Buchen abholzen, um uralte Traubeneichen im Spessart zu retten: Diese Idee stößt auf Kritik. Ihren Ursprung nahm die aktuelle Diskussion mit einer Petition, in der sich bereits im März mehrere regionale Vereine, darunter "Wir im Spessart", an den Bayerischen Landtag wandten. "Eichenwälder des Spessarts" seien ein "ausgesprochen wertvolles und in dieser Form auch einzigartiges Juwel", heißt es darin. Die alten Eichen, die bereits seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts oder noch länger im Spessart stehen, sollten auch für "künftige Generationen bewahrt werden".
Diese Bäume würden "ohne Unterstützung durch den Menschen" dort schon bald nicht mehr zu finden sein. Ursache dafür sei die Buche. Diese verdränge die Alteichen nämlich in den sogenannten Klasse-1-Wäldern. Langfristig entstünden dort ohne das Eingreifen der Förster "artenarme und finstere reine Buchenmonobestände", befürchten die Petitionsunterzeichner. Nach ihrer Argumentation nehmen die Buchen den alten Eichen das Licht, wodurch diese absterben.
Keine Holzentnahme und Bewirtschaftung erlaubt
Unter die erwähnte Klasse 1 fassen die Bayerischen Staatsforsten alte und seltene Waldbestände. Dazu gehören beispielsweise Eichen, die älter sind als 300 Jahre. "Neben dem Holzeinschlag unterbleiben auch andere forstliche Maßnahmen", heißt es zum Umgang mit Klasse-1-Wäldern im regionalen Naturschutzkonzept des Forstbetriebs Rothenbuch, der zuständig ist für den Hochspessart. Weiter steht dort, dass "aktive Eingriffe zum Erhalt der Alteichen bei Bedrängung durch Rotbuchen" unterbleiben sollen. Die alten Wälder sollen sich weitgehend "natürlich entwickeln" und ihre Funktion zur "Sicherung der Biodiversität möglichst optimal entfalten" können.
Neben den internen Regelungen der Staatsforsten untersagt seit Dezember vergangenen Jahres auch das Bayerische Waldgesetz die Nutzung dieser Gebiete. Die Wälder der Klasse 1 gelten seitdem nämlich als Naturwaldflächen. Und in diesen Naturwäldern darf laut Gesetz "keine Bewirtschaftung und keine Holzentnahme" stattfinden.
Die Unterstützer der Petition finden diese Einschränkungen im Hinblick auf die Situation der Eichen im Spessart "kontraproduktiv". Sie sprechen sich gegen einen "Eingriffsverzicht" aus. Um das Nachwachsen der Eichen zu ermöglichen, seien Maßnahmen wie das Fällen von "beschattenden Buchen" notwendig. Dieser Vorschlag gefällt wiederum nicht allen.
Die Freunde des Spessarts sind empört
"Relativ sprachlos" mache die Petition, schreibt die Bürgerbewegung "Freunde des Spessarts" in einer Pressemitteilung. Die Vorsitzenden Bernd Kempf und Heidi Wright sprechen sich gegen "die Kausalität Buche versus Eiche" und die damit verbundene Forderung nach Fällungen aus. Sie zeigen sich empört darüber, dass die Unterzeichner die "Motorsäge" als "adäquates Schutzmittel" für die Eichen vorschlagen.
Die Petition gehe in "die komplett falsche Richtung", da sie auf der Annahme beruhe, dass die Buchen verantwortlich wären für das Verschwinden der Eichen. „Es war aber nicht die Buche, sondern die Säge“, wird Burkard Büdel, Vorstandsmitglied der Freunde des Spessarts, in der Mitteilung zitiert. Dass nicht mehr so viele Eichen wie früher im Spessart erhalten seien, liege "ursächlich in der modernen Forstwirtschaft". Diese ernte Bäume frühzeitig und führe diese "der monetären Verwertung" zu.
Wer das "Naturerbe uralter Eichen" bewahren möchte, dürfe nicht alle Eichen in den Klasse-2-Wäldern (Eichen im Alter zwischen 140 und 300 Jahren, Amn. d. R.) der wirtschaftlichen Nutzung zuführen. Und in Klasse-1-Wäldern müsse unumstößlich klar sein, dass jeglicher Eingriff unterbleibt, betonen die Freunde des Spessarts.
Kein Kahlschlag von Buchen geplant
Der Vorsitzender des Vereins "Wir im Spessart", Peter Winter, sagt auf Anfrage dieser Redaktion, dass er die Kritik an der Petition für "Panikmache" halte. Er fordere schließlich "keinen Kahlschlag" von Buchen. In erster Linie gehe es bei der Petition nur darum, dass "fundierte forstwirtschaftliche Maßnahmen" zu Gunsten der alten Eichen ergriffen werden, damit diese überleben können und nicht aus dem Spessart verschwinden. Dass dafür Bäume gefällt werden müssten, räumte Winter ein. Aber nur so können aus seiner Sicht "die Eichen wieder Luft bekommen".
Die Buche sei natürlicherweise die vorherrschende Baumart im Spessart, erläutert der Leiter des Forstbetriebs Rothenbuch, Florian Vogel. Diese habe dort eine "enorme Konkurrenzkraft". Die Eiche brauche die aktive Unterstützung durch Försterinnen und Förster, um sie im Spessart zu erhalten. Im bewirtschafteten Wald geschehe das so. Dort würden "immer wieder auch Eichenbestände neu begründet".
Schätzung: Ein paar hundert Bäume wären betroffen
Selten geworden seien lediglich die sehr alten Eichen, die vor über 350 Jahren, also zu Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs, im Spessart entstanden sind, berichtet Vogel. Diese stehen auch bei der Petition von "Wir im Spessart" im Fokus. Der Rückgang dieser Bäume erkläre sich auch "durch natürliche Absterbeprozesse" und eben "die Nutzung der Eichen in den vergangen Jahrhunderten", sagt der Forstbetriebsleiter.
Wie viele Buchen in den Naturwaldflächen theoretisch gefällt werden müssten, um die Alteichen zu schützen, kann Vogel aus dem Stegreif nur grob schätzen. Da es von diesen Eichen "nicht mehr allzu viele" gebe und diese auch verteilt stünden, handele es sich jedenfalls um "keine riesigen Flächen". Es ginge vermutlich um ein "paar hundert Bäume". Zwar seien "im Rahmen ausnahmsweiser punktueller Pflegemaßnahmen" auch auf Naturwaldflächen Eingriffe zugunsten der Eiche möglich. Bisher sei das aber nicht vorgesehen.