Normalerweise sind an Karfreitag mehrere Tausend Menschen in der Lohrer Altstadt unterwegs, um sich die weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte Karfreitagsprozession anzusehen oder auch aktiv daran teilzunehmen. In diesem Jahr aber fand die Prozession, in der 13 lebensgroße Figuren getragen werden, die das Leiden und Sterben Jesu Christi darstellen, aufgrund der Coronakrise und des damit zusammenhängenden Versammlungsverbots nicht statt.
Stattdessen wurden, als Einladung zu einem stillen Gebet, von Mittwoch bis einschließlich Karsamstag vier Stationen in der Stadtpfarrkirche St. Michael aufgestellt: der Kreuzschlepper, das heilige Kreuz, die Pietà sowie Jona im Walfisch als Zeichen der Auferstehung. Am Karfreitag wurden in der Kirche außerdem Texte zu diesen Stationen in Endlosschleife abgespielt, begleitet von Orgelmusik.
Die älteste gesicherte Nachricht über die Lohrer Karfreitagsprozession stammt aus dem Jahre 1656. Bis ins 18. Jahrhundert gab es ähnliche Prozessionen in vielen Städten im süddeutschen Raum. Fast alle wurden aber im Zuge der Aufklärung durch weltliche oder geistliche Instanzen abgeschafft.
Dass die Lohrer Prozession bis heute existiert, hängt mit der Hartnäckigkeit des damaligen Lohrer Stadtpfarrers zusammen, der im Jahre 1818 die bayerischen Behörden mit dem Argument überzeugte, eine Abschaffung der Prozession würde unter anderem zu wirtschaftlichen Nachteilen für Lohr führen. Karfreitag war damals noch Werktag und wurde vor allem als Einkaufstag genutzt. Außerdem warnte der Pfarrer vor Unruhen in der Bevölkerung, wenn die Prozession verboten würde.