Im Taxi- und Mietwagengeschäft wird mit harten Bandagen um jeden Kunden gekämpft. Auch im Landkreis Main-Spessart. Hier erreichte der „Taxikrieg“, wie er jetzt in der Verhandlung einer Privatklage vor dem Amtsgericht Gemünden, in der es um eine Beleidigung ging, offiziell genannt wurde, einen neuen Höhepunkt.
„Es ist möglich, dass Sie da in eine Falle getappt sind“, stellte Richter Christian Spruß fest, aber eine Beleidigung, wie sie zwischen zwei Taxiunternehmern stattgefunden haben soll, sei trotzdem nicht gerechtfertigt. Er stufte die Auseinandersetzung vor schwerkranken Menschen, die auf die Fahrt zu einer oder von einer Dialysebehandlung warten, als ein „unwürdiges Verhalten“ ein, bei dem es in der Hauptsache um „Macht, Geld und die Sicherung von Pfründen“ ging.
Unwürdiges Verhalten
Das „unwürdige Verhalten“ der beiden jetzt 71 und 56 Jahre alten Taxiunternehmer aus dem Landkreis hat sich bereits am 4. September 2014 vor dem Dialysezentrum in Marktheidenfeld abgespielt. Mit den Worten „du Penner, du Wichser, du willst der Vertreter der Taxiunternehmer sein“, soll der Jüngere den Älteren beleidigt haben. Als Zeuge trat ein weiterer, 59-jähriger Taxiunternehmer vor Gericht auf.
„Ich weise das zurück“, so der Beschuldigte. Die Situation sei anders gewesen. So habe er an jenem Tag in seiner kleinen Werkstatt gearbeitet, als er gegen 16.30 Uhr einen anonymen Anruf erhielt. Der Wortlaut: „Heute kriegen wir dich am Arsch, heute bist du fällig“. Kurze Zeit später sei er mit seinem Großraumtaxi zum Dialysezentrum gefahren, wo er auf den klagenden Konkurrenten sowie den Zeugen traf. Zu beiden ist das Verhältnis gespannt, zu dem einen, weil der 56-Jährige aus dem hiesigen Taxiverbund ausgetreten ist, und zum 59-Jährigen, weil dieser jetzt mit der Ex-Frau des Angeklagten zusammenlebt.
Dass es sich bei allen Vorfällen an diesem Tag tatsächlich um die von Richter Spruß erwähnte mögliche Falle gehandelt haben könnte, zeigten auch die weiteren Aussagen. So gab der ebenfalls Taxi fahrende Sohn der Lebensgefährtin des Angeklagten an, gegenüber dem Dialysezentrum einen Mann gesehen zu haben, der mit einer Kamera die Fahrzeuge des beklagten Unternehmers fotografierte und über deren Bewegungen Protokoll geführt hat. Dies wurde ihm untersagt, woraufhin er verschwand.
Es stellte sich heraus, dass der „Fotograf“ ein Mitarbeiter der Firma des Klägers war, denn er erschien als Zeuge vor Gericht und erklärte, er sei damals das erste Mal in der Marktheidenfelder Innenstadt gewesen und habe, weil er die so schön fand, Fotos machen wollen. „Nur so“, ohne Grund, will er mit seinem früheren Chef dorthin gefahren zu sein. Weiter bestätigte er die Beleidigungen und fügte in seiner Aussage sogar noch einige weitere Gehörte hinzu.
Andere Zeugen und die Indizien erschütterten allerdings diese Zeugenaussage. Wie konnte der „Fotograf“ nach seinem Weggang die verbale Auseinandersetzung mit Beleidigung gehört haben? Zudem erwies sich, dass er mit dem Taxi nahezu regelmäßig Patienten nach Marktheidenfeld ins Dialysezentrum fuhr.
„Wollen Sie mich verar….?“, platzte Richter Spruß der Kragen hinsichtlich der aufgetischten Märchen. Noch einmal wiederholte er die Zeugenbelehrung zur Wahrheitspflicht. Dass dieser Zeuge offensichtlich das Gericht angelogen hat, bestätigte sogar der klagende Taxiunternehmer.
Falsche Aussage des Zeugen
Im Beisein seines Rechtsbeistands erklärte er, dass er selbst „auf Wunsch anderer Taxiunternehmen hingefahren ist, um sich ein Bild von der Lage zu machen“. Demnach hätten die Kollegen sich beschwert, dass der Beklagte mit seinen Fahrzeugen den ohnehin knappen Platz vor dem Dialysezentrum blockiere und die anderen kaum Platz hätten. Um das zu dokumentieren, habe er seinen Angestellten mitgenommen. Dieser „sollte Beweisfotos für den Taxiverband in München“ machen.
600 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung (20 Tagessätze zu je 30 Euro) lautete schließlich das Urteil gegen den 56-jährigen Unternehmer. Während für ihn damit das Verfahren erst einmal beendet ist, wird sich die Staatsanwaltschaft schon bald mit den Aussagen des Sohnes seiner Lebensgefährtin und denen des fotografierenden ehemaligen Taxifahrers befassen. Bei beiden liegt der Verdacht nahe, dass sie nicht in allen Punkten der Wahrheit sprachen.
Privatklagen sind eine Seltenheit
Am Amtsgericht Gemünden standen sich in einer Privatklage zwei Taxiunternehmer aus dem Landkreis Main-Spessart gegenüber. Privatklagen gehören zu den sehr seltenen Verhandlungsarten. Sie kommen zustande, wenn ein Straftatbestand vorliegt, die Staatsanwaltschaft aber kein „öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung“ feststellt, weil die Schwere eher als gering eingestuft wird. Aus diesem Grund bleibt der Platz des Vertreters der Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal während der Verhandlung auch leer.
Für Richter Dr. Christian Spruß war es das zweite Mal, dass er als Vorsitzender Richter eine Privatklage zu verhandeln hatte. Beim Rechtsbeistand des Klägers, Rechtsanwalt Klaus Schröder, war es in seinen langen Berufsjahren sogar das erste Mal. TEXT: HN