Mit modernster Technik wird derzeit an zwei Stellen in Himmelstadt nach Bodenspuren aus der mehr als 1200 Jahre alten Geschichte des Dorfes geforscht. Geomagnetik, Radar- und Sonargeräte sollen mögliche Gebäudereste aus dem frühen Mittelalter sichtbar machen.
Geduldig stapft Karl-Heinz Sander aus Himmelstadt in Gummistiefeln über das Feld „Am Klas“. Er zieht ein einachsiges Gefährt mit zwei Rädern und einem Gestell hinter sich her, das an einen großen Heurechen erinnert. Dann erfolgt ein Warnruf: „Auto kommt!“ und Sander bleibt stehen, bis das Fahrzeug auf der nahen Staatsstraße vorbei ist. Hinter seinem Konstrukt überwacht nämlich der Geophysiker Henning Zöllner seinen Monitor und kann bei den Messungen keinesfalls die störenden Einflüsse eines fahrenden Autos in unmittelbarer Nähe gebrauchen.
Nonnenkloster von 1231
Die zehn Sensorstangen des „Karrens“ haben jeweils einen Abstand von 50 Zentimetern, sodass immer eine Breite von fünf Metern erfasst werden kann. Gut 20 Mal muss das menschliche „Zugpferd“ so auf dem Feld auf und ab laufen, um es komplett abzudecken. Danach erhoffen die Geophysiker der Firma „eastern-atlas“ aus Berlin, gut zwei Meter tief in den Boden hinein geschaut zu haben.
Mit magnetischen Messungen werden räumliche Änderungen des natürlichen Magnetfeldes registriert, die durch magnetisch wirksame Einlagerungen in den oberen Bodenschichten verursacht werden. Diese magnetische Kartierung ist die effektivste geophysikalische Prospektionsmethode zur zerstörungsfreien Vorerkundung archäologischer Fundstellen. Durch das Auffinden von Magnetanomalien archäologische Befunde können Gräben, Gruben und Pfostenlöcher oder sogar Feuerstellen und Brandlehm aber auch Keramik und Ziegel meist sehr gut erkannt werden.
Weshalb dieser Aufwand auf dem Acker? Gerhard Hilpert vom Arbeitskreis „1200 Jahre Himmelstadt“ hat allen Grund, unter der Oberfläche die Überreste eines alten Zisterzienserklosters aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zu vermuten. Da sind zum einen die historischen Quellen, nach denen Bischof Hermann von Lobdeburg 1231 in Himmelstadt ein Nonnenkloster gegründet hat.
Aber es gibt auch eindeutige oberirdische Spuren im Gelände. Auf dem Feld mit Kalkboden und Mainablagerungen wurden Reste von „romanischen Mörtel“ auf Sandsteinbasis gefunden, der nicht zufällig hierhergekommen sein kann. Nicht zum Kalksteinumfeld gehören auch bearbeitete Funde von Buntsandstein.
Das Augenfälligste aber findet sich an der Kalkstein-Steilwand westlich. Hier zeigt Hilpert 20 Löcher, die in regelmäßigen Abständen und in Hüfthöhe in den Fels eingeschlagen wurden. Drei weitere größere liegen darüber. „Wenn man bedenkt, dass vor 800 Jahren das Niveau des Bodens hier deutlich tiefer gelegen haben muss, wird wahrscheinlich, dass diese Löcher als Widerlager für die Balkenkonstruktion von Bauwerken gedient haben könnten “, sagt er.
Nach der Befahrung mit dem Magnetmessgerät setzt der zweite Geophysiker Burkart Ullrich sein Bodenradar ein. Es sieht aus wie ein großer Rasenmäher und kann den Boden auf veränderte Reflexionen mit höherer räumlicher Auflösung erforschen und ähnlich wie der Computertomograf in der Medizin ein 3-D-Bild erzeugen. Im günstigsten Fall können so längst verfallene und vergrabene Grundmauern sowie andere Strukturen optisch wiederauferstehen.
Seismisches Echo
Ortswechsel: Am nordwestlichen Ende Himmelstadts – im Baugebiet „Burkardstuhl“ – gibt es eine gut 900 Quadratmeter große Grünfläche inmitten der bebauten Grundstücke. Dort sind einen Tag später die Geophysiker wieder am Werk. Gut zwei Dutzend Stäbe – wie Zeltheringe mit einem kleinen Quader als Kopf – haben sie und die Helfer vor Ort in regelmäßigen Abständen in den Boden gesetzt. Die Quader sind per Kabel mit einem Steuergerät verbunden, das elektrische Impulse ins Erdreich sendet und die Reflexion seismologisch erfasst. Das seismische Echo wird von den Fachleuten interpretiert und ermöglicht Aussagen zum lithologischen und strukturellen Aufbau des Untergrunds sowie dessen physikalischen Eigenschaften.
An dieser Stelle vermutet Heimatforscher Gerhard Hilpert unter der Erde die Reste des „Burkardstuhls“ aus dem frühen Mittelalter. Das Himmelstadter Lehen der Herzogstochter Immina, die ja in Würzburg lebte, musste schließlich verwaltet werden und auch nach dem Tausch zugunsten des Bistums waren Verwaltungs- und Zehntgebäude nötig. Der Flurname „Burkardstuhl“ hat sich bis zum heutigen Tag erhalten.
Bei der Besiedlung des jetzigen Baugebiets 1970 wurden seinerzeit Reste von Brunnen und sogar von einem Rundturm gefunden, was aber damals leider nicht weiter verfolgt wurde. Es gibt sogar Berichte, dass Stücke von blauem Glas im Boden entdeckt wurden. Diese hätten mithilfe heutiger Methoden Aufschluss auf das Alter und die Verwendung geben können, so Hilpert.
Karte von 1839
Aber auch hier gibt es interessante schriftliche Dokumente. Der ehemalige Diplomingenieur für Vermessungswesen Hilpert zeigt eine historische bayerische Urkarte von 1839, auf der inmitten der Flur am Burkardstuhl die Grundmauern eines aufgegebenen rechteckigen Gebäudes zu sehen sind. - Ein Hinweis auf alte Wurzeln?
Die gegenwärtig laufenden fachlichen Untersuchungen sollen Klarheit verschaffen, hoffen die Himmelstadter. Wenn alle Auswertungen gut verlaufen, kann noch in diesem Jahr mit Ergebnissen gerechnet werden.
Natürlich sind solche Untersuchungen nicht ganz billig. Doch Hilpert verweist hier auf großzügige öffentliche Förderung. Die Kosten werden zur Hälfte vom Landesamt für Denkmalpflege in Bamberg getragen.
Der Bezirk Unterfranken und die Diözese Würzburg beteiligen sich an der zweiten Hälfte, und auch die Rotarier Karlstadt-Arnstein geben einen beachtlichen Zuschuss, so dass für die Gemeinde Himmelstadt keine nennenswerten Belastungen anfallen.