Musiker aus der Region klagen: Die weltweit einzige Filiale des Treppendorfer Musikhauses Thomann in Retzbach schließt. Letzter Verkaufstag ist Donnerstag, 30. Juni. Die beiden Geschäftsführer Gabi und Rudi Röder bedauern den Schritt selbst. Er sei die logische Konsequenz des immer mehr zunehmenden Internet-Handels.
Wer in die Retzbacher Filiale kommt, ist König. Musikinstrumente und Zubehör auf einer Verkaufsfläche von 1500 Quadratmetern, dazu acht Mitarbeiter zur Beratung. Bei 50 bis 60 Verkäufen am Tag sei all dies auf Dauer nicht mehr zu halten, sagt Hans Thomann, der Chef des Mutterhauses in Treppendorf. Die Verkäufe sind schließlich nicht immer ein teures Instrument oder Gerät. Da sind auch Kabel oder ein Satz Gitarrensaiten dabei.
Als 2008 das vormalige Musikhaus „Drums und Musik“ bei Thomann angegliedert wurde, habe man auf einen Umsatz von 3,5 Millionen Euro pro Jahr gehofft. Zuletzt seien es 1,9 Millionen gewesen. Hans Thomann und Rudi Röder sprechen von einem unglaublichen Drang der Kunden ins Internet. Überdies habe man in Retzbach nicht den Platz für alle Sparten. So war hier nie eine Klavierabteilung dabei.
Rudi Röder sieht in der Umwandlung des Musikhauses Thomann im August 2015 von einer Einzelgesellschaft zu einer GmbH einen weiteren Grund für die schwierige Lage. Denn seitdem werde anders gerechnet. So würden beispielsweise die Werbung und die Logistik auch mit auf die Retzbacher Filiale umgelegt.
Weiterbeschäftigung angeboten
Arbeitslos werde keiner der Mitarbeiter. Sie können ausnahmslos in Treppendorf im Steigerwald weiterarbeiten, erklärt Röder. Er selbst werde etwas anderes machen. Geplant ist, dass er Sohn Maximilian (23) unterstützt, der im September im bisherigen Retzbacher Musikhaus das Modelabel „Max Magina“ mit sportiver Mode starten will. Damit geht Rudi Röder (61) zurück zu seinen Wurzeln. Bei Sport-Spohr in Würzburg hatte er seinerzeit die Sport-Boutique eingerichtet.
Gabi Röder (55) wird in Treppendorf bei ihrem Bruder Hans Thomann tätig werden, wo 82 000 Artikeln auf 6000 Quadratmetern Verkaufsfläche angeboten werden. Jedes dritte Musikinstrument in Deutschland kommt aus Treppendorf. 136 Mitarbeiter sind es dort.
Rudi Röder sieht die Entwicklung hin zum Internet kritisch: Gerade Instrumente wolle man als Kunde ausprobieren, den Klang testen. Ganz wichtig sei auch die Kommunikation zwischen Händler und Kunde. Manchmal sind es kleine Tipps, die ein technisches Problem klären. Simples Beispiel: die Reihenfolge der Anschlüsse bei technischen Geräten.
Solche winzigen Missverständnisse haben schon zu Rücksendungen geführt. Röder sieht generell einen stärkeren Trend bei Rücksendungen. Wer sich nicht zwischen drei Gitarren entscheiden kann, bestellt sie alle. Dann sind eben zwei Retoure. So rollt immer mehr Ware über die Straßen. Röder: „Das wird aber bis 2020 weiter zunehmen und holt uns irgendwann ein, wenn wir jetzt nicht reagieren.“
In Europa sei beim Internet-Handel der Gesamtumsatz – also nicht der von Thomann – von 156 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf heuer erwartete 219 Milliarden gestiegen. Bei Thomann selbst betrug 2015 der Gesamtumsatz 656 Millionen Euro.
Gabi Röder ist die Schwester von Hans Thomann. Durch die Heirat mit dem Zellinger Rudi Röder war sie an den Main gekommen und hatte zunächst in Zellingen 1989 ein eigenes Musikgeschäft gegründet. 1997 war das Musikhaus in Retzbach fertig.
Musikschule bleibt erhalten
Auch wenn jetzt das Ende der Retzbacher Filiale bevorsteht, betont Rudi Röder: „Trotz dieser geschäftspolitischen Entscheidung sind wir uns nach wie vor in unserer verwandtschaftlichen Beziehung vor gut.“ Und Thomann beteuert, die Entscheidung sei ihm „unglaublich schwergefallen“. Erhalten bleiben wird in den Retzbacher Musikhaus die Clavis-Musischule von Matthias Schmitt.