Es war wohl ein schlichtes Missverständnis zwischen Fußgänger und Autofahrer – jedoch eines mit tödlichen Folgen. Weil er am 4. Januar 2011 zu schnell unterwegs gewesen war und dabei den in der Stadt Gemünden bekannten Diakon Otto Hüttmeyer mit dem Auto erfasst und getötet hatte, musste sich ein 26-Jähriger vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten.
Eine wesentliche Frage bei der Verhandlung war, ob der Unfall zu vermeiden gewesen wäre. Und Richterin Daniela Schleifer kam zu dem Ergebnis, dass der Autofahrer fahrlässig gehandelt hatte und deshalb schuldig zu sprechen ist. Denn der gelernte Kfz-Mechatroniker war deutlich zu schnell gefahren und hatte – obwohl er gesehen hatte, dass der Diakon auf die Straße in Richtung Post lief – sein Auto nicht abgebremst.
Verhalten falsch gedeutet
Ein Missverständnis sei das alles gewesen, so der Verteidiger. Schließlich habe sich der tragische Unfall aus Sicht des Angeklagten folgendermaßen zugetragen: Gegen 17.20 Uhr war der Gemündener auf der Wernfelder Straße Richtung Karlstadt unterwegs. Es war dunkel, zudem lag am Straßenrand Schnee. Nach der Kreuzung Bergstraße sah er, wie der Diakon auf die Straße lief. Als dieser kurz stehen blieb, deutete das der Angeklagte als Signal, vorbeifahren zu dürfen. Der Diakon lief jedoch weiter, es kam zum Aufprall.
Was dann passierte, weiß der 26-Jährige nicht mehr. Auch kann er sich nicht mehr daran erinnern, ab welchem Zeitpunkt er gebremst hatte und wie schnell er wirklich fuhr. „Ich habe nicht auf den Tacho geschaut“, gab der Kfz-Mechatroniker zu. Eine Dekra-Gutachterin sagte vor Gericht, es seien 65 bis 74 Stundenkilometer gewesen. Bei einer Strecke, auf der die Richtgeschwindigkeit 50 Kilometer pro Stunde beträgt.
Der Angeklagte widersprach nicht. Mehrmals betonte sein Verteidiger, dass der 26-Jährige die Tat sehr bedauere. Im Gerichtssaal machte dieser einen gefassten und reuigen Eindruck. „Es tut mir sehr leid. Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen“, sagte der Angeklagte im letzten Wort.
Mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe kann eine fahrlässige Tötung betraft werden, erklärte die Staatsanwältin am Schluss. Jedoch müsse man dem Angeklagten zugute halten, dass er Reue zeige, nicht vorbestraft sei und der Fußgänger ein Mitverschulden an der Tat trage, da er dem Autofahrer ein falsches Signal gegeben habe.
Sie berief sich auf das Dekra-Gutachten, dass auch der Fußgänger den Unfall hätte vermeiden können, wenn er einfach stehen geblieben wäre. Die Staatsanwältin forderte eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 40 Euro und ein zweimonatiges Fahrverbot.
Nachdem sich der Verteidiger dazu entschlossen hatte, keinen konkreten Antrag zu stellen, verurteilte Richterin Daniela Schleifer den 26-Jährigen zu einer Strafe von 140 Tagessätzen zu je 40 Euro. Sie kritisierte, dass der Angeklagte die Reaktion des Fußgängers nicht weiter beobachtet hatte und das, obwohl bei älteren Menschen und Kindern besonders hohe Sorgfalt nötig sei.
Träger der Verdienstmedaille
Brisant ist der Fall in Gemünden, denn der 83-jährige Diakon war in der ganzen Stadt bekannt und beliebt. Er engagierte sich in der evangelischen Gemeinde, war Lektor, leitete den 1992 gegründeten Morgenkreis sowie den Seniorenkreis und war seit 1994 Vorsitzender des Bundes der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen. Für den Einsatz zum Gemeinwohl erhielt Otto Hüttmeyer zudem die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik.
Besonders tragisch war das Unglück insofern, da Otto Hüttmeyer verschiedene Verkehrsverbesserungen im Interesse von Senioren angemahnt hatte und der fehlende Überweg zur Postfiliale mehrfach Thema im Stadtrat gewesen war. Während der aktuellen Haushaltsberatungen hat der Rat den Überweg an der Wernfelder Straße nun beschlossen.
ONLINE-TIPP
Lesen Sie frühere Berichte über den Unfall unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden.