Als Bankkaufmann in Ausbildung trug er Hose mit Bügelnaht und Hemd mit Schlips, zeitweise auch einen Blaumann; als Zeitsoldat dann zehn Jahre lang in Oliv. Als Fitness-Fachwirt und Gesundheitscoach trägt er jetzt meist Trainingsanzug und wenn er seiner Mutter Margitta Gottschalk im Schönbrunnen hilft, Jeans mit Hemd ohne Krawatte. Kein Zweifel: Die bisherigen vier Jahrzehnte im Leben des Lebens Sven Gottschalk waren recht bunt. Im Herzen aber der 42-jährige Lohrer, der vor fünf Jahren das Parteibuch der SPD annahm, „knallrot“, wie er sagt. Schwarz sei er „im Moment null“, geht er auf das politische Farbenspiel ein, grün „generell leicht“, beim Thema Umwelt sogar „stark angehaucht“ und gelb immerhin „ganz leicht schattiert“. Bei blau schweigt er vielsagend.
Flexiblere Arbeitszeiten nach klaren Regeln
Die gelbe Schattierung hat natürlich biografischen Bezug. „Ich krieg das täglich mit, was läuft in der Gastronomie und auch anderswo. Ich hab kein Problem mit flexibleren Arbeitszeiten.“ Zwar brauche es einerseits „ganz klare Regeln“, führt er aus, „aber es gibt auch Branchen, wo eine Arbeitskraft entscheidet, ob Du aufmachst oder nicht“, verdeutlicht der Sohn der Schönbrunnen-Wirtin.
Geprägt von vier Monaten in Kabul
„Wer etwas bewegen will, muss sich selbst bewegen.“ Das passt zu seinem Lebensweg ebenso wie zu seinem jetzigen Erstberuf, den er als Selbstständiger ausübt. Bewegt, ja „extrem geprägt“ und ihn zum Einstieg in die Politik bewogen haben ihn die vier Monate in Kabul Ende 2004. In Afghanistan erlebte er, wie Kinder mit abgerissenen Beinen in das Zelt-Krankenhaus der Bundeswehr gebracht wurden – das einzige im Umkreis von 1500 Kilometern; und wie dort Maschinen abgezogen wurden, weil die Soldaten die Generatoren brauchten. „Allein zu sehen, was Krieg und Terror mit Menschen macht, das zermürbt, das nimmt Zukunft“, fasst Gottschalk zusammen. Er verstehe nicht, wie man Afghanistan als „sicheres Herkunftsland“ einstufen könne. Ende 2014 zogen sich die Nato-Truppen aus Afghanistan zurück. „Der Terror kommt zurück“, schüttelt der ehemalige Stabsunteroffizier den Kopf.
Inspiriert von der Utopie-Konferenz
Es ist bezeichnend, dass sich Gottschalk im August bei der Utopie-Konferenz des Philosophen Richard David Precht inspirieren ließ. Er denkt auch andere Wege, um den ländlichen Raum zu stärken. Für die ärztliche Versorgung brauche man „nicht in jedem Ort einen Arzt“, sagt er. Hie und da eine gut ausgebildete Krankenschwester könne einen wirklichen Notfall auch erkennen und im Zweifel entscheiden: „Jetzt müssen wir zum Arzt.“ Zudem werde die Telemedizin ausgebaut, schaut Gottschalk nach vorne. Auch das Modell der Praxis-Filialen hält er für praktikabel, etwa in der Art, wie Dr. Michael Brack seit April eine Ärztin seiner Urspringener Praxis nach Steinfeld abstellt.
Gottschalk stellt einiges in Frage
Mit Blick auf die zwei Gymnasien in Gemünden wünscht er sich, das Kirchturmdenken aufzugeben. Kinder und Jugendliche sollten öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen dürfen. Der Absolvent der Fachoberschule favorisiert „Modelle, die in Richtung Gesamtschule gehen“, hält nichts vom „Grundschulabitur“, stellt in den Grundschulen gar die „Noten als Basis der Bewertung in Frage“. „Antworten hätte ich schon“, sagt er. Um sie umzusetzen, würde er sich als Landtagsabgeordneter hineinknien wollen.
Der Gesundheitscoach verhehlt nicht, dass er gelegentlich raucht. Der 42-Jährige steht zu seiner Patchwork-Familie, ist verheiratet mit der fünf Jahre älteren Sarah Gottschalk, spricht von zwei Töchtern, von denen seine Frau eine in ihre zweite Ehe mitgebracht hat. Offen darüber zu reden, gehört zu seinem Stil. Andere erreichen, ja mitzunehmen, „das geht nur, wenn Du authentisch bist“, ist er überzeugt.
Zahlenspiele
Bleiben die Zahlenspiele: Der Lohrer Ortsverband zählt 81 Genossen, sein Kreisverband um die 670. Am Ende der SPD-Liste platziert, hatte der damalige Politneuling 2014 noch keine Chance auf ein Kreistagsmandat. Für die Landtagswahl werden der SPD elf bis 14 Prozent Stimmenanteil prognostiziert. In Unterfranken erhofft sich Gottschalk 20 Prozent – und dass seine Partei auf jeden Fall vor der AfD landet. Er selbst ist auf der SPD-Liste auf Platz sechs zu finden. Vier Mandate haben die unterfränkischen Genossen derzeit. Gottschalk wünschte sich, dass es dabei bliebe, oder dass es gar mehr werden. Und dass er dann dabei ist im Landtag – auch wenn er nach fünf Jahren keinerlei wirtschaftliche Sicherheit hätte. „Ich mach' das aus Überzeugung.“