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LOHR/WÜRZBURG
Stolperunfall oder Mord?
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:09 Uhr

Fast wäre der Fall als natürlicher Tod zu den Akten gelegt worden. Doch dann brachte die Aussage einer Mitpatientin Ermittlungen ins Rollen, die dazu führten, dass sich ein heute 28-jähriger Forensik-Patient seit Dienstag vor dem Landgericht Würzburg verantworten muss. Die Anklage lautet auf Mord, begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit.

Der Angeklagte soll in einer Nacht im März 2014 einen 78-jährigen Mitpatienten im Schlaf mit einer Decke erstickt haben, weil ihn dessen lautes Schnarchen störte, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Ort des Geschehens war ein Wachsaal in einer für chronisch schizophrene und intelligenzgeminderte Patienten bestimmten Abteilung der Forensik. In der gefängnisähnlich gesicherten Einrichtung in Lohr (Lkr. Main-Spessart) sind über 100 psychisch kranke und suchtkranke Straftäter zur Therapie untergebracht.

Die Mordermittlungen waren damals erst mit Verzögerung in Gang gekommen. Ein Arzt hatte bereits einen natürlichen Tod bescheinigt: Herzversagen. Gegenüber einer Mitpatientin hatte der Angeklagte jedoch geäußert, beim Tod des 78-Jährigen „nachgeholfen“ zu haben. Die Frau offenbarte sich der Polizei. Die daraufhin veranlasste Obduktion des Toten erbrachte tatsächlich Hinweise auf ein Ersticken.

Spurensicherer kamen zu spät

Der mutmaßliche Täter, ein schmächtiger Mann, der vor Gericht mit leiser Stimme spricht, war erst wenige Stunden vor dem angenommenen Tatzeitpunkt in den abgeschlossenen Wachsaal verlegt worden, weil er wieder einmal das Pflegepersonal beleidigt hatte. Der stark demente 78-Jährige befand sich wegen seiner Orientierungslosigkeit in dem abgeschlossenen aber offenbar nicht permanent überwachten Raum. Kurz nach 23 Uhr meldete der Angeklagte dem Pflegepersonal, dass der Zimmernachbar nicht mehr atme.

Gegenüber der Polizei gab er später an, im durch starke Medikamente verursachten halbbewusstlosen Zustand über seine Schnürsenkel gestolpert und auf den im Bett liegenden Mitpatienten gefallen zu sein. Dabei seien Hand und Decke auf dem Gesicht des 78-Jährigen gelandet und dort geblieben – etwa zwei Minuten lang, bis sich das mutmaßliche Opfer nach einigem Zucken nicht mehr rührte.

Neben der Aussage des Angeklagten und dem Obduktionsergebnis gibt es offenbar kaum Beweise. Als die Spurensicherer zwei Tage nach dem Vorfall in die Klinik kamen, waren der Raum grundgereinigt, Schlafanzug und Bettwäsche des 78-Jährigen entsorgt beziehungsweise gereinigt. Die Verhandlung wird an diesem Mittwoch fortgesetzt.

 
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