
Ein großes Bett, zwei Stühle mit einem kleinen Tisch, ein Fenster. Mehr Bühnenbild braucht es nicht für die französische Komödie "Glück" (Le Bonheur) von Eric Assous, die am Freitag in der gut besuchten Spessartgrotte in Langenprozelten Premiere feierte. Zu einem Chanson von Charles Aznavour betraten Louise (Carmen Wedel) und Alexandre (Michael Schäfer) die Bühne bzw. das Bett. Die Kinderbuchautorin und der Restaurantbesitzer haben sich am Abend zuvor kennengelernt und zusammen eine heiße Nacht genossen – unverbindlich und wunderschön. Glück könnte so einfach sein!
Doch mit dem Aufwachen zeigen sich die Unterschiede der beiden. Louise möchte gemeinsam frühstücken, sich unterhalten, den Mann näher kennenlernen. Sie stellt die Tabu-Frage: "Wann sehen wir uns wieder?" Alexandre dagegen hat nur ein Ziel: Rein in die Klamotten und raus aus der Wohnung. Kurzerhand schließt Louise die Tür zu und versteckt den Schlüssel.
In seiner Verzweiflung ruft Alexandre die Polizei an
Zunächst glaubt Alexandre an einen Scherz. Als sie ihm einen Kaffee und zwei Toasts hinstellt, fügt er sich in sein Schicksal und würgt das Frühstück hinunter im Glauben, dann gehen zu können. Die Ausrede, er müsse seine Eltern vom Bahnhof abholen, glaubt sie nicht und besteht darauf mitzukommen. Aus gutem Grund hat Alexandre etwas dagegen, Louise seinen Eltern vorzustellen, denn eigentlich soll er seine Frau und seine drei Töchter abholen. In seiner Verzweiflung ruft er die Polizei an. Doch Freiheitsberaubung durch eine einzelne und unbewaffnete Frau wird dort nicht als Notlage eingestuft. Führt der Weg raus aus dem Fenster im vierten Stock und die Fassade runter? Kleinlaut gibt er den Versuch wieder auf und klettert zurück in die Wohnung.
Louise liest Alexandre ihr aktuelles Kinderbuch "Kicki der Pelzjäger" vor, es ist bereits ihr fünfzehntes Buch. Er hat sonst leider keine Zeit zum Lesen, höchstens mal die Zeitung. Sein Restaurant "Der provenzalische Hirsch" und die Gäste nehmen ihn komplett in Anspruch. Ungläubig fragt Louise nach. Keine Zeit für Lesen, Kino, Theater, Ausstellungen oder vielleicht Musik? Ja doch, Autoradio höre er manchmal. Sie gibt ihm das Buch "Glück". Wenn er es gelesen habe, könne er wiederkommen. Doch inzwischen möchte Alexandre gar nicht mehr gehen, denn er lebt in Scheidung.
Die beiden Darsteller überzeugen in ihren Rollen
Mit brillantem Witz und immer wieder überraschenden Wendungen begeistert die Geschichte das Premierenpublikum. Unter Regie von Helga Hartmann wurden Charaktere der beiden Protagonisten ausgezeichnet herausgearbeitet. Die rauhe, rauchige Stimme von Michael Schäfer passt ausgezeichnet zur Figur des unverbindlichen Lebemannes Alexandre. Geschickt wechselt er zwischen Empörung und Schmeichelei, je nachdem, wie es die Situation erfordert.
Carmen Wedel verkörpert überzeugend den Schöngeist Louise. Sie ist interessiert an Philosophie und Kultur, analysiert ihr Leben mit Unterstützung eines Psychologen –und sucht nach einer festen Beziehung, verhält sich wie eine Klette. Unterschiedlicher könnten die beiden kaum sein. Und doch ist da eine starke Anziehung. Allerdings laufen die Bedürfnisse nach Nähe und Abstand nicht synchron. Die Liebe und das Leben zu zweit: Eine Gleichung, die mit zunehmender Lebenserfahrung seltener aufgeht. Aber dieses Mal vielleicht doch?