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Gemünden
Theater: Berliner Compagnie zeigt Schrecken des syrischen Bürgerkriegs
Die Berliner Compagnie führte in Gemünden das Stück 'Die Sehnsucht nach dem Frühling' auf. Es thematisiert den syrischen Bürgerkrieg.
Foto: Wolfgang Fella | Die Berliner Compagnie führte in Gemünden das Stück "Die Sehnsucht nach dem Frühling" auf. Es thematisiert den syrischen Bürgerkrieg.
Franz Gerhard
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:55 Uhr

Betroffenes Schweigen, als die Lichter erloschen. Dann ein Beifall, der nicht enden wollte. Die Akteure der Berliner Compagnie hatten es verstanden, dem Publikum im Festsaal des Kreuzklosters das Chaos und die Schrecken des syrischen Bürgerkrieges nahe zu bringen, und sich damit einmal mehr als Meister des politischen Theaters erwiesen.

Eine schwarze Bühne, lediglich fünf Stühle als Requisiten, zwei Frauen und drei Männer. Dass die Schauspieler verschiedene Rollen verkörpern, vor allem wenn gemeinsam demonstriert oder gekämpft wird, irritiert nur in den ersten Szenen. Bald aber sind die Positionen klar. Da ist Suleika, Sunnitin, eine junge Journalistin und Demonstrantin der ersten Stunde. Ihr geliebter Stiefvater, ein Alawit und Oberst der Arabisch-Syrischen Armee wird zu ihrem Gegner. Ihr Verlobter Wahlid, angehender Imam und zum Martyrium bereit, schließt sich der Al-Nusra-Front an und wird getötet. Nur Dawud, ihr Halbbruder und christlicher Militärarzt, bleibt ihr Vertrauter. Mutter Aischa, Angehörige der sunnitischen Mehrheitsgesellschaft, versucht, ihre Familie in dieser schweren Zeit zusammenzuhalten; sie stirbt in Damaskus durch eine Autobombe.

Ursachenforschung: Das Land wurde modernisiert, aber nicht reformiert. Statt Diktatur und Korruption wird der Ruf nach Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit immer drängender. Doch wer schützt die Minderheiten, wenn der Assad-Clan durch eine islamische Republik ersetzt wird? Die Aufständischen sind zerstritten, bald geht es nicht mehr um die anfänglichen Ziele, sondern nur um die Beschaffung möglichst wirksamer Waffen. Ausländische Mächte greifen ein, verfolgen ihre je eigenen Interessen, der Volksaufstand mutiert zu einem fürchterlichen Stellvertreterkrieg. Und er verändert die Menschen. Beklemmend die Szene, als der bisher so friedliche Dawud in Panik einen Jungen erschießt und entdecken muss, dass dieser nicht Sprengstoff, sondern Brote unter den Kleidern verborgen hatte.

Wie konnte es geschehen, dass eine friedliche Protestaktion im Frühjahr 2011 zum blutigsten Konflikt der Gegenwart eskalierte? Eine Herkulesaufgabe, aus den oft unüberschaubaren politischen Verwicklungen die Wahrheit herauszufiltern. Festzustellen, wer im Recht oder wer schuldig ist, so gut wie unmöglich. Die Berliner Compagnie hat es immerhin geschafft, die verworrene Situation, zugespitzt auf die unterschiedlichen Familienmitglieder, überschaubar und nachvollziehbar zu machen. Vor allem wurde deutlich, dass ein Ende der Zerstörungen und des Blutvergießens nicht durch Waffengewalt, sondern nur durch Beteiligung aller Konfliktparteien an den Friedensverhandlungen zu erreichen ist. Hoffnung scheint auf, als Suleika, am Ende im Flüchtlingslager vor der türkischen Grenze, in ihrem grünen Kleid den anbrechenden Frühling besingt.

Die syrischen Flüchtlinge unter den Besuchern bestätigten, dass die Inszenierung den Verlauf des Krieges treffend wiedergebe und auch ihren eigenen Erfahrungen entspreche. Den Veranstaltern, dem Eine-Welt-Verein Esperanza, der Theodosius-Florentini-Schule und der Fairtrade-Stadt Gemünden, sei es darum gegangen, die unter dem Krieg leidenden Menschen inmitten der alltäglichen Nachrichtenflut nicht zu vergessen und auch einen Einblick in die Zusammenhänge und Hintergründe zu gewähren, betonten ihre Sprecher vor Beginn der Aufführung. Es war ein hochinteressanter Theaterabend, der keinen der rund 120 Gäste unberührt ließ.

 
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  • J. S.
    Erinnert sich keiner mehr daran?
    Wer hat eigentlich den syrischen Bürgerkrieg ausgelöst?
    Ein paar einzelne Wutbürger, weil die Polizei einen offensichtllich rabiaten Jugendlichen abgeführt hatte. Letztlich nur ihre Pflicht taten. Die gleiche Prozedur wie der Aufstand Majdanek in Kiew. Die Empörung aus dem Westen folgte immer prompt und die Unterstützung von gesetzeswidrigen handelnden Personen durch den ach so empörten Westen. Jetzt haben wir den Schlamassel. Die Nichteinmischung in die Angelgenheiten anderer auch anderer Länder war früher mal ein hohes Gut und eine gute Diplomatie und diente der Deeskaltion und dem Frieden. Heute kümmert sich die halbe Welt um einen saudiarabischen Journalisten. Wir alle und auch die Industrie müssen herhalten und darunter leiden. Sippenhaft nennt man das. Wem ist denn damit gedient? Der Film liefert die Beweise. Es hätte dies alles nicht gebraucht. Es waren eigentlich nur Lapalien. So entstand auch der erste Weltkrieg. Der Mord durch einen Fanatiker.
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