördliche Meldeadresse erforderlich. Da die nicht vorhanden waren, erfand der Unternehmer welche und zwar für Wohnungen im Raum Gemünden, in Bad Kissingen und in Würzburg. Die für die Anmeldungen bei den Einwohnermeldeämtern notwendigen "Wohnungsgeberbescheinigungen" stellte der Mann selber aus.
Was er jedoch nicht bedachte, war die behördenübergreifende Zusammenarbeit. So übermitteln die Meldeämter ihre Daten an die Finanzverwaltung, die wiederum Steuer-ID-Nummern vergibt und diese an die Wohnungsbewohner verschickt. Das war auch der Grund dafür, dass der ganze Schwindel aufgeflogen ist. Eine Hauseigentümerin aus der Kurstadt Bad Kissingen hatte 2018 eine ganze Reihe von Briefen vom Finanzamt für neun Bewohner in ihrem Briefkasten und war ratlos. Somit wandte sie sich an die Meldebehörde, die wiederum die Polizei informierte.
So wie der 45-jährigen "Zimmervermieterin" aus Bad Kissingen ging es auch einem 69 Jahre alten Professor in Würzburg. Der schickte die Finanzamtsbriefe, die an Menschen mit rumänischen Namen adressiert waren, an die Behörde zurück.
Ob die Meldebehörden denn nicht feststellen können, ob eine Wohnadresse korrekt ist, wollte Strafrichter Dr. Sven Krischker von den Mitarbeitern aus Bad Kissingen und Würzburg in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Gemünden wissen? "Leider nein", meinte die Bad Kissinger Verwaltungsangestellte. "Der Datenschutz steht hier dem neuen Bundesmeldegesetz entgegen", beklagte die Frau diesen Missstand.
Bei Tankrechnungen und Handyverträgen gemauschelt
"Ich hatte in dieser Zeit große finanzielle Probleme", erklärte der Unternehmer, denn mit den falschen Wohnungsbescheinigungen war die Liste der angeklagten Straftaten noch nicht zu Ende. Über die eingerichteten Girokonten seiner Mitarbeiter hatte er EC-Karten mit den notwendigen PIN besorgt, die aber allesamt bei ihm verblieben. Damit zahlte er an einer Tankstelle seine Tankrechnungen im Gesamtwert von 668,71 Euro. Nach der Abbuchung von den Konten widersprach er den Einzugsermächtigungen, wodurch die Betreiberfirma heute noch auf dem Schaden sitzengeblieben ist.
Ebenso verfuhr er mit einem Anbieter von Mobilfunkverträgen. Hier ließ er sich Mobilfunkgeräte für seine Mitarbeiter ausliefern und widersprach ebenfalls den Einzugsermächtigungen.
Was nicht nur bei Richter Krischker sondern bei allen Anwesenden im Gerichtssaal für Kopfschütteln sorgte, war die Tatsache, dass der Mobilfunkanbieter die widersprochenen Abbuchungsbeträge teilweise sogar zwei Mal an den Unternehmer zurück überwies. Obwohl von der Polizei informiert, hat der Anbieter auch später nicht versucht, an die ausstehenden Beträge in Höhe von 3930,45 Euro zu gelangen. "Aus wirtschaftlichen Gründen", ließ sie in einem Schreiben wissen, verzichtete die Firma auf eine Strafanzeige.
Verteidiger, Staatsanwalt und Richter einig
Durch ein umfassendes Geständnis des bereits einschlägig vorbestraften und noch unter Bewährung stehenden Mannes, konnte das Verfahren gegen ihn ohne ein größeres Zeugenaufgebot zu Ende gebracht werden. Und das in seltener Übereinstimmung von Staatsanwalt, Verteidiger und Richter. Der Verteidiger schloss sich vollumfänglich dem Antrag der Anklage an.
Ein Jahr und elf Monate, für fünf Jahre (die längst mögliche Bewährungszeit, die das Gesetz zulässt) zur Bewährung ausgesetzt, urteilte schließlich Richter Krischker. Die 6000 Euro Geldauflage gehen an das Kinderhospiz Sternenzelt in Marktheidenfeld.