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Lohr
"Trauercafé" in Lohr: Die Zeit heilt eben doch nicht alle Wunden
Kleine Gedenkfiguren, etwa in Form eines schlafenden Engels, können Angehörigen bei der Trauerarbeit helfen. Als noch wichtiger werden Gespräche erlebt, in denen man sich gemeinsam an den Verstorbenen erinnert.
Foto: Pat Christ | Kleine Gedenkfiguren, etwa in Form eines schlafenden Engels, können Angehörigen bei der Trauerarbeit helfen. Als noch wichtiger werden Gespräche erlebt, in denen man sich gemeinsam an den Verstorbenen erinnert.
Bearbeitet von Pat Christ
 |  aktualisiert: 25.03.2023 02:29 Uhr

Dass man jemals im Leben wieder gut gelaunt sein könnte, erscheint vollends unmöglich: Stirbt ein Mensch, den man sehr geliebt hat, kann alles in völliger Trostlosigkeit versinken. "Dennoch sind Verbindungen zu anderen Menschen wichtig, damit sich Sprachlosigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung und das Gefühl von Verlassenheit nicht einnisten", sagt Michaela Monno-Linde von der Fachstelle für pflegende Angehörige der Caritas in Lohr. Ein neues "Trauercafé" im Lohrer Pfarrheim will dabei helfen, Kontakt herzustellen.

Aus tiefer Trauer heraus die Verbindung mit anderen Menschen zu suchen, bedeutet für viele Betroffene, eine Hemmschwelle durchbrechen zu müssen. Das "Trauercafé", das erstmals am 17. März im Pfarrheim von St. Michael stattfand, war deshalb so niederschwellig wie möglich gestaltet. "Es handelt sich um ein Angebot der Pfarrgemeinde, von daher ist davon auszugehen, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht komplett fremd sind", sagt Mitorganisatorin Michaela Monno-Linde. Zum Auftakt hielt Lohrs Pfarrer Sven Johannsen eine kurze Andacht. Im Anschluss waren die Trauernden zu Kaffee, Kuchen und Gesprächen ins Pfarrheim eingeladen.

Niemand ist gezwungen, über Trauer zu reden

Wer zum Trauercafé gekommen ist, war auch nicht gezwungen, von sich und seiner Trauer zu reden. "Das Trauercafé bietet die Möglichkeit, eine passive, abwartende Haltung bei Kaffee und Kuchen einzunehmen, in einer Gemeinschaft, die man möglicherweise von Festen, Kirchgängen oder Feiertagen kennt", sagt Michaela Monno-Linde. Man weiß, dass die anderen ebenfalls einen Verlust erlitten haben: "Darüber darf man ins Gespräch kommen, muss aber nicht."

Oft gingen dem Tod wiederkehrende Aufenthalte in einem Klinikum oder bange Tage des Hoffens auf einer Palliativstation voraus. Oft war der Verstorbene am Ende seines Lebens pflegebedürftig. In ihrer Funktion als Pflegefachberaterin in Main-Spessart kennt Michaela Monno-Linde etliche Menschen in dieser Situation. "Die Trauer mit ihren Sorgen, Ängsten, Nöten und Belastungen fängt bei Pflegebedürftigkeit schon vor dem eigentlichen Tod an", sagt sie. Sie selbst sagt allgemeines zur Trauer, wie etwa, "dass Trauer nichts Pathologisches ist." Jeder habe das Recht, auf seine Weise zu trauern: "Es gibt kein Patentrezept, um den Schmerz des Verlustes zu mindern."

Lohrer Stadtpfarrer Sven Johannsen: Trauer verbindet

Charakteristisch für trauernde Menschen ist laut Michaela Monno-Linde, dass sie das Leben retrospektiv betrachten. "Je nachdem, wie lange der Todesfall zurückliegt, ist es deshalb nicht ratsam, Trauernde auf zukünftige Dinge anzusprechen", gibt sie zu bedenken. Möglicherweise liege die Zukunft im dichten Nebel. Oft sei sie angstbesetzt, weil man sie ohne den geliebten Menschen erleben muss: "Die Gegenwart zu bewältigen, ist schwer genug, am liebsten flüchten sich Trauerende in Erinnerungen, also in die Vergangenheit." Im "Trauercafé" können Erinnerungen ausgegraben werden – und garantiert niemand wird den gefürchteten Satz äußern: "Die Zeit heilt alle Wunden."

Viele Menschen empfinden es als tröstlich, zu sehen, dass das, was sie selbst gerade durchmachen, kein Einzelschicksal ist. Gerade Trauer verbindet, bestätigt Lohrs Stadtpfarrer Sven Johannsen. Jedes Jahr beerdigt er um die 50 Verstorbene. Viele sind hochbetagt. Was die Trauer der Hinterbliebenen in keiner Weise schmälert. "Ich hatte es jetzt erst mit einem Ehepaar zu tun, das vor der Eisernen Hochzeit stand", berichtet er. Die beiden waren also nahezu 65 Jahre verheiratet. Nun starb der Mann. Die Ehefrau bleibt alleine zurück. Plötzlich fehlt so vieles, was fast 65 Jahre lang selbstverständlich war. Der Tod riss ein riesengroßes Loch in das Leben der Frau.

Trauercafé als kleine Oase des Wohlfühlens

Das Thema "Tod" nimmt im katholischen Glauben eine bedeutsame Stellung ein, man denke nur an den Martertod vieler Heiliger oder den Tod Jesu am Kreuz. "Auch in der Seelsorge spielen Sterben, Tod und Trauer eine große Rolle", sagt Sven Johannsen. Beerdigungen seien wesentlich häufiger als Trauungen oder Taufen. Eine Umfrage des Lohrer Pfarrgemeinderats kurz nach Weihnachten ergab, dass die pastorale Hilfe in Sterbe- und Trauerphasen für die Gläubigen von immenser Bedeutung ist.

"Dadurch erfuhren wir vom Wunsch, noch stärker auf Trauernde zu schauen", so der Priester. Die Umfrage war letztlich auch Auslöser für die Idee "Trauercafé". Dieses soll eine kleine Oase des Wohlfühlens sein für alle Männer und Frauen, die irgendwann einmal jemanden verloren haben, den sie noch immer vermissen. Letztlich, so der Theologe Johannsen, ist Trauer etwas, das nie ganz vergeht.

 
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