
Diese Überraschung ist den Christsozialen zweifellos gelungen: Kaum jemand hatte den 58-jährigen Thomas Stamm als Bewerber um das Bürgermeisteramt in Marktheidenfeld auf dem Schirm. Im Mai 2020 will der parteilose Finanzwirt die Nachfolge von Helga Schmidt-Neder (Freie Wähler) antreten. Die Nominierung sei durch den Vorstand und die Mitglieder des Ortsverbandes am Dienstagabend einstimmig erfolgt, informierte der Ortsvorsitzende Richard Oswald am Freitag in einer Pressekonferenz im Hotel Zur schönen Aussicht.
Stamm sei "ein Supermann", meinte Oswald und jemand, "der Marktheidenfeld für die Zukunft weiterentwickeln will". Auch der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Christian Menig, sieht in Stamm den Richtigen und in seiner Kandidatur noch einmal einen Schub für die im Entstehen begriffene Ratsliste, die bislang "zu zwei Dritteln voll" sei. Für die Kandidatensuche, an der auch Altbürgermeister Leonhard Scherg beteiligt war, habe man sich viel Zeit genommen. Spätestens seit der Zusage von Stamm sei für ihn selbst die Frage einer Kandidatur erledigt gewesen, sagt Menig, der bei der Wahl vor sechs Jahren gegen Schmidt-Neder gescheitert war.
Heute parteilos und das auch nach der Wahl
"Hut ab", meinte Thomas Stamm angesichts der Entscheidung der CSU, ohne Gegenstimme einen parteilosen Kandidaten zu akzeptieren und obendrein einen Kandidaten, der mit Wohnsitz Hafenlohr bei einem Scheitern für die Stadtratsliste keinen Sitz bringe. Aber parteilos zu sein, das sei ihm ein wichtiges Anliegen. Stamm: "Ich sehe das auch als große Chance an, denn ein Bürgermeister soll für alle Bürger, Gruppierungen und Parteien da sein." Natürlich sei eine persönliche Nähe zur CSU da, aber ein Beitritt sei auch nach einer erfolgreichen Wahl kein Thema.

Gleich zweimal antwortete Thomas Stamm auf entsprechende Fragen, nicht "den zweiten Schritt vor dem ersten" tun zu wollen, denn zunächst müsse er mal gewählt sein. Aber ja, er fühle sich mit seinen 58 Jahren fit und "würde auf jeden Fall zwei Amtszeiten in Betracht ziehen", und ja, vermutlich seien nach einem Wahlerfolg seine Ehrenämter als Vorsitzender der Rudergesellschaft Marktheidenfeld und Präsident des Bayerischen Ruderverbandes nicht mehr für ihn zu leisten.
Familie, auch die des verstorbenen Bruders, unterstützt ihn
Der 58-Jährige, Bruder des im vergangenen Jahr überraschend gestorbenen Zweiten Bürgermeisters Manfred Stamm (CSU), ist ein politisch interessierter Mensch, hat aber noch nie auf einer Liste bei Kommunalwahlen kandidiert. Vielleicht, so sinnierte er, wäre er früher in den Marktheidenfelder Stadtrat gegangen, wenn sein Zuhause nicht in Hafenlohr wäre, denn die Beteiligung am Projekt Mainufergestaltung habe ihm viel Freude bereitet. Seine Familie unterstütze ihn, auch die Familie seines Bruders und seine Mutter, obwohl allen vom Engagement seines Bruder Manfred her bekannt sei, welche Belastungen ein kommunalpolitisches Amt mit sich bringe.
Auf aktuelle stadtpolitische Themen eingehen mochte Stamm im Pressegespräch noch nicht, da müsse er sich erst noch umfasssender informieren. Eines aber wollte er schon feststellen: "Es wird so eine wertvolle Arbeit in Marktheidenfeld gemacht, aber die öffentliche Wahrnehmung ist eine ganz andere." Das finde er schade und er frage sich nach den Gründen. "Ist in Marktheidenfeld etwas aus dem Gleichgewicht geraten? Fehlt die Identifikation der Bürger mit ihrer liebenswerten Stadt oder liegt es an den aktuell noch ungelösten Themen, die unsere Bürger beschäftigen?" Sein Appell: "Wir müssen in Marktheidenfeld gut zusammenarbeiten und über den Tellerrand hinausschauen."
Sieben der neun CSU-Stadträte wollen weitermachen
Für den Fraktionschef der CSU, Christian Menig, ist das bei aller kontroverser Diskussion, die man im Stadtrat um die Sache führe, auch ein Anliegen. Menig: "Marktheidenfeld steht gut da und wir kriegen das für die Zukunft noch besser hin." Zur Liste informierte er auf Nachfrage, dass von den derzeit neun CSU-Stadträten sieben wieder kandidieren werden. "Klaus Feder hört sicher auf und Martin Geberich überlegt noch." Bürgermeisterkandidat Stamm will sich dafür einsetzen, dass noch mehr junge Leute und vielleicht auch Quereinsteiger aus der Wirtschaft auf die Liste finden.
Stamms Kandidatur begrüßt auch der Kreisvorsitzende der CSU, der Landtagsabgeordnete und Hafenlohrer Bürgermeister Thorsten Schwab. Wie gut gehütet das Geheimnis war, zeigt die Tatsache, dass auch er erst am Dienstagabend von der Nominierung seines parteilosen Mitbürgers erfahren hat. Thomas Stamm: "Am Sonntag hatten wir noch Wahldienst zusammen, da war es schwer, nichts zu sagen."
Standpunkt: Der CSU gelingt ein echter Coup
Von Joachim SpiesMit Thomas Stamm haben die Christsozialen schon mal vorweggenommen, was ihrem Bürgermeisterkandidaten für seine politische Arbeit ein Anliegen ist: Sie haben über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut. Gefunden haben sie einen, der die Messlatte für mögliche Kontrahenten bei der Entscheidung im März 2020 hoch legt, und den die CSU für so aussichtsreich hält, dass eventuelle parteiinterne Kandidaten gerne zur Seite traten. Mag Stamm auch kommunalpolitisch weitgehend unbeleckt sein, so ist er im Umgang mit Gesellschaft und Medien doch ein Profi und sehr gut vernetzt.
Der CSU ist ein echter Coup gelungen, eine richtige Überraschung. Ob der Schwung aus dem gelungenen Auftakt bis ins Ziel trägt, wird sich weisen müssen. Auf der Ruderstrecke liegen mit Themen wie Krankenhaus, Mainkaiparkplatz, Leerständen und innerstädtischem Verkehr noch manche Felsen, auf denen sich auch ein flott gestartetes Boot festfahren kann.
Endlich einmal Kompetenz und Fachverstand .
Und mit einem guten Team endlich mal nee vernünftige Alternative
zu den Freien Wählern .