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Windheim
Symbiose zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus
Gebietsbetreuer Christain Salomon zeigt Bilder von weiteren Bewohnern und Gästen der Büffelweide im Hafenlohrtal.
Foto: Jennifer Weidle | Gebietsbetreuer Christain Salomon zeigt Bilder von weiteren Bewohnern und Gästen der Büffelweide im Hafenlohrtal.
Bearbeitet von Peter Kallenbach
 |  aktualisiert: 14.06.2021 02:21 Uhr

Was macht der Wasserbüffel im Hafenlohrtal? Er kommt nicht nur mit der kargen Kost und dem nassen Untergrund zurecht. Durch die landwirtschaftliche Nutzung entsteht ein Lebensraum, der die Artenvielfalt spürbar fördert.

Anfang Juni fanden zwei Führungen zu den Wasserbüffeln im Hafenlohrtal statt — wenn auch mit Maskenpflicht, heißt es in einer Pressemitteilung des Naturparks Spessart. Christian Salomon, Gebietsbetreuer für Grünland im Naturpark Spessart, zeigte den Teilnehmenden, wie die kolossalen Weidetiere im unteren Hafenlohrtal leben und was sie erschaffen.

Salomon begleitet das Wasserbüffelprojekt, das als UN-Dekade-Projekt ausgezeichnet wurde, seit 2009. „Bevor der Naturpark Spessart das Projekt initiiert hat, lag der Talabschnitt brach, war verbuscht oder mit Fichten-Monokultur bepflanzt”, sagt er. Eine Artenvielfalt, wie sie heute besteht, war undenkbar.

Die Teilnehmenden der Führung kamen, um die Wasserbüffel zu sehen, „aber auch für das ganze Drumherum”, so eine Teilnehmerin aus Karsbach.

Während die Wasserbüffel ein Bad in einem Weiher auf ihrer Weide nahmen, informierte Landwirt Reinhold Tausch über die Tiere: 5000 Wasserbüffel werden in Deutschland gehalten; sie sind jedoch keine Wildtiere. „Sie sind seit Jahrtausenden domestiziert und werden für die Fleisch- oder die Milchproduktion für Büffelmozarella gehalten”, so der Bio-Landwirt aus Bergrothenfels.

Ideal fürs Hafenlohrtal

Tausch sagte, er habe auf den Weiden im Tal einst Galloway-Rinder gehalten. „Die habe ich im Herbst mit dem gleichen Körpergewicht von der Weide geholt, wie ich sie im Frühjahr draufgestellt habe.” Die karge Kost, wie Binsen und Seggengräser, reiche üblichen Weidetieren als Futter nicht. Die Wasserbüffel, die im Jahr 2019 Gesellschaft durch drei Exmoor-Ponies bekamen, nähmen mit dem Futter sogar noch zu; das Fleisch vermarktet der Landwirt auf Anfrage.

„Als ich noch wenig Erfahrung mit den Büffeln hatte, hätte ich einmal fast die Feuerwehr gerufen”, erzählt der Büffelflüsterer. Eine Kuh habe bis zum Bauch im Morast festgesteckt. „Die hat sich dann einfach rausgerollt. Jedes andere Tier wäre in Panik verfallen.”

Während der feuchte Boden bei üblichen Weidetieren zu Krankheiten an Hufen und Klauen führen würde, seien Wasserbüffel und Exmoor-Ponies – die das Moor schon im Namen tragen – hier ideale Weidetiere.

Was die Wasserbüffel brauchen und so ganz nebenbei für die Artenvielfalt tun, zeigt Gebietsebetreuer Christian Salomon einige hundert Meter weiter.

Bitte nicht betreten

Die Teilnehmenden sind dafür über das Tor der Nachbarweide geklettert – die ist gerade „unbebüffelt“, sonst wäre das Betreten zu gefährlich. Die Kinder dürfen mit Kescher und Gläsern kleine Tiere aus dem Tümpel fischen. „Ich beobachte gerade einen Mord!”, ruft die Zwölfjährige entsetzt. Eine Gelbrandkäferlarve (Dytiscus marginalis) nutzt die Situation im engen Glas, um einen Fadenmolch zu erlegen. „Das ist eben Natur”, so Salomon, der den Kindern aber zeigt, dass noch ganz viele kleine Molche im Tümpel leben.

Dass Amphibien und Insektenlarven, wie die Blaupfeil-Libelle (Orthetrum brunneum), hier einen Lebensraum gefunden haben, verdanken sie den Wasserbüffeln – denn die haben den Tümpel angelegt. „Das machen die natürlich nicht uneigennützig”, so Salomon. Wasserbüffel haben – im Gegensatz zu anderen Rindern – kaum Schweißdrüsen, in ihrem feuchten Lebensraum gibt es jedoch viele Stechmücken. „Um sich zu schützen, legen die Tiere Suhlen an und wälzen sich im Schlamm.” Dabei fänden die Büffel genau die Stellen, in denen sich Wasser sammelt.

Teilnehmende mit Christian Salomon (rechts), im Hintergrund die Exmoor-Ponies.
Foto: Jennifer Weidle | Teilnehmende mit Christian Salomon (rechts), im Hintergrund die Exmoor-Ponies.

Allen teilnehmenden Eltern ist wichtig, dass die Kinder rauskommen und so einen Bezug zur Natur entwickeln. Matthias Meidhof und Sohn Noah (9) sind aus Lohr hergekommen; er zeigt auf den Bach, die „wilde Weide” und das vorbeihuschende Reh. „Wir sind ja noch so aufgewachsen”, sagt er, sich umblickend. „Heute ist die Umgebung der Kinder viel mehr menschengemacht.” Er und seine Familie seien viel draußen, er nutzt nun die Führung, um vom Gebietsbetreuer Salomon Fachwissen aus erster Hand zu bekommen.

Fischotter und Luchs

„Ich habe eine Spur gefunden!”, ruft ein Kind. Im feuchten Ufer der Hafenlohr finden die Kinder Abdrücke von Reh und Pony. Salomon erklärt anhand von mitgebrachten Fotos, welche Tiere hier noch leben: Der Bestand der Fischotter wächst, die Anzahl der Waschbären, die Amphibienlaich und Vogeleier fressen, leider auch. Die Teilnehmenden staunen über das Foto von einem Luchs, das erst kürzlich mit einer Fotofalle des Naturpark Spessart ganz in der Nähe aufgenommen wurde.

Neue Tierarten

Selbst der Gebietsbetreuer wird immer noch überrascht. „Durch die Beweidung wächst hier seit einiger Zeit ein Weideunkraut.” Er zeigt auf die Blätter des Stumpfblättrigen Ampfers (Rumex obtusifolius); dieser wächst dort, wo Büffelfladen den Boden gedüngt haben. Doch statt eines negativen Effekts stellte sich eine neue Art ein: Der große Feuerfalter (Lycaena dispar) legt seine Eier nur an diese Pflanze und hat durch die Wasserbüffel eine Heimat im Hafenlohrtal gefunden.

„Mein Lieblingsfund war jedoch dieses hier”, freut sich Salomon und zeigt das Foto eines Vogelnestes aus Büffelhaar. „Daraus würde ich auch bauen, die Haare haben beste thermische Eigenschaften.”

Als die Teilnehmenden nach rund zwei Stunden zurück am Parkplatz sind, freuen sich auch die Eltern. „Diese Führung ist für alle interessant, nicht nur für Kinder”, so eine Mutter aus Bühler. Und was hat den Kindern am besten gefallen? „Die Ponies”, sagt eine Teilnehmerin und blickt schulterzuckend zu den Büffeln, „ich bin nun mal Pferdefan.”

Die Kinder bestaunen die in einer Büffelsuhle gefundenen Tiere, unter anderem Libellenlarve und Teichmolch.
Foto: Jennifer Weidle | Die Kinder bestaunen die in einer Büffelsuhle gefundenen Tiere, unter anderem Libellenlarve und Teichmolch.

Das ist kein Zoo

Christian Salomon hat die Wasserbüffel trotz skeptischer Stimmen durch all die Jahre begleitet. „Wir wollten hier keinen besonderen Hingucker oder Zoo, wir halten die Tiere, weil es hier keine idealeren Weidetiere gibt.” Das Projekt zeige, dass eine Symbiose zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus möglich ist.

 
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