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GEMÜNDEN
Straßensanierung: weniger Beitrag bezahlen – weniger ärgern?
Nach der Einschätzung des Bauamts im Rathaus vom Dezember 2015 Gemündens schlechteste Straße: die Oberdorfstraße in Wernfeld.
Foto: Michael Fillies | Nach der Einschätzung des Bauamts im Rathaus vom Dezember 2015 Gemündens schlechteste Straße: die Oberdorfstraße in Wernfeld.
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:22 Uhr
„Dieses Bürokratiemonster tun wir uns nicht an.“
Bürgermeister Jürgen Lippert zur neuen Beitragssatzung

Auf immer höhere Straßenausbaubeiträge der Bürger und den damit verbundenen Ärger hat die Bayerische Staatsregierung im Februar reagiert. Sie erlaubt den Gemeinden, ab 2021 von allen Grundstückseigentümern eine jährliche Sonderabgabe für Straßenerneuerungen zu erheben. Die Stadt Gemünden hat, wie auch beispielsweise Würzburg, dem neuen Modell schon jetzt eine Absage erteilt.

„Bürokratiemonster“

„Dieses Bürokratiemonster tun wir uns nicht an“, fasste Germündens Bürgermeister Jürgen Lippert gegenüber der Redaktion die Meinung im Stadtrat und in der Verwaltung zusammen. Ausgiebig hatte vor einigen Wochen Peter Interwies vom städtischen Bauamt dem Stadtrat das neue Gesetz erläutert und die Vor- und Nachteile dargestellt. Ein Beschluss sei danach nicht gefasst worden, so Lippert, die ablehnende Haltung im Stadtrat sei klar gewesen.

Straßenausbaubeiträge sind ein steter Streitgegenstand vor den Verwaltungsgerichten. Die Rechtslage ist kompliziert und ändert sich im Detail öfters. Da den Bürgern mittlerweile manchmal sogar fünfstellige Summen abverlangt werden, beschreiten sie fast notgedrungen oft den Klageweg.

Gezahlt werden muss

An der Zahlungsverpflichtung an sich aber führt kein Weg vorbei. Darauf hatte auch Peter Interwies in seinem Referat wieder hingewiesen. Das Kommunalabgabengesetz schreibt den Landkreisen und Gemeinden vor, „für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (...) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten“ zu erheben. Damit hat insbesondere die Stadt Gemünden schmerzliche Erfahrungen, denn die Beitragserhebung für die Verbesserung der Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung führte zur Gründung von einer bzw. zwei Bürgerinitiativen und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Einzelklagen gegen Verbesserungsbeiträge sind auch in den Nachbarorten an der Tagesordnung.

„Wiederkehrende Beiträge“

Eine Ausnahme von der Pflicht zur Einhebung der Sonderabgabe gibt es: wenn die Gemeinde „sehr vermögend“ ist, wie es Peter Interwies ausdrückte. Nach einer Erhebung des Bayerischen Innenministeriums vom März 2015 haben nur drei Prozent der unterfränkischen Gemeinden keine Straßenausbaubeitragssatzung, neun von 308 Kommunen.

Das neue Gesetz nunmehr eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, statt der ungeliebten Einmalbeiträge ab 2021 sogenannte „wiederkehrende Beiträge“ zu erheben. Innenminister Joachim Herrmann hat die Regelung aus Rheinland-Pfalz importiert, wo angeblich rund 40 Prozent der Gemeinden von der Möglichkeit Gebrauch machen.

Dort müssen laut Herrmann die Bürger bis etwa 200 Euro aufbringen, jährlich wiederkehrend. Damit werden dann alle Verkehrsanlagen einer Gemeinde oder eines zuvor bestimmten Gemeindeteils bezahlt. Immobilienbesitzer, die kurz oder einige Jahre zuvor zur Kasse gebeten worden waren, wären übergangsweise von den wiederkehrenden Beiträgen freigestellt.

Die Vor- und Nachteile

Ähnlich wie die Stadtverwaltung Würzburg fällt in Gemünden die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile dieser Regelung aus. Für die wiederkehrenden Beiträge sprechen laut Interwies unter anderem: zusätzliche Mittel für den Straßenunterhalt, vergleichsweise geringe Beiträge für den Einzelnen, Zahlung für alle Straßen, einfache Bestimmung der Beitragspflichtigen und Wegfall der Mehrfachbelastung für Eigentümer von Eckgrundstücken.

Als Nachteile sah der Referent: gleiche Beiträge trotz unterschiedlicher Straßenqualität, jahrzehntelange Zahlungen von Anliegern ohne Verbesserungen an deren Straßen, Rechtsunsicherheit bei der Beitragspflicht (bislang sind Straßen des überörtlichen Verkehrs beitragsfrei), vergleichsweise hohe Belastung von Eigentümern großer Grundstücke, Beitragsschwankungen je nach Anzahl der Unterhaltsmaßnahmen, Beitragsbefreiung kürzlich belasteter Anlieger, generelle Rechtsunsicherheit sowie hoher Verwaltungsaufwand. Die Stadt Würzburg müsste nach ihren Angaben jährlich etwa 40 000 Beitragsbescheide erlassen statt bislang 500 bis 1000.

Interwies' Ratschlag

In der Zusammenfassung seines etwa 40-minütigen Vortrags kam Peter Interwies zu dem Schluss, man solle es vorerst bei der bisherigen Einmalabrechnung von Verbesserungsmaßnahmen an Straßen belassen: Bei dem neuen Modell zahle zwar der Immobilienbesitzer vordergründig erheblich weniger, dafür aber für alles und für jede Ausbauart (beispielsweise aufwendiges Pflaster in bestimmten Straßen); die Stadt müsste einen im Schnitt höheren Eigenanteil aufbringen und hätte einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Außerdem sei unklar, ob das neue Gesetz einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhält.

Keine Gemeinde in Unterfranken hat bisher ihr Abrechnungssystem geändert, hieß es im Sommer übereinstimmend beim Bayerischen Gemeindetag und bei der Regierungs von Unterfranken.

Beiträge für Straßen

Ausbaubeiträge können von Grundstückseigentümern steuermindernd geltend gemacht werden, darauf weist der Eigenheimerverband Bayern hin. Die Grundlage ist ein Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 24. Juni 2015, das mit Hinweis auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs zugunsten eines Grundeigentümers entschieden hat: Nach Paragraf 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20 Prozent der Kosten für Handwerkerleistungen, höchstens um 1200 Euro pro Jahr. Der auf die Arbeitskosten entfallende Anteil der Straßenausbaubeiträge führt somit auf Antrag des Steuerpflichtigen zur Ermäßigung seiner Steuerlast.
Ein Gehsteig im Gemündener Grautal-Viertel.
Foto: F. Heilgenthal | Ein Gehsteig im Gemündener Grautal-Viertel.
 
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