Am Samstagnachmittag im Park Tejo sind bei Elisa Nötscher und Judith Jung die Kräfte langsam am Ende. Bei brütender Hitze hatten sie am Vormittag wie Millionen anderer junger Menschen den langen Fußweg zum zentralen Abschlussgelände des 37. Weltjugendtags (WJT) in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon unternommen und stehen nun vor der größten Menschenansammlung, die sie in ihrem Leben je zu Gesicht bekommen haben.
Dass sich für die abschließende Vigilfeier mit Papst Franziskus am Ende eineinhalb Millionen Gläubige aus aller Welt versammelt haben, weiß Nötscher zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "Es sind auf jeden Fall viel zu viele eigentlich", beschreibt die 18-Jährige aus Zellingen am Telefon ihren Eindruck und lacht. Bäume oder andere Schattenspendern sind hingegen rar, weshalb sich die Menschenmassen eifrig darum bemühen, sich mit Fahnen, Schlafsäcken oder Zeltplanen vor der Sonne abzuschirmen. "Selbst zwischen Mülltonnen ist es vielen lieber als in der Sonne zu sitzen", berichtet Nötscher von einer besonders eindrücklichen Szene.
Am Morgen nach der Vigilfeier werden die Millionen Gläubige von Techno geweckt
Auch Judith Jung wird diese Bilder nicht mehr vergessen, doch die Massenversammlung hat sie vor allem positiv beeindruckt. Dabei, so berichtet die 22-Jährige, werde ihr besonders der Morgen nach der Übernachtung auf dem Feld in Erinnerung bleiben: "Langsam wachen alle Leute auf, die Musik fängt an zu spielen, ein Priester legt als 'DJ Church' Techno auf, die Sonne geht auf und die Stimmung ist einfach der Wahnsinn."
Ein Highlight am Ende eines zweiwöchigen Abenteuers, zu dem Jung, Nötscher und Maja Stockmann, die dritte Zellingerin im Bunde, keineswegs alleine aufgebrochen waren. Zusammen mit einer etwa 80-köpfigen Reisegruppe aus den Diözesen Würzburg und Bamberg sowie den Würzburger Partnerbistümern Obidos (Brasilien) und Mbinga (Tansania) machten sich die drei jungen Frauen am 24. Juli mit dem Bus auf die 2400 Kilometer lange Fahrt nach Portugal.
"Liebevolle Gastfreundschaft" bei den "Tagen der Begegnung"
Ziel war dabei zunächst nicht Lissabon, wo ab dem 1. August der eigentliche Weltjugendtag stattfinden würde, sondern die Pfarrei "Nossa Senhora de Fátima" bei Aveiro, wo im Vorfeld des WJT eine Woche lang die "Tage der Begegnung" die Möglichkeit eröffneten, sich in Gastfamilien mit der Kultur des Landes vertraut zu machen. Etwas, auf das sich Jung in Vorbereitung auf die Reise besonders gefreut habe – und sich für sie im Nachhinein auch als ein absolutes Highlight darstellte: "Mit welcher Herzlichkeit wir in der Gemeinde willkommen geheißen wurden, hat mich total umgehauen."
Dabei sei den Gästen aus Deutschland nicht nur ein buntes Unterhaltungsprogramm inklusive einer gemeinschaftlichen Kajakfahrt und zahlreichen Festen geboten worden, sondern vor allem auch jede Menge Essen. "Wir wurden regelrecht mit Essen überhäuft, lernten so die typischen portugiesischen Gerichte kennen und wurden in das Familienleben integriert", schreibt Jung. Diese scheinbare kulturelle Eigenheit war auch Nötscher aufgefallen, die ganz verwundert von fünf Mahlzeiten am Tag berichtet.
Wie Jung und ihre Zellinger Mitministrantin Stockmann betont auch sie die "liebevolle" Gastfreundschaft der Portugiesen: "Die Verabschiedung in Aveiro von den Gastfamilien war herzzerreißend. Hier wurde auch nochmal klar, dass sie uns nicht aus dem Zweck raus aufgenommen haben, sondern weil es eine Ehre für sie war, uns aufnehmen zu dürfen." Es sei schwer gewesen, ihnen klarzumachen, dass sie selbst dankbar waren, bei ihnen wohnen zu dürfen. "Der Moment der Verabschiedung wird mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben", sagt sie.
"Unglaubliche Reise": Weltjugendtag in Portugal wird Zellingerinnen in Erinnerung bleiben
Nach diesem intimen kulturellen Austausch waren die Begegnungen auf dem eigentlichen Weltjugendtag für Jung fast etwas enttäuschend: "In Lissabon blieben wir eher für uns und es war schwieriger, mit anderen Leuten engeren Kontakt aufzubauen. Natürlich begegnete man sehr vielen verschiedenen Menschen in der Stadt und oft wird sich kurz unterhalten und Armbänder, Hüte oder Flaggen getauscht, was eine Art Tradition beim WJT ist, aber man trifft sich aufgrund der Masse an Menschen oft nur einmal."
Am durchweg positiven Fazit der drei Zellingerinnen konnte jedoch auch dieser Umstand oder der schweißtreibende Marsch zur Abschlussfeier mit dem Papst nicht rütteln. Ob "unvergessliches Erlebnis" (Stockmann) oder "unglaubliche Reise" (Jung), sprach Elisa Nötscher ihren Gefährtinnen am Samstag wohl aus der Seele, als sie den baldigen Abschied aus Lissabon als "sehr schade" bezeichnete. Nach einer Nacht unter freiem Himmel und zweien im Bus freuten sich alle drei am Dienstag jedoch zuerst einmal wieder auf ihr heimisches Bett.